KVW Aktuell

Erst das Sein, dann das Haben

Soziale Gerechtigkeit ist Grundlage für Frieden
Landeshauptmann Arno Kompatscher und Referent Markus Schlagnitweit wurden zur Online-Landesversammlung live zugeschaltet.
Thema der 37. KVW Landesversammlung am 30. April waren soziale Gerechtigkeit und die politische Dimension des Christseins. Markus Schlagnitweit setzte Impulse zum Salz als unverzichtbares Gewürz der Gesellschaft. Mehr dazu gibt es in seinem Beitrag auf den Seiten 6-7.
KVW Landesvorsitzender Werner Steiner stellte die Sozialbilanz 2021 vor. Die Nachfrage in den Patronaten nach Unterstützung und Hilfestellung ist seit der Gründung des KVW keinesfalls weniger geworden. Weitere wichtige Themen des KVW sind leistbares Wohnen sowie Weiterbildung, und diesbezüglich besonders die Förderung der digitalen Kompetenz, um allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Wir brauchen einander
Bischof Muser nahm in seinen Grußworten eines vorweg: Die Kirche stehe derzeit vor großen Herausforderungen – und dennoch: Christsein sei keine Privatsache! Christsein ist in seinem Wesen auf Gemeinschaft bezogen. „Solidarität bedeutet: Wir sind aufeinander angewiesen, wir brauchen einander. Das Wir ist eine Grundvoraussetzung, damit das Ich gedeihen kann“, so Muser. Das „Wir zuerst“ hingegen sei nicht zu vereinbaren mit der christlichen Soziallehre. Mit Blick auf den Tag der Arbeit ergänzte Bischof Muser, dass es neben der Erwerbsarbeit so viele Formen von Arbeit gebe, von denen in der Gesellschaft alle profitierten. Eine florierende Wirtschaft sei nicht automatisch gerecht. Der Frieden im Land sei nur zu gewährleisten durch soziale Gerechtigkeit, für konsequenten Einsatz für alle, nicht durch Gier und ein „immer mehr“. Das Sein des Menschen komme vor dem Haben.
Bischof Ivo Muser: „Das Wir ist eine Grundvoraussetzung, damit das Ich gedeihen kann.“
In diese Kerbe schlug auch Landeshauptmann Arno Kompatscher. Die Menschen stünden unter großem Druck in einer Welt, die von einer Krise zur nächsten schlittere. „Wir benötigen eine Gesellschaft mit mehr Freude und Zufriedenheit“, so Kompatscher. Der Mensch sei mehr als Karriere, Haben, Konsum. Soziale Gerechtigkeit sei eine Voraussetzung für Frieden. „Es tut Südtirol gut, einen Verband wie den KVW zu haben, der sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt und starkmacht“.
Auch Landesrätin Waltraud Deeg dankte dem KVW für seinen Einsatz für diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen: „Bleibt weiterhin die mahnende Stimme in diesem Land!“ In seinem Schlusswort erinnerte der geistliche Assistent Karl Brunner daran, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit sei.

KVW Aktuell

„Dona nobis pacem“…

Was wir zum Frieden beitragen können
Karl Brunner,
geistlicher Assistent im KVW
… erklingt es beeindruckend intensiv im Finale des „Agnus Dei“. Der in jeder Messe gebetete Text wird in diesen Tagen zu einem tiefer empfundenen Wunsch: Schenke uns den Frieden! Das scheinbar Selbstverständliche – der Frieden – ist plötzlich keine Sicherheit mehr. Die Nachrichten über den Krieg in der Ukraine, die dann folgenden Berichte vom Drama im Drama – dem naheliegenden Verdacht auf Vergewaltigungen, Hinrichtungen und andere Gräueltaten –, sie lassen uns ohnmächtig zurück.
Sind wir aber wirklich ohnmächtig? Wir sind weder in der russischen noch in der ukrainischen Regierung und können daher nicht unmittelbar entscheidend auf diesen Konflikt einwirken. Ohnmächtig sind wir aber dennoch nicht: Wir können die Menschen, die zu uns flüchten – übrigens nicht nur jene aus der Ukraine –, unterstützen und über vertrauenswürdige Organisationen für die Menschen in den Kriegsgebieten spenden. Vor allem aber können wir für uns wieder neu entdecken, wie wichtig es ist, dass wir alle Friedensstif­ter:innen sind. Was wir nämlich in unserem Alltag tun und vor allem, wie wir es tun, ist für den Frieden bedeutend.
Wie verteilen wir unseren Wohlstand und die Ressourcen in unserem Land? Haben auch jene eine Chance, die es aus eigener Kraft nicht schaffen? Wie wird der Interessensausgleich politisch gestaltet, und verhalten sich Politiker:innen in Konfliktsituationen so, dass sie die demokratischen Institutionen stärken und nicht beschädigen? Wie gehen wir in unseren Familien mit den unterschiedlichen Bedürfnissen um und wahren wir auch jene der Schwächeren?
Schon Papst Paul VI. hat geschrieben: „Willst Du den Frieden, so arbeite für Gerechtigkeit!“ In diesem Sinne: Herr, schenke uns den Frieden und mache uns zum Werkzeug des Friedens!
TEXT: Karl H. Brunner