Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser!


Ingeburg GurndinIngeburg Gurndin

Am Sonntag, 8. März, begehen die Pfarreien der Diözese zusammen mit dem Patronat KVW-ACLI den Tag der Solidarität. In dieser Ausgabe geht der italienische Generalvikar Michele Tomasi auf das heurige Thema des Tages der Solidarität „Die Erde ist für alle da“ ein. Im Jahre 395 nach Christi Geburt hat der heilige Ambrosius, Bischof in Mailand, diesen Ausdruck getätigt. Es mag überraschen, dass er noch immer aktuell ist, uns noch immer zum Nachdenken anregt und wir ihn noch immer als treffend empfinden.

Die Solidarität und die Arbeit des Patronats KVW-ACLI werden an diesem Tag im Mittelpunkt stehen. Das Patronat versucht, die Nöte der Bürgerinnen und Bürger zu erkennen, ihre Anliegen zu hören und dafür Lösungen zu suchen. Die Solidarität, die die Patronate KVW-ACLI leben, ist also strukturell organisiert, sie ist für alle Menschen da, die Arbeit dort erfolgt effizient und professionell.
Im Patronat KVW-ACLI wurden im Jahr 2014 über 70.000 Aktenvorgänge gezählt. In Italien wenden sich jährlich über sechs Millionen Menschen an eines der 2.749 Patronate. Im vergangenen Herbst haben sich die Patronate in Italien gegen einschneidende Kürzungen gewehrt. Kürzungen bei den Patronaten bedeuten Beschneidungen der Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Das Patronat ist für alle Bürgerinnen und Bürgern sowie alle in- und ausländischen Werktätigen da. Der oberste Grundsatz des Patronats ist die Vertretung der Interessen jedes einzelnen.
Die Patronate sind ein positives Beispiel für organisierte und gut funktionierende Solidarität.

Ingeburg Gurndin

KVW Soziales

Steuern müssen runter!

Wir leben in einer Zeit der Widersprüche: Gebetsmühlenartig wird die Forderung nach Steuersenkungen erhoben, aber gleichzeitig gibt es einen Aufschrei, wenn die Leistungen eingeschränkt werden.

Steuern sind notwendig, um das Gemeinwesen zu finanzieren. Umstritten ist, welche Aufgaben die öffentliche Hand hat und wie hoch die Steuern sein dürfen. Foto: Tim Reckmann/Pixelio.deSteuern sind notwendig, um das Gemeinwesen zu finanzieren. Umstritten ist, welche Aufgaben die öffentliche Hand hat und wie hoch die Steuern sein dürfen. Foto: Tim Reckmann/Pixelio.de

Die öffentliche Hand soll überall helfend oder fördernd eingreifen und zum Beispiel eine gute medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten, die Ausbildung verbessern, neue Bahnlinien bauen, in Forschung und Entwicklung investieren, die Sicherheit garantieren oder Kinderkrippen und Seniorenheime finanzieren. Beide Dinge gleichzeitig sind nicht zu haben. Weniger Steuern gibt es nur gegen weniger Staat und mehr Selbstverantwortung. Wollen wir das – und brauchen wir das?
Steuern sind notwendig

Klar ist: Steuern sind notwendig, um das Gemeinwesen zu finanzieren. Ein funktionierender Staat ist unabdingbar für die Gesellschaft, die kulturelle Entfaltung und die wirtschaftliche Entwicklung. Umstritten ist aber, welche Aufgaben die öffentliche Hand hat und wie hoch die Steuern sein dürfen. Denn zu hohe Steuern hemmen die Eigeninitiative und die Leistungsbereitschaft. Psychologen haben festgestellt, dass im Normalfall die Schmerzgrenze für Steuern bei einem Drittel des Einkommens liegt. Nimmt der Staat mehr, steigt der Widerstand und die Menschen versuchen verstärkt, sich ihrer gesetzlichen Zahlungspflicht zu entziehen.
Aber natürlich hängt die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, sehr stark davon ab, welche öffentlichen Leistungen in welcher Qualität die Steuerzahler für ihr Geld erhalten. In den skandinavischen Ländern zum Beispiel ist die Steuerbelastung recht hoch, aber die öffentlichen Einrichtungen funktionieren. In Italien (und in vielen anderen Ländern) ist das anders. Hier haben die Menschen den Eindruck, dass ihnen der Staat viel Geld abknüpft, aber wenig Leistung bietet, und viel von dem Geld vergeudet wird. Dies hat dazu geführt, dass Steuerhinterziehung als Akt des Selbstschutzes toleriert wird.
Steuern versus Qualität der öffentlichen Leistungen

Das Grundproblem besteht heute darin, dass der Staat in den vergangenen 40 Jahren über seine Verhältnisse gelebt und seine Segnungen teilweise durch Kredite finanziert hat. Als diese Praxis nicht mehr weitergeführt werden konnte, wurden die Steuern ständig erhöht. Inzwischen stöhnt Italien unter einer der höchsten Abgabenquoten in der EU, aber die öffentlichen Leistungen liegen qualitativ deutlich hinter jenen der Klassenbesten. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass der Verwaltungsapparat aufgebläht und leistungsschwach ist, anderseits aber auch darauf, dass der Schuldendienst zu schwer wiegt: An die 85 Milliarden Euro, das sind die Hälfte der Einnahmen aus der Einkommensteuer IRPEF, werden benötigt, um die Zinsen auf die Schulden des Staates in Höhe von über 2.100 Milliarden zu bezahlen. Und ein inzwischen beachtlicher Teil der Zinsen fließt an Anleger aus dem Ausland.
Steuerdruck lässt Wirtschaft schrumpfen

Die hohe Abgabenbelastung hat dazu geführt, dass die Menschen weniger Geld für Konsumausgaben und Investitionen zu Verfügung haben, und das lässt die Wirtschaft schrumpfen und vernichtet Arbeitsplätze. Die Steuern müssten eigentlich gesenkt werden, aber dies kann sich der Staat nicht leisten. Schon die längst überfällig gewesene Senkung der IRPEF um 80 Euro im Monat für Geringverdiener hat ernsthafte Haushaltsprobleme verursacht und Steuererhöhungen an anderer Stelle notwendig gemacht.
Fazit: Wir können in nächster Zeit nicht mit wirklich zählenden Steuersenkungen rechnen, so notwendig diese auch wären – es sei denn, die Politik nimmt radikale Ausgabenkürzungen vor, was sie bisher stets vermieden hat.

TEXT: Robert Weißensteiner
Zur Person
Robert WeißensteinerRobert Weißensteiner
Robert Weißensteiner, ist seit 1985 Chefredakteur der Südtiroler Wirtschaftszeitung. Außerdem ist er Autor der Bücher „Die Amonn-Entführung“ und „Die Wierer-Story“ und hat lange Zeit des RAI-Wirtschaftsmagazin Trend moderiert.