Kommentar

Liebe Mitglieder des ASGB,


heuer fällt das Sommerloch aus, denn der Wahlkampf hat begonnen. Die Vertreter der diversen Parteien buhlen um die Gunst des Wahlvolkes und versuchen von ihrem Wahlprogramm zu überzeugen. Dabei werden auch gar manche Märchen erzählt, die zweifelhaft bis unumsetzbar sind. In Wahlkampfzeiten eröffnen sich aber oft auch Möglichkeiten über Realistisches zu verhandeln. Und von diesen Möglichkeiten wollen wir Gebrauch machen.
Es hat erst kürzlich ein Treffen mit dem Landeshauptmann und den Sozialpartnern gegeben, in dessen Rahmen Arno Kompatscher die Haushaltssituation aus dem Blickwinkel der Arbeitnehmer dargelegt hat. Kurz und bündig zusammengefasst wurde der Wirtschaft ein sogar höheres Wachstum als in Österreich attestiert, mit einer Beschäftigungsquote von 78 Prozent und einer Arbeitslosenquote von nur drei Prozent. Soviel zum Positiven.
Es wurde aber auch festgestellt, dass die Inflation satte 2,2 Prozent betragen hat. Tatsächlich gibt es im Vergleichszeitraum 2009-2015 einen Realzuwachs der Löhne bei Industriearbeitern von 1,4 Prozent, bei Privatangestellten einen Rückgang der Löhne von fünf Prozent und bei den öffentlich Bediensteten einen Rückgang von zehn Prozent. Diese offiziellen Zahlen bestätigen die Erfahrungen des ASGB, der vor dieser Tatsache bereits seit geraumer Zeit gewarnt hat. Deshalb werden wir auch nicht müde zu betonen, dass der Wirtschaftsaufschwung auch für die Arbeitnehmer spürbar sein muss, weil ohne gerechte Umverteilung des gemeinsam erwirtschafteten Aufschwungs die Schere immer weiter auseinanderklafft.
Anlässlich des Treffens mit dem Landeshauptmann Arno Kompatscher wurde uns mitgeteilt, dass es noch keine konkreten Pläne zur Entlastung der Arbeitnehmer gibt, sehr wohl aber die zuständigen Ämter mit der Ausarbeitung derselben betraut sind. Möglichkeiten gibt es, laut Landeshauptmann, bei der IRAP, wobei diese Steuerbegünstigung nur jenen Betrieben zu Gute kommen soll, die sie anteilsmäßig, in Form von finanziellen Zuwendungen, an ihre Bediensteten weitergeben, genauso wie bei einer Neuregelung der regionalen IRPEF und einer Senkung der KFZ-Steuer.
Bezüglich der IRAP-Reduzierung für Betriebe fordert der ASGB eine verbindliche Weitergabe an die Bediensteten mittels eines territorialen Abkommens für alle Sektoren. Wir sind für weitere Treffen offen und hoffen, dass den Worten nun auch Taten folgen.Liebe Leser, ich wünsche euch einen schönen Sommer und einen erholsamen Urlaub!
euer
Tony Tschenett,
Vorsitzender des ASGB

Aktuell

Die neue Patientenverfügung

Interview mit Dr. Herbert Heidegger,
Präsident des Landesethikkomitees zur Patientenverfügung
Dank den Fortschritten der modernen Medizin können heute viele Krankheiten geheilt oder zumindest in ihrem Verlauf positiv beeinflusst werden. Wenn Maßnahmen aber nur das Leiden und den Sterbeprozess verlängern, stellt sich die Frage, ob die sonst so segensreichen Errungenschaften der modernen Medizin wirklich im Interesse der Patienten sind. Das macht vielen Menschen Angst. Besonders groß ist die Angst vor Situationen, in denen eigene Entscheidungen nicht mehr getroffen werden können, in denen Fremdbestimmung droht. Wir möchten mitentscheiden dürfen bei medizinischen Maßnahmen und wir möchten Vorsorge treffen können für den Fall, dass wir nicht mehr entscheidungsfähig sind.
Dafür gibt es die Patientenverfügung.
Aktiv: Dr. Heidegger, was ist eine Patientenverfügung?
Dr. Heidegger: Mit einer Patientenverfügung können Personen vorab festlegen, wie sie im Fall einer schweren oder todbringenden Erkrankung behandelt werden möchten, wenn sie diese Entscheidung krankheitsbedingt nicht mehr selbst treffen oder mitteilen können. Durch das bewusste, überlegte Aufsetzen einer Patientenverfügung erhalten die Angehörigen und das verantwortliche Gesundheitspersonal nützliche Hinweise über den Willen eines Patienten. Die Patientenverfügung ist deshalb so wichtig, weil sie es nicht nur ermöglicht, künftige medizinische Behandlungen dem Willen der Kranken anzupassen, sondern sie verringert auch das Risiko unnötiger Behandlungen. Zudem vermindert sie den Entscheidungsdruck, der auf den Angehörigen und dem Gesundheitspersonal lastet und beugt Konflikten zwischen den Beteiligten vor.
Aktiv: Wer hilft mir beim Verfassen meiner Patientenverfügung?
Dr. Heidegger: Wichtig für viele Menschen ist beim Abfassen einer Patientenverfügung qualifizierte medizinische Beratung zu erhalten. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den Ärzten der Allgemeinmedizin zu. Sie kennen die Betroffenen in der Regel am besten und können sie so gezielter über mögliche Krankheiten aufklären; sie können die Behandlungsziele erklären und dabei behilflich sein, eine bestimmte Wahl zu treffen. Natürlich lässt sich nicht jeder mögliche Verlauf vorhersehen und für jeden einzelnen Fall entscheiden, welche medizinische Maßnahme jeweils in Betracht zu ziehen oder auszuschließen ist. In der Patientenverfügung können daher auch persönliche Wertvorstellungen oder die Auffassung von Menschenwürde und Lebensqualität festgehalten werden.
Aktiv: Kann ich eine Vertrauensperson bestimmen?
Dr. Heidegger: Über die Patientenverfügungen können Kranke eine Vertrauensperson benennen (Angehörige, Freunde, Arzt, Seelsorger usw.), die ihre Wertvorstellungen und Anschauungen kennen und sich dafür einsetzen können, ihren Willen zu respektieren und so zu entscheiden, wie sie selbst entscheiden würden.
Aktiv: Was geschieht in Bezug auf künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr?
Dr. Heidegger: Wissenschaftliche Gesellschaften, die sich mit künstlicher Ernährung beschäftigen, haben festgelegt, dass solche Verfahren in die ärztliche Zuständigkeit fallen, da medizinische und Pflegequalifikationen unerlässlich für ihre Durchführung sind.
Aktiv: Bin ich verpflichtet, eine Patientenverfügung zu verfassen?
Dr. Heidegger: Selbstverständlich besteht keinerlei Verpflichtung, eine Patientenverfügung zu verfassen. Es steht allen frei, eine solche Verfügung zu verfassen oder nicht zu verfassen, das heißt frühzeitig eigene Entscheidungen dazu zu treffen, was geschehen soll, wenn das eigene Ende naht. Liegt keine Patientenverfügung vor, und ist es auch nicht möglich, den mutmaßlichen Willen festzustellen, so wird sich die Entscheidung immer nach dem objektiven Wohl der Person richten, unter Gewährleistung aller sinnvollen lebenserhaltenden Maßnahmen.
Aktiv: Sind vorgedruckte Formblätter nützlich?
Dr. Heidegger: Eine Patientenverfügung kann frei formuliert werden oder mithilfe eines Formulars. Vorgefertigte Formulare haben den Vorteil, dass die betroffene Person unter medizinisch relevanten und aussagekräftigen Behandlungswünschen wählen kann. Dies sichert nicht nur die Qualität der Entscheidungen, sondern auch ihre Umsetzung bei künftigen Behandlungen.
Aktiv: Wer kann eine Patientenverfügung verfassen?
Dr. Heidegger: Eine Altersgrenze für Patientenverfügungen gibt es nicht. Wer eine Patientenverfügung verfasst, muss jedoch in vollem Umfang zurechnungsfähig sein, d.h. in der Lage, Art, Bedeutung, Tragweite und Risiken der medizinischen Maßnahmen zu erfassen und dementsprechend den Willen zu äußern. Urteilsfähige, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollten die präventiven Behandlungsentscheidungen in enger Abstimmung mit ihren Eltern und den zuständigen Kinderärzten treffen.
Aktiv: Jetzt gibt es in Italien das Gesetz 219 aus dem Jahr 2017. Sind alle Probleme damit gelöst?
Dr. Heidegger: Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass sich Patientenwünsche am Lebensende nicht allein durch das Ausfüllen eines Formulars berücksichtigen lassen. Allen bisherigen Bemühungen zum Trotz haben Patientenverfügungen heutzutage noch keine große Verbreitung. Zudem sind sie oft ungenau, wenig aussagekräftig formuliert und im akuten Krankheitsfall häufig nicht auffindbar, so dass sie dann bei medizinischen Entscheidungen nicht oder nicht gebührend berücksichtigt werden. Um die Patientenverfügung effektiver zu gestalten, wurde zunächst in den USA und zunehmend auch in anderen Ländern ein neues Konzept entwickelt, das so genannte Advance Care Planning (ACP)/die Gesundheitliche Vorsorgeplanung. Sie ruht auf zwei Grundpfeilern: Zum einen erhalten die Menschen im Rahmen eines professionell begleiteten Gesprächsprozesses die Gelegenheit, ihre Einstellung zu medizinischen Behandlungen bei Verlust ihrer Zurechnungsfähigkeit reifen zu lassen, und ihren Willen dann im Rahmen einer aussagekräftigen Patientenverfügung zu bekunden. Zum anderen werden die regionalen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und Pflege eingebunden und die im Gesundheitsbereich Tätigen so geschult und informiert, dass die Patientenverfügungen bei Behandlungsentscheidungen immer verfügbar sind und angemessen respektiert werden.
Dr. Heidegger wir danken für das Gespräch.