Szene
Fleisch ohne Tier?

Wenn der Burger aus der Petrischale kommt

In-vitro-Fleisch zwischen technologischem Durchbruch, Marktboom und Akzeptanzhürden
Forschung im Labor an der Zukunft nachhaltiger Fleischproduktion – FOTO: KI generiertes Bild
Die Fleischproduktion steht vor einer fundamentalen Transformation. In-vitro-Fleisch, auch als kultiviertes oder Laborfleisch bekannt, entwickelt sich vom Nischenexperiment zu einem ernstzunehmenden Marktsegment. Laut einer aktuellen Studie von Roots Analysis könnte der globale Markt für kultiviertes Fleisch bis 2035 auf über 23 Milliarden US-Dollar anwachsen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von über 50 Prozent.
Technologische Fortschritte für die Gastronomie
Seit dem ersten Burger aus kultivierten Muskelzellen 2013 hat sich die Zellkulturtechnologie deutlich weiterentwickelt. Forschende konnten inzwischen Hähnchenstücke in Nugget-Größe züchten und arbeiten an essbaren Gerüsten für komplexere Strukturen, die an Steaks oder Schnitzel erinnern. Auch auf pflanzliche Nährmedien und den Verzicht auf tierische Zusatzstoffe wird zunehmend geachtet, sodass Laborfleisch künftig auch für vegetarisch-ethische Konzepte interessant sein könnte.
Marktpotenzial und regulatorische Lage
Während die FDA (US-amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittelüberwachung) in den USA den Verkauf von kultiviertem Fleisch bereits genehmigt hat, bestehen in einigen Bundesstaaten noch Verbote. Auch die EU prüft Zulassungsanträge von Start-ups wie Mosa Meat oder Aleph Farms. Für Köche und Gastronomen bedeutet dies: Das Angebot wird regional unterschiedlich verfügbar sein, die Integration in Menüplanung und Einkaufsketten ist derzeit noch experimentell.
Akzeptanz in der Küche
Die Akzeptanz von Laborfleisch hängt weniger von Technik als von Kultur und Vertrauen ab. In der Schweiz beispielsweise zeigt eine Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts, dass nur rund 20 Prozent der Bevölkerung bereit sind, In-vitro-Fleisch zu probieren. Für Profiköche bedeutet das: Verkostungen, transparente Kommunikation über Herkunft und Herstellung sowie kreative Präsentation sind entscheidend, um Gäste zu überzeugen.
In-vitro-Fleisch gilt nicht nur als kurzfristiger Trend, sondern als mögliche technologische und kulinarische Chance. Es eröffnet Perspektiven, den Fleischkonsum nachhaltiger zu gestalten und neue Geschmackserlebnisse zu schaffen. Dennoch bleibt offen, ob sich die auffwändige Herstellung tatsächlich ökologisch und wirtschaftlich bewährt - und ob Gäste die künstlich erzeugte Alternative langfristig akzeptieren. Gerade in einer Region wie Südtirol, die stark von handwerklicher Tradition, regionaler Herkunft und authentischen Produkten geprägt ist, könnte es sinnvoll sein, Innovation und Bewährtes sorgfältig abzuwägen. Vielleicht liegt die Zukunft hier weniger in Laborfleisch, sondern vielmehr in der Weiterentwicklung traditioneller, nachhaltiger Produktionsweisen.
red / pj

Einfach erklärt

Produkthaftung in der Gastronomie

Das müssen Köch:innen wissen
Die Frage ?
„Als Küchenchefin frage ich mich: Wenn ein Gericht wegen falscher Lagerung verdorben ist und ein Gast krank wird – kann ich persönlich strafrechtlich belangt werden?“
1. Grundprinzip: Wer haftet bei Schaden durch Speisen?
In Italien (und daher in Südtirol) gilt:
„Derjenige, der ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr bringt, haftet.“
Das kann sein:
der Hersteller (z. B. Produzent von Rohstoffen)
der Lieferant/Händler
der Gastronomiebetrieb selbst (Restaurant, Hotel, Catering), wenn die Speise durch Verarbeitung oder Lagerung verdorben oder unsicher wurde.
Grundlage ist der „Codice del Consumo“ (das Verbraucherschutzgesetz), der auf EU-Recht basiert.
2. Was heißt „fehlerhaft“ oder „unsicher“?
Ein Lebensmittel gilt als „fehlerhaft“ oder „unsicher“, wenn es für die Verbraucher:innen für den Verzehr als nicht mehr sicher gilt. Beispiele:
Verderb durch falsche Kühlung oder Lagerung
Verunreinigungen (Glassplitter, Metall, Plastik)
Allergene nicht korrekt angegeben
Kreuzkontaminationen (z. B. Salmonellen, Listerien)
Abgelaufene Produkte oder falsche Kennzeichnung
Wichtig: Verschulden muss bei Produkthaftung nicht nachgewiesen werden! Schon der Schaden durch ein fehlerhaftes Produkt reicht.
3. Welche Pflichten haben Köch:innen und Betriebe?
4. Haftung im Detail
Strikte Produkthaftung: Gäste müssen nur beweisen, dass sie durch dein Produkt Schaden erlitten haben – nicht, dass du schuld bist.
Deliktische Haftung (Art. 2043 ZGB): Wenn dir Fahrlässigkeit (z. B. mangelnde Hygiene) nachgewiesen wird, haftest du zusätzlich.
Vertragliche Haftung: Ein Gast hat immer einen mündlichen Vertrag mit dem Restaurant; mangelhafte Leistung = Schadenersatzpflicht.
Bußgelder & Strafrecht: Verstöße können Freiheitsstrafen (bis zu einem Jahr) und Bußgelder bis 50.000 Euro nach sich ziehen.
5. Versicherung
Eine Betriebshaftpflichtversicherung ist für Gastronom:innen Pflicht, um Schäden gegenüber Gästen abzusichern.
Produkthaftpflichtversicherung deckt Schäden ab, die durch Speisen oder Getränke verursacht werden.
Rechtsschutzversicherung kann bei Streitfällen und Klagen helfen.• Wende dich an ein Versicherungsbüro deines Vertrauens, um deine persönliche Situation zu analysieren und gegebenfalls dich und den Betrieb angemessen zu versichern.
6. Praxisbeispiele
Allergischer Schock wegen falscher Kennzeichnung: Gast bestellt ohne Nüsse, bekommt versehentlich Nüsse – der Betrieb haftet voll.
Lebensmittelvergiftung durch Lagerungsfehler: Nachweisbar falsche Kühlung = Haftung des Betriebs + mögliche Strafanzeige.
Glassplitter im Dessert aus Fertigglasur:
Der Hersteller ist vorrangig haftbar, um die Verantwortung an den Hersteller/Lieferanten abschieben zu können, muss der Betrieb aber nachweisen können, dass das Produkt fehlerhaft war.
Wichtige Tipps für Köch:innen
HACCP und Hygienestandards sind nicht nur Pflicht, sondern Schutzschild.
Dokumentation und Rückverfolgbarkeit sind Gold wert, wenn es hart auf hart kommt.
Allergene und Sonderwünsche immer ernst nehmen und klar kommunizieren.
Lieferketten prüfen und alles schriftlich festhalten.
Versicherung prüfen: Produkthaftpflicht ist Pflicht.
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Betreff: „Rechtsfragen einfach erklärt“