Todesfall

Todesfall

was nun? | 2016

Ethisches Verhalten in der spirituellen Begleitung
beim Sterben eines alten Menschen
Im normalen Begleiten erreicht man gemeinsam ein angepeiltes Ziel. Beim Sterben verändert sich unser Verhalten als Begleiter, weil das Ziel nur der Sterbende erreicht. Der Begleiter begleitet den Sterbenden nur bis zum „Tor des Lebens“ und dabei erlischt sein Auftrag als Begleiter. 20) Da die Gesellschaft nicht mehr einer Religion anhängt, sondern in ihr verschiedene Religionen neben anderen kulturell verschiedenen Gruppierungen präsent sind, muss die Person, die spirituelle Begleitung anbietet, auf die speziellen Bedürfnisse des einzelnen Sterbenden eingehen können. 21)
In der spirituellen Begleitung bei Sterbenden muss in besonderer Weise die Autonomie und die Würde des alten Menschen bewahrt werden. Daraus ergeben sich für den spirituellen Begleiter wichtige Beziehungspunkte, die beachtet werden müssen.
Wer stirbt hat das Recht:
1. als Mensch betrachtet zu werden;
2. über seinen Zustand informiert zu werden, wenn er es wünscht;
3. nicht getäuscht zu werden, sondern wahrheitsgemäße Antworten zu erhalten;
4. in Entscheidungen über ihn einbezogen zu werden und auf die Achtung seines Willens;
5. auf die Linderung von Schmerzen und Leiden;
6. auf kontinuierliche Betreuung und Behandlung im gewünschten Rahmen;
7. sich keinen Interventionen zu unterziehen, die das Sterben verlängern;
8. seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen;
9. psychologische Hilfe und geistlichen Trost,
nach seinen Überzeugungen und seinem Glauben;
10. auf die Nähe seiner Lieben;
11. nicht in Isolation und Einsamkeit zu sterben;
12. in Frieden und mit Würde zu sterben. 22)
Der Sterbende entscheidet, ob er eine spirituelle Begleitung wünscht
Wir sprechen gerne den Sterbenden, besonders Kindern und alten Menschen die Autonomie der Entscheidung ab. Wir glauben es besser zu wissen als der Betroffene selbst, sei es in medizinischer, pflegerischer, psychologischer und spiritueller Hinsicht. Wir begegnen dabei Abwehr, Aggressionen oder einem apathischen Hinnehmen. Ein spiritueller Begleiter muss hier auf der Seite des Sterbenden stehen und seine Überzeugung respektieren und wenn notwendig seine Autonomie verteidigen. Schwierigkeiten können mit den Angehörigen auftreten, weil sie mit dem Sterbenden nicht einer Meinung sind und dadurch entweder eine Begleitung vehement fordern oder verhindern wollen.
Die Wünsche des Sterbenden respektieren
Indem ich ihm sage, welche Handlungen, Gebete, Rituale oder Gesänge ich bei der Begleitung benützen möchte, hat er die Möglichkeit auszuwählen oder seine eigenen Wünsche zu formulieren.
Die Würde des Sterbenden achten und ehren
Solange der alte Mensch bei Bewusstsein und eine Form der Kommunikation möglich ist, fällt es leicht seine Würde zu achten. In dem Augenblick, wo er nicht mehr Herr seiner physischen und psychischen Kräfte ist oder ins Koma fällt, wird es für die Beteiligten schwieriger. Eine Aufgabe des spirituellen Begleiters ist es Anwalt des Sterbenden zu werden, damit seine menschliche Würde bis zu seinem Tod bewahrt wird.
Ermöglichen, dass Familie und Freunde am Sterbebett präsent sind
Ein Sterbender braucht ihm vertraute Menschen in seiner Nähe. Eine spirituelle Begleitung sollte dies ermöglichen. Nur wenn diese abwesend sind oder eine Ruhepause brauchen, sollte der Begleiter im Vordergrund stehen. Er sollte Stütze für den Sterbenden und für die Mitbetroffenen sein. Wie uns Erfahrungen Sterbender lehren, schickt das Jenseits dem Sterbenden bekannte, verstorbene Menschen, die ihm beim Übergang helfen sollen.
Möglichkeiten und Wege anbieten,
so dass er seine letzte Lebensphase kreativ gestalten kann.
Da der alte Mensch und die Angehörigen oft vor dem Sterben hilflos sind, weil sie keine Erfahrungen im Leben sammeln konnten oder in einer unkontrollierten Phase stehen (Schockzustand), kann der spirituelle Begleiter aus der Schatztruhe seiner Erfahrungen „Altes und Neues“ hervorholen, um das Sterben kreativ, lebendig und würdig zu gestalten.

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20) vgl.Gian Maria Comolli e I. Monticelli: Manuale di Pastorale Sanitaria, S. 187.
21) vgl.Gian Maria Comolli e I. Monticelli: Manuale di Pastorale Sanitaria, S. 188.
22) Formulazione del Comitato Etico della FF–SICP–SIMPA 1995
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