Thema

Ihr seid das Salz der Erde

Zur politischen Dimension des Christseins
Salz ist niemals neutral, sondern ein unverzichtbares Gewürz. Es ist wie im täglichen Leben: Ideal ist weder ein Zuviel noch ein Zuwenig.
Es ist Aufgabe jeder Religion, ihr spezifisches Verhältnis zu Politik und öffentlichem Leben zu bestimmen. Der moderne Versuch, Religion zur Privatsache zu erklären und damit aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, muss sich als untauglich erweisen und scheitern.
Markus Schlagnitweit,
Theologe, Sozial- und Wirtschaftsethiker und Direktor
der Katholischen Sozialakademie Österreichs (KSÖ)
Dieser Versuch verkennt nämlich ein zentrales Wesensmerkmal von Religion: Da Religion letztlich darauf abzielt, das Leben ihrer Gläubigen in irgendeiner Weise zu prägen, dieses Leben sich aber immer in sozialen Kontexten vollzieht, die den Raum des rein Privaten übersteigen, beeinflussen Religionen immer auch diese weiteren sozialen Kontexte und werden damit öffentlich. Allenfalls die freie Entscheidung, ob ein Mensch sich der einen oder anderen oder gar keiner Religion anschließt, ist dessen ureigene, persönliche Angelegenheit (und zugleich ein fundamentales Menschenrecht). Diese religiöse Option selbst aber setzt jeden Menschen bereits in ein spezifisches Verhältnis zu seiner Mitwelt und zu deren Öffentlichkeit – und ist insofern auch politisch, weil ein Mensch ja gar nicht nicht-politisch sein kann.
Auf der Suche nach einer markanten Kurzformel, welche imstande ist, das politische Wesen des Christseins auszudrücken, bin ich auf das Bildwort aus der jesuanischen Bergpredigt gestoßen: „Ihr seid das Salz der Erde.“ – Dieses Wort beschreibt zunächst selbst schon ein Beziehungsverhältnis; es heißt ja nicht einfach: „Ihr seid Salz“, sondern „Salz der Erde“.
Salz ist ein Gewürz – kein besonders raffiniertes und exotisches, sondern ein alltägliches, ein Grundgewürz. Gerade hierin liegt auch seine Besonderheit: Salz macht viele Speisen erst schmackhaft oder bringt den Eigengeschmack einer Speise oft erst zur Geltung. Wer – etwa aus gesundheitlichen Gründen – salzarm leben muss, weiß, wie schwer Salz zu ersetzen ist. Und wer beim Kochen schon einmal Salz vergisst, darf kaum mit dem Lob der Bekochten rechnen. Tatsächlich gibt es praktisch keine Speise, bei der Salz – und sei es nur eine feine Prise – fehl am Platz ist. Jedenfalls hält das Bibelwort daran fest: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Salz der Erde sein meint also: es immer und überall sein.
„Salzsein“ hat stets eine Wirkung
Heißt „immer und überall“ auch „ob gelegen oder ungelegen“? Ich möchte sagen: geradezu zwangsläufig. Salz ist eben salzig und nicht neutral. Wenn Christsein „Salzsein“ heißt in dieser Welt, dann sollte es einerseits wohl Würze sein für diejenigen, die mit der Suppe, die sie löffeln, keine rechte Freude haben können: Für viele reicht ihre „Lebenssuppe“ ja gerade zum Dahinvegetieren und oft nicht einmal das; ihre Suppe ist bitter geworden vor Sorge oder schal vor Einsamkeit oder Eingespanntsein in eine Tretmühle, und die Einlage besteht aus würgenden Brocken der Angst. Vielen ist die Suppe auch fade geworden, wenn sie plötzlich merken, dass die glänzenden Fettaugen an der Oberfläche nur die Blasen täuschender Glücksverheißungen sind. Das Leben bietet vielen Menschen wenig, woran sie Geschmack und Freude finden können. Dafür zu sorgen, dass solches Leben schmackhafter wird, dass es gerne gelöffelt wird, könnte also „Salz der Erde sein“ bedeuten – und hat auf der anderen Seite einen unvermeidlichen Nebeneffekt: Es gibt immer auch Menschen und Gruppen, denen die bestehenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse gerade so, wie sie sind, hervorragend passen, denen ihre „Lebenssuppe“ also herrlich mundet. Salz der Erde sein bedeutet auf dieser Seite dann aber unvermeidlich, bereits ausreichend und hervorragend gewürzte Suppen zu versalzen – nicht mutwillig: aus Missgunst, Bosheit oder moralinsaurer Besserwisserei! Aber das Salz, das die Geschmacksverhältnisse in dieser Welt zugunsten derjenigen verändert, deren Leben nach zu wenig schmeckt, wird für die Genießer ebendieser Welt unvermeidlich ein Zuviel an Salz bedeuten. Salz ist eben nie neutral, sondern salzig und deshalb parteiisch: zugunsten jener, denen es (noch) nicht schmeckt und zulasten jener, denen es dessen ungeachtet allzu gut geht. Und wehe, das Salz wollte geschmacksneutral sein! Es taugte dann zu nichts mehr, würde verworfen und von den Leuten zertreten – so das Bibelwort.
Auch ein Zuviel kann schaden
Als Salz neutral sein zu wollen, ist aber nur die eine Gefahr, vor der das biblische Wort warnt. Der andere Graben droht dort, wo etwa christliche Fundamentalisten und Fanatiker sich nicht damit begnügen wollen, „nur“ Salz der Erde zu sein. In der Geschichte des Christentums taucht immer wieder der totalitäre Traum einer durch und durch „christlichen“ Gesellschafts- oder gar Weltordnung auf: christliche Wirtschaft und Geldordnung, christliche Gesellschaft, christliche Politik – und wie sie alle heißen mögen, diese verlockenden Visionen eines institutionalisierten Gottesreiches auf dieser Welt. Was dabei vergessen wird: Salz ist nur ein Gewürz, nicht die ganze Speise. Ein Zuviel an Salz macht alles ungenießbar und ist in letzter Konsequenz sogar mörderisch. Das Tote Meer heißt nicht zufällig so. Die christliche Wirtschafts-, Gesellschafts- und Weltordnung gibt es also nicht – allenfalls in den Köpfen von Ideologen. Aber solch totalitäre Ideologien sind immer tödlich – wie eine Handvoll reines Salz. Salz ist eben „nur“ Gewürz, kein Nahrungsmittel. Nirgends mutet Christus seiner Jüngerschaft zu, selbst Nahrung zu sein für diese Welt. Das Brot, die Nahrung und Speise für diese Welt zu sein, das kommt nach christlichem Glauben einem anderen zu.
Salz ist unverzichtbar
Dennoch: Auch Salz ist lebensnotwendig. Der menschliche Organismus braucht es. Vielleicht ist dem Menschen der Moderne die Verfügbarkeit von Salz allzu selbstverständlich und sein Wert deshalb allzu gering geworden, weshalb es zuweilen auch in gesundheitsschädlichem Ausmaß Verwendung findet oder im Winter tonnenweise auf Straßen und Wege gekippt wird. In früheren Zeiten galt Salz dagegen als „weißes Gold“. Entlang der alten Salzstraßen brachte dieses wertvolle Gut den Städten, die damit Handel trieben, beträchtlichen Wohlstand. Der Handel mit Salz unterstand rigorosen gesetzlichen Regelungen und galt als besonderes Privileg. Und in den Wüstengebieten des Orients wird heute noch – uraltem, heiligem Brauch entsprechend – dem Gast zum Willkommen Brot und Salz gereicht: Ausdruck der Wertschätzung des Gastes und zugleich der Lebensnotwendigkeit des Salzes. Man muss sich diesen ursprünglichen Wert des Salzes vor Augen halten, will man das biblische Wort recht verstehen. Letztlich sagt es auch: Christsein ist lebensnotwendig für diese Welt. Sie braucht es. Ob sie sich dessen bewusst ist oder es sogar ablehnt, ist sekundär. Die entscheidende Frage, die zugleich Auftrag und Mahnung an alle Getauften ist, lautet: Wie würde diese Welt aussehen ohne Christentum – ohne das liebevolle Menschen- und Weltbild, ohne den positiven Gestaltungsauftrag und auch ohne die prophetische Kraft, das heißt, ohne die kritische Würze der christlichen Botschaft?
Christsein heute
Keine Frage: Der enorme Substanz- und Glaubwürdigkeitsverlust der christlichen Kirchen in den Gesellschaften der Moderne und Postmoderne ist nicht wegzuleugnen. Ich vermute, dass dieser Bedeutungsverlust unter anderem mit der bewussten oder unbewussten Weigerung vieler Christen und Christinnen zu tun hat, wirklich Salz dieser Erde sein zu wollen. Vielen Menschen ist das christliche Glaubenszeugnis deshalb zu geschmacksneutral – also belanglos, manchen vielleicht sogar zu
zuckersüß geworden. Dennoch: Das Salz der jesuanischen Botschaft und ihrer Gefolgsleute ist auch weiterhin lebensnotwendig – sofern es wirklich salzig ist und nur Gewürz.
aus: Daniela Feichtinger/Markus Schlagnitweit. Was würde Jesus tun. Anregungen für politisches Handeln heute, Wien – Graz (Styria Verlag) 2021, S. 15-18. (ISBN: 978-3-222-13673-3)
TEXT: Markus Schlagnitweit

KVW Soziales

Vielfältig, gesund und verantwortungsbewusst

Biolandwirtschaft ist konkrete Antwort auf Frage nach Nachhaltigkeit
Lebensmittel in biologischer Kreislaufwirtschaft anzubauen bringt Vorteile für Mensch, Tier und Boden.
Der Begriff „Bio“ ist in der Land- und Lebensmittelwirtschaft sehr klar definiert. Es gibt seit 1991 ein europaweites Gesetz, das biologische Produkte und deren Herstellung eindeutig regelt. Zu den gesetzlichen Standards gibt es allerdings noch privatrechtliche Verbände, die in ihren Kriterien für den Anbau und die Herstellung der Produkte noch einige Schritte weitergehen und nach höheren Standards arbeiten.
Christine Helfer
ist zuständig für Presse und Kommunikation beim Verband Bioland Südtirol
Die Kreislaufwirtschaft ist zum Beispiel eines der wichtigsten Kriterien bei Bioland, dem biologisch-organischen Anbauverband in Deutschland und Südtirol, der mittlerweile 8.700 Betriebe aus der Biolandwirtschaft sowie 1.300 Partner aus Handel und Gastronomie vereint. Mit der Kreislaufwirtschaft ist ein möglichst geschlossener Nährstoffkreislauf gemeint: Die Nährstoffe, die für das Bodenleben, das Wachstum der Pflanzen und als Futter für die Tiere wichtig sind, sollen auf natürliche Weise im Kreislauf des Hofes gehalten werden. Bioland-Bauern und -Bäuerinnen vermeiden Abfälle und bringen die Nährstoffe, die in den Pflanzen stecken, in Form von Mist und Kompost wieder auf den Feldern aus. Dabei achtet man darauf, dass nur so viele Nährstoffe wie nötig auf diesen Feldern landen. Die Anzahl der Tiere auf einem Biohof richtet sich deshalb nach der Größe der
hofeigenen Felder und Weiden, damit die Tiere mit hofeigenem Futter ernährt werden können und der Boden nicht überdüngt wird. So kann man bei der biologischen Bewirtschaftung auf chemisch-synthetische Stickstoff-Dünger verzichten und bleibt weitgehend unabhängig von raren Rohstoffen. Wie wichtig diese Unabhängigkeit ist, zeigt sich gerade jetzt, wo durch den Ukraine-Krieg überall Rohstoffe knapp werden.
Fruchtbarkeit des Bodens
Ein weiteres Prinzip ist die Förderung der Bodenfruchtbarkeit: Nur ein gesunder Boden kann nachhaltig bebaut und für die Lebensmittelproduktion genutzt werden. Das heißt, dem Boden sind regelmäßig Nährstoffe zuzuführen, beispielsweise mit dem Anbau von Zwischenfrüchten. So wird der Humusgehalt erhöht und dank der großen Wurzelmasse mehr CO2 gebunden als im vergleichbar konventionell bewirtschafteten Boden. Davon profitiert natürlich auch unser Klima.
Richtige Haltung der Tiere
Tiere artgerecht zu halten, ist schon längst selbstverständlich für die biologisch wirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern. Die höhere Futterqualität ohne Wachstumsförderer oder ohne gentechnisch veränderte Bestandteile, mehr Platz im Stall und ein regelmäßiger Weidegang übers ganze Jahr hindurch sind nur einige Maßnahmen, die die Gesundheit der Tiere stärken. Auch dürfen Jungtiere länger bei ihren Müttern bleiben, und die Tiere haben insgesamt mehr Zeit sich zu entwickeln. Nachhaltigkeit zeigt sich auch im Umgang mit dem Tier.
Strenge Kontrollen für gesunde Nahrungsmittel
All diese Bestrebungen sind an und für sich wertvoll, zielen aber auch darauf ab, wertvolle Lebensmittel zu erzeugen. Denn Lebensmittel sollten das sein, was ihr Name sagt: Mittel zum Leben. Chemisch-synthetische Pestizide und gentechnisch veränderte Organismen gehören nicht in unsere Nahrung. Die Rohstoffe und Produkte werden von staatlich autorisierten Kontrollstellen überwacht.
Mannigfaltigkeit ist Trumpf
Die biologische Vielfalt und den Artenreichtum in der Natur zu fördern, ist ein großes Anliegen der Biolandwirtschaft. Denn je vielfältiger das Genpotential der Erde ist, desto weniger kann es durch Epidemien und Katastrophen gefährdet werden. Der Erhalt von möglichst vielen Pflanzen- und Tierarten ist nicht nur eine Frage der Ethik, sondern gerade in der Landwirtschaft ein überlebenswichtiges Ziel. Blühstreifen, Einsaaten in den Obstbauanlagen, Hecken, alte Sorten und Tierrassen erhalten, Nisthilfen für Vögel und Fledermäuse, Lebensräume für Insekten schaffen, das sind nur einige Beispiele der konkreten landwirtschaftlichen Praxis.
Im Endeffekt kann derart betriebene Biolandwirtschaft dazu beitragen, unsere Lebensgrundlagen zu bewahren, mit unseren Ressourcen schonend umzugehen und so auch für eine lebenswert Zukunft zu sorgen.
Text: Christine Helfer