Thema

Steuersenkungen klingen gut

Wichtig ist die Frage, wo dann weniger augegeben werden soll
An der Steuerschraube zu drehen hat stets Auswirkungen auf die Höhe der Einnahmen.
Jede und jeder wünscht sich, weniger Steuern zu bezahlen. Leider bleibt bei diesem Wunsch die Frage unbeantwortet, wo dann das Geld bei den öffentlichen Ausgaben eingespart werden soll.

Text: Werner Steiner

Steuern werden erhoben, damit das Allgemeinwohl einer Gesellschaft finanziert werden kann. In der heutigen Zeit erlebe ich eine gespaltene Situation: die Anforderungen an das, was öffentlich finanziert werden soll, steigen. Es gilt gemeinsam gegen die drohende Klimaerwärmung vorzugehen, den Terrorismus einzudämmen verbunden mit dem Ruf nach mehr Sicherheit durch den Staat und nicht zuletzt auch den sozialen Ausgleich für jene Menschen zu garantieren, die es nicht aus eigener Kraft bis zum Monatsende schaffen. Staatsverdrossenheit durch neoliberale Politik und Steuerdruck durch die beinahe ausschließliche Besteuerung des Einkommens führen zu einer Steuermüdigkeit bei den Bürgern. Dass Geld nur ein Zahlungsmittel ist und wir uns an nachhaltigen, fairen und demokratischen Unternehmen orientieren sollten, fällt uns schwer. Ich bin überzeugt, dass kleine Kreisläufe viel zur Verbesserung unserer Lebensqualität und auch zu menschenwürdiger Arbeit beitragen können.
Wie wir aus den Medien entnehmen konnten, möchte die Landesregierung einige „Steuermaßnahmen für den sozialen Ausgleich“ einführen. Das klingt zunächst vielversprechend und gar einige werden diese Aussagen wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Was bedeuten diese Erleichterungen aber aus der Sicht eines Sozialverbandes?
GIS als Steuerungsmittel

Die Gemeindeimmobiliensteuer GIS soll für alle jene Wohnungen gekürzt werden, die freiwillig zum Landesmietzins an Ansässige vermietet werden. Gleichzeitig sollen leerstehende Immobilien und solche, die nicht an Ansässige vermietet werden, höher besteuert werden. Der Ansatz zur Wohnungsbeschaffung klingt gut. Es stellt sich mir die Frage: „Wer wird zum Landesmietzins vermieten?“. Wir haben sicher in vielen Gemeinden leerstehende Wohnungen. Es gibt aber auch Vermieter, die ihre Wohnung durchaus vermieten würden, wenn die Miete regelmäßig bezahlt würde. Als KVW haben wir uns für das „Modell Vorarlberg“ ausgesprochen. Gerade bei einkommensschwachen Mietern könnte eine Institution die Garantie für den Mietpreis übernehmen und so den Mietmarkt attraktiver machen.
Durch IRPEF höhere Steuereinnahmen

Die regionale Einkommensteuer IRPEF soll besser verteilt werden. Höhere Einkommen ab 85.000 Euro sollen höher besteuert werden. Diese Maßnahme dürfte dazu führen, dass die Steuereinnahmen des Landes steigen könnten. Als Sozialverband vertreten wir das Prinzip der Subsidiarität. Das bedeutet, dass jeder nach seinen Möglichkeiten zum Gemeinwohl beizutragen hat. Es macht also Sinn, dass Besserverdienende auch mehr Steuern bezahlen. Allerdings ist zu schauen, dass die Einkommensschwachen von dieser Mehreinnahme auch etwas haben. Wenn die Mehreinnahmen dazu führen, dass die Schwächeren in unserer Gesellschaft leichter zum Monatsende kommen, ist gegen diese Maßnahme nichts einzuwenden. Ich denke aber gleichzeitig, dass eine Erhöhung der Steuersätze leicht zu einer Senkung des Steueraufkommens führen könnte. Immer wenn Steuern eingeführt wurden haben wir als Steuerzahler Strategien zur legalen und illegalen Steuervermeidung gefunden. Der Gedanke, dass Steuern für das Funktionieren der Gesellschaft notwendig sind und die Grundlage des Sozialstaates bilden, ist leider noch allzu selten in unserem Denken verankert.
Angemessene Löhne

Schließlich sollen Betriebe, die einen angemessenen Lohn an die Arbeiter bezahlen, Vergünstigungen bei der Wertschöpfungssteuer IRAP erhalten. Diese regionale Wertschöpfungssteuer wurde 1998 eingeführt. Gewerbliche Tätigkeiten, die im Landesgebiet ausgeführt werden, sind zu besteuern.
Werner Steiner,
KVW Landesvorsitzender

Thema

Die Flat Tax

Ein Wundermittel oder trojanisches Pferd?
Wie bei einem trojanischen Pferd fragt man sich, was die Flat Tax bringt.
Lega-Chef Matteo Salvini will den Einheitssteuersatz von 15 Prozent für Einkommen von Familien einführen. Wird das entstehende Steuerloch von 30 Milliarden Euro durch die höhere Steuermoral und einsetzenden Wirtschaftsausschwung überkompensiert werden, wie von der italienischen Regierung erwartet? Oder entpuppt sich die Flat Tax als umgekehrte Robin-Hood-Steuer, die den Reichen gibt und den Armen nimmt, wie Kritiker befürchten?
Text: Stefan Perini
Die Versprechen der italienischen Regierung

Lega-Chef Matteo Salvini ist sich sicher: mit der Flat Tax werden alle Bürger weniger Steuern zahlen, die Meldemoral wird steigen, die Steuerhinterziehung sinken. Die Leute werden mehr konsumieren, die Unternehmen mehr investieren. Dies schafft Arbeitsplätze und Wohlstand. Italiens Wirtschaft wird wieder durchstarten. Und er verweist auf Länder, wo dies bereits seit Jahren so funktioniert: Estland, Lettland, Litauen und mehrere osteuropäische Länder. Warum dieses System also nicht auch auf Italien umstülpen?
Flat Tax: Was kommt da auf uns zu?

Flat Tax bedeutet so viel wie Einheitssteuer. Oder anders: man zahlt einen fixen Prozentsatz, egal ob man viel oder wenig verdient. Bereits aus der Definition erschließt sich, dass es nicht eine Flat Fax mit zwei Hebesätzen geben kann (z.B. 15 Prozent und 20 Prozent), wie zeitweise in der politischen Diskussion angeklungen ist.
Solch eine Flat Tax gibt es bereits heute in Italien, und zwar für Unternehmen und Freiberufler mit einem Jahresumsatz von bis zu 65.000 Euro. Entscheidet sich jemand für das Regime der Flat Tax anstatt für die traditionelle Besteuerung, kann in einem ersten Schritt vom Umsatz ein Pauschalabzug geltend gemacht werden, auf der Steuergrundlage wird dann ein Steuersatz von 15 Prozent angewandt.
Geht es nach Matteo Salvini soll in Kürze die Flat Tax auch auf Privatpersonen ausgedehnt werden. Die Erhebungseinheit ist in Zukunft die „Steuerfamilie“, das heißt z.B. die Einkommen von beiden Ehepartnern werden zusammengezählt. Nachdem man den Abzug von 3.000 Euro pro Mitglied geltend gemacht hat, kommt man auf die Steuergrundlage. Auf diese wird dann die Flat Tax von 15 Prozent angewandt. Für Einkommen bis zu 50.000 Euro soll der Steuerzahler wählen können, ob man beim alten System bleibt oder das neue anwendet. Diese Wahlmöglichkeit soll sicherstellen, dass das neue System niemand benachteiligt.
Die Mindereinnahmen für den Staat durch die Flat Tax beziffert die italienische Regierung mit 30 Milliarden Euro, die allerdings durch den erwarteten stärkeren Wirtschaftsaufschwung in den Folgejahren überkompensiert werden sollen. Davon will Salvini auch die EU-Kommission überzeugen, die dem italienischen Staat mangelnde Haushaltsdisziplin vorhält. Bereits das „Bürgereinkommen“ und „Quote 100“ hatten weitere Haushaltslöcher aufgerissen.
Wie funktioniert das Steuersystem aktuell?

Die Besteuerung der natürlichen Personen ist in Italien auf die Einzelperson ausgerichtet. Das heißt, jede Person, die ein Einkommen (über einer Minimalschwelle) erzielt, fällt in die Pflicht, dieses zu erklären und zu versteuern. In einem ersten Schritt kann man vom Gesamteinkommen Abzüge geltend machen, wie für die Vor- und Fürsorge oder die Hauptwohnung.
Auf dieser Grundlage zahlt man dann eine Bruttosteuer, die progressiv ausgerichtet ist. Konkret bedeutet das, auf die ersten 15.000 Euro wird eine Steuer von 23 Prozent fällig, auf den darüber hinaus gehenden Betrag bis zu 35.000 Euro ein höherer Steuersatz von 27 Prozent und so progressiv weiter.
Von der Bruttosteuer können schließlich noch Absetzbeträge wie sanitäre Spesen, Umbauarbeiten oder arbeitnehmerähnliche Einkünfte in Abzug gebracht werden, bis man die Nettosteuer erhält.
Die mutmaßlichen Gewinner und Verlierer

Schenkt man den Ankündigungen der italienischen Regierung Glauben, sollen in der ersten Anwendung eigentlich alle von der Flat Tax profitieren. Die Gutverdiener sowieso. War früher ein Steuersatz von 23 Prozent bis zu 43 Prozent fällig, kommt in Zukunft eine Steuer von 15 Prozent bis 20 Prozent zur Anwendung. Doch auch die niedrigen Einkommen sollen unmittelbar von der Flat Tax profitieren. Möglich wird dies einerseits durch die allgemeine Steuersatzsenkung und anderseits durch die Wahlmöglichkeit zwischen dem alten und dem neuen System, wodurch sich jeder für die günstigere Variante entscheiden kann.
Ausufernde Staatsschulden und zunehmende soziale Ungleichheiten

Doch die Risiken liegen im Verborgenen, einem trojanischen Pferd gleich. Erstens besteht die berechtigte Skepsis, inwiefern es tragbar und sozial gerecht sei, die einkommensstarken Bevölkerungsschichten dermaßen stark zu entlasten. Diese steuerlichen Entlastungen, derer sich zwar alle Steuerzahler erfreuen sollen, besonders stark aber die einkommensstarken Schichten, werden mit Sicherheit in den Staatskassen ein großes Loch aufreißen, das durch öffentliche Sparmaßnahmen kompensiert werden muss. Entsprechend den EU-Regeln greift in diesem Fall automatisch mit 2020 die Anhebung sowohl des niedrigen Mehrwertsteuersatzes von 10 Prozent auf 13 Prozent als auch des ordentlichen von 22 Prozent auf 25,2 Prozent. Das ist eine Endverbrauchersteuer auf den Konsum. Studien belegen eindrücklich, dass diese überdurchschnittlich stark die einkommensschwachen Kategorien belastet. Des Weiteren würde die Kürzung von Renten- und Sozialleistungen drohen. Die Leidtragenden wären ein zweites Mal Senioren und finanziell schlechter gestellte Personen. Würde hier in letzter Konsequenz also den Reichen gegeben und den Armen genommen, wie Kritiker befürchten?
Die Lüge der Steuersenkung

Das italienische Steuersystem ist weit entfernt davon, perfekt zu sein. Im Unterschied zu den Musterbeispielen in Europa hat der italienische Staat bis heute die Steuerhinterziehung nicht im Griff. Die Steuernormen sind ausgesprochen komplex, nicht gerade bürgernah, der bürokratische Aufwand für die Abwicklung der Steuerpflichten hoch. Und dennoch wirkt das aktuelle Steuersystem in Italien sozial ausgleichend. Das wird auch aus Studien des Arbeitsförderungsinstituts Afi deutlich, die sich mit den Südtiroler Einkommenserklärungen und dem Thema der Verteilungsgerechtigkeit befasst haben: Von den Absetz- und Abzugsbeträgen profitieren vielfach auch Arbeitnehmer und Rentner und die progressive Besteuerung stellt sicher, dass die Einkommensungleichheit „nach Steuern“ spürbar geringer ausfällt als jene „vor Steuern“.
Es zeichnet sich ab, dass mit der Flat Tax genau das Gegenteil eintreffen wird. Das Versprechen von Steuersenkungen mobilisiert zwar Wählerstimmen, führt aber in den meisten Fällen zu höherer sozialer Ungleichheit. Mehr Geld in der eigenen Brieftasche bedeutet zwangsläufig weniger Geld für die Gemeinschaftskasse und damit ein geringeres Maß an Wohlfahrtsleistungen und sozialer Sicherheit. Wir wissen, was wir haben. Seien wir skeptisch über das, was uns versprochen wird. Auch wenn es im ersten Moment verlockend erscheinen mag.
Stefan Perini, gebürtig aus Sterzing, wohnhaft in Klausen, ist studierter Volkswirt. Seit Oktober 2012 leitet er das Arbeitsförderungsinstitut Afi.