Pflanzenlust
Kochen mit Bäumen, Sträuchern und wilden Wiesenpflanzen
Glockenblumen – so blau, so fein
Rapunzel, Rapunzel – nein, lass nicht dein Haar hinunter, sondern zeige deine Wurzeln! Denn unter der Erde, jetzt im Herbst verstecken die hübschen Blumen ihre wahren Schätze. Die werdende Mutter aus Grimms Märchen wird nach diesem uralten Wurzelgemüse begehrt haben, denn es belastet den Blutzuckerspiegel nicht und ist damit wahre Schonkost, nicht nur für Schwangere.
Blaue Glocken, weiße Wurzeln
Besondere Wertschätzung genießt die Rapunzel-Glockenblume (Campanula rapunculus), allein ihr Name ist schon Programm: Wurzeln mit einem milden nussigen Geschmack, verwendbar roh geraspelt für Salate und gedünstet oder gebraten für Gemüse. Diese Art wurde wegen ihrer schmackhaften Rübenwurzeln tatsächlich in früheren Zeiten im Garten und auf dem Feld kultiviert, in der Schweiz, in England und Frankreich bis ins letzte Jahrhundert. In Italien kennt man sie bis heute als Spezialität unter den Namen Raperonzolo oder Raponzolo.
Geschmackvolle Blattrosetten
Rapunzel leitet sich von „rapunculus = kleine Wurzel“ her. Die Verbindung von den sog. Echten, also Glockenblumen-Rapunzeln zum Feld-, Vogel- oder Nüsslisalat kommt wohl daher, dass man die jungen Blattrosetten einst ebenso im Spätwinter und zeitigen Frühjahr gestochen und in die Küche gebracht hat. Im Geschmack sind die Glockenblumenblätter dem Feldsalat gar nicht so unähnlich.
Blaues für die Garnitur
Von Rapunzel-Glockenblumen bekommt man bei ausgewählten Händlern Saatgut. Ab und an trifft man sie auch in freier Natur an. Besonders praktisch ist, dass alle Glockenblumen verwendbar sind, man ist also nicht auf besondere Artenkenntnis angewiesen – nur mit ähnlichen Blumen wie Blauglöckchen oder gar Fingerhut darf man sie keinesfalls verwechseln. Selbst die Glockenblümchen, die getopft für Balkonkästen, Beete oder als Zimmerpflanzen angeboten werden, können genutzt werden – vorausgesetzt, sie wurden in Bio-Qualität gezogen (also nicht gespritzt oder behandelt).Rund ums Jahr glockig-fein
Vom Herbst bis ins Frühjahr, solange die Pflanzen ihre Ruhezeit haben, holt man die Wurzeln aus der Erde, vorausgesetzt, man weiß wo und der Boden ist nicht gefroren. Sobald die Blätter austreiben, lässt sich feine Salatbeigabe ernten, später auch Stängel, die wie Spargel gedünstet werden. Die Blüten der Glockenblumen aber sind dann ein wahrer Sommerhit! Mit ihrer wundervollen Farbe setzen sie magisch leuchtende Glanzpunkte auf den Teller, dienen als ausgefallenes Dekor. Wer die Mühe nicht scheut, füllt die Glocken mit Sahne, Creme oder Mousse und reicht sie als Fingerfood.