Thema

Vorstellung des Visionspapiers des Forum Zukunft Kind

Stellungnahme des ASGB-Vorsitzenden Tony Tschenett
In der Familienpolitik gibt es ein Paradox: Auf der einen Seite gibt es kaum jemanden, der sich in der Politik nicht auf die Fahnen schreibt, sich für die Familie stark zu machen, sie zur Keimzelle unserer Gesellschaft erklärt und bei jeder Sonntagsrede betont, wie wichtig es sei, den Familien den Rücken zu stärken. Nur: In der Realität bleibt von diesen Ankündigungen leider nur selten etwas übrig. Zu oft fallen Familien bei der Gesetzgebungs-Arbeit und der Verteilung der Ressourcen durch den Rost, zu oft sind Familien die, die am wenigsten von neuen Regelungen profitieren oder gar unter die Räder kommen.
Dass es dieses Paradox gibt – die immer wieder betonte Bedeutung der Familien auf der einen und das real kaum merkliche Gewicht auf der anderen Seite – hat uns als ASGB zur Erkenntnis geführt, dass es den Familien in Südtirol vor allem an einem fehlt: einer Lobby. Aus dieser Erkenntnis ist im Herbst 2016 das Forum Zukunft Kind entstanden, das mehr als ein Dutzend der mitgliederstärksten Organisationen, Vereine und Verbände umfasst, die sich in Südtirol mit Erziehung, Bildung und Familie auseinandersetzen, und zwar Tag für Tag.
Rund eineinhalb Jahre lang haben Vertreter dieser Organisationen darüber nachgedacht und diskutiert, was es konkret zu tun gilt, um Familien in Südtirol spürbar besser zu stellen. Die Betonung liegt dabei auf „spürbar“, denn es hilft wenig, wenn man als Familie immer wieder verbal gebauchpinselt wird, man aber Schwierigkeiten hat, finanziell über die Runden zu kommen, eine leistbare Wohnung zu finden oder sein Kind in guten Händen zu wissen, wenn es Betreuung braucht. Und selbstverständlich wenn es grundsätzlich darum geht, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, und zwar so, dass weder das eine noch das andere übermäßig darunter leidet. Oder man als Eltern selbst vor lauter Stress und Hektik vor die Hunde geht.
Die Arbeit in der Expertenrunde – und nichts anderes sind die Mitglieder des Forums Zukunft Kind – hat zu dem Visionspapier geführt, von einem Assessment der größten Mängel und Bedürfnisse, um zu 24 konkreten Forderungen zu kommen.
Über diese 24 konkreten Maßnahmen hinaus haben wir eine zentrale Forderung auch im Papier allen anderen vorangestellt: jene nach Chancengleichheit für Eltern, die in der öffentlichen Verwaltung tätig sind, und Eltern, die einen Job in der Privatwirtschaft haben. Diese Chancengleichheit muss selbstverständlich einer Besserstellung gleichkommen oder anders: Für Eltern in der Privatwirtschaft muss alles unternommen werden, um deren Wartestandsregelungen, Rentenfortzahlungen und Arbeitsplatzgarantien jenen im öffentlichen Dienst anzugleichen, um bestmögliche Ausgangsbedingungen zu schaffen – für Eltern und Kinder gleichermaßen.
Die Palette der Forderungen reicht weiters von einer auch kommunikativen Stärkung der Familien über neue Modelle der Rentenfortzahlung und einem Lastenausgleich über bessere Bedingungen für die Kinderbetreuung in Südtirol und deren bessere Anpassung an die Bedürfnisse der Eltern bis hin zur Überwindung des Stadt-Land-Gefälles bei Angeboten zur Betreuung von Kleinkindern. „Das Visionspapier“, so das Forum Zukunft Kind, „sehen wir als einen ersten Schritt, wir werden nun überwachen, was davon von wem umgesetzt wird, und uns auch künftig zu Wort melden, wenn es um das Wohl der Familien in Südtirol geht“.

ASGB-LANDESBEDIENSTETE


Landesversammlung: „Land muss wettbewerbsfähig bleiben“

ASGB-Landesbedienstete befassen sich mit Folgen des demografischen Wandels
Universitätsprofessor Kurt Matzler zeigte die radikale Veränderung durch digitale Technologien auf
Vollversammlung verabschiedet drei Resolutionen zu altersgerechter Arbeit, besserem Personalmanagement und Attraktivität für junge Talente.
Wer glaubt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung liege nur die aktuelle Situation am Herzen, täuscht sich. In ihrer diesjährigen Vollversammlung haben die ASGB-Landesbediensteten einen Blick in die Zukunft der Arbeit „beim Land“ geworfen und Forderungen diskutiert, damit der öffentliche Dienst auch weiterhin funktionieren kann.
Wir werden älter, wir werden weniger: So lapidar das Motto der heurigen Vollversammlung der ASGB-Landesbediensteten am 28. Mai 2018, der mit rund 1530 Mitgliedern stärksten Gewerkschaft unter den Bediensteten des Landes, so weitreichend die Folgen des demografischen Wandels und der Digitalisierung. Für letztere zeigte Kurt Matzler, Professor für Betriebswissenschaft, die radikale8 Veränderung durch digitale Technologien auf, die viele Jobs verschwinden lasse, aber auch viele neue schaffe. „Wir müssen uns“, so Matzler, „vom Gedanken verabschieden, dass wir mit dem ersten Job auch in Pension gehen, wir müssen stattdessen lernen und uns weiterentwickeln“. Zugleich müsse darauf geachtet werden, dass die Schere zwischen Produktivitäts- und Lohnsteigerungen nicht noch weiter auseinanderklaffe: „Derzeit lässt die Digitalisierung die Ungleichheit wachsen und das birgt Risiken“, so Matzler.
Den demografischen Wandel zerpflückte der Direktor des Arbeitsförderungsinstitutes (AFI), Stefan Perini, für den öffentlichen Dienst. Schon heute liege das Durchschnittsalter dort mit 48 Jahren rund fünf Jahre über jenem in der Privatwirtschaft. Dieser Trend werde durch den Aufnahmestopp noch gesteigert. „Der Stopp verhindert den Zufluss von jungem Personal, deshalb kann er keine Zukunftspolitik sein“, so Perini. Er wies aber auch darauf hin, dass das höhere Alter nicht nur Nachteile habe. So stiegen Urteilsfähigkeit, Erfahrungswissen und Verantwortungsbewusstsein mit den Lebensjahren. „Die Jungen sind die Sprinter“, so der AFI-Direktor, „aber die Alten kennen die Abkürzungen.“ Bei neuen Rekrutierungen müsse man daher zielgenau auswählen, während das Stammpersonal entwickelt und Abgänge geplant werden müssten.
Perini führte aus, dass der De-facto-Lohnstopp in der Landesverwaltung die Rekrutierung erschwere, ein Punkt, der auch vom Landesvorsitzenden des ASGB, Tony Tschenett, aufgegriffen wurde. Er richtete einen eindringlichen Appell an die Politik, endlich die neuen, längst fälligen Kollektivverträge für das Landespersonal abzuschließen und bei diesen Abschlüssen auch die gesunkene Kaufkraft zu berücksichtigen.
Ein solches finanzielles Aufschließen gilt als notwendige Voraussetzung dafür, dass das Land auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig bleibe – oder erst wieder werde, wie Hanspeter Staffler, Generaldirektor des Landes, betonte. Das Land sehe sich einer enormen Pensionierungswelle entgegen. So gingen rund 50 Prozent aller Bediensteten bis 2030 in Pension, sie zu ersetzen sei schwierig: „Die Jugend biegt heute ab, bevor sie in die Landesverwaltung kommt“, so Staffler. Damit die Verwaltung wieder mit den Privaten mithalten könne, müsse das Land auf Arbeitgebermarketing, strategische Personalpolitik und ein altersphasengerechtes Führen setzen.
Mit diesen Themen beschäftigen sich auch drei Resolutionen, die die Vollversammlung der ASGB-Landesbediensteten verabschiedet hat. Die erste ist der Forderung gewidmet, Arbeit alters- und alternsgerecht zu organisieren, etwa durch eine flexiblere Anpassung der Arbeitsbedingungen an die jeweilige Lebensphase der Mitarbeiter oder die Einführung eines Langzeitarbeitskontos, auf das in jungen Jahren Mehr-Arbeitsstunden „eingezahlt“ werden können, von denen man später (oder bei Bedarf) profitieren kann.
Resolution Nummer zwei hat das Personalmanagement im Blick, mit dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als größtes Kapital der Landesverwaltung gezielt aufgewertet werden soll. Konkret geht es um eine Stärkung durch die Politik, um gezielte Weiterbildung und eine stetige Anpassung der Kollektivverträge. Die dritte Resolution listet schließlich Forderungen auf, damit das Land im Wettlauf um junge Talente nicht abgehängt wird. Die Palette reicht von einer Anpassung der Entlohnung über ein stärker meritorisches Karrieresystem bis hin zum Aufbrechen eines allzu starren Systems zugunsten einer flexibleren Anpassung an neue Wünsche von Bürgern und Mitarbeitern.