Kommentar

Faires Südtirol

Die Soziale Mobilität betrifft uns alle. Dabei geht es aber nicht etwa um den öffentlichen Nahverkehr, sondern um die soziale Herkunft der Personen und um faire Chancen für alle bei Bildung, Beruf und Einkommen.
Das Forschungsgebiet Soziale Mobilität erlange vor allem im Laufe des letzten Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit. Im Prinzip geht es dabei um eines: Chancengleichheit. Studien zur Soziale Mobilität erlauben, Veränderungen einer gesellschaftlichen Struktur und Bewegungen innerhalb dieser zu erkennen und somit Maßnahmen zu identifizieren, welche zu mehr oder weniger egalitären Gesellschaften führen.
In Südtirol war dieses Thema bislang unerforscht. Unser Alpenland zählt rund eine halbe Million Einwohner, welche im letzten Jahrhundert durch viele Ereignisse stark geprägt wurden, wie das Zusammenfließen mit mehreren Kulturen und eine starke wirtschaftliche Entwicklung, die heute aus Südtirol eines der wohlhabendsten Länder Europas macht.
Doch inwiefern ist es den Südtirolern möglich, die eigene soziale Position, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, zu verbessern? Antwort darauf bietet die Studie ‚Soziale Mobilität in Südtirol‘, welche vom AFI | Arbeitsförderungsinstitut zusammen mit dem Center for Advanced Studies der Eurac Research vorgestellt wurde.
Südtirol spiegelt italienische und europäische Tendenzen in Sachen Bildung, Beruf und Einkommen wider. Während einige Familien ihr Leben und ihre Tätigkeiten sorgenlos führen können, leben andere in Armut oder mit nur beschränken Möglichkeiten, ihre Position zu verbessern. Chancengleichheit impliziert, dass auch Personen, die aus einem benachteiligten familiären Umfeld stammen, im Laufe einer Generation durch Fleiß und persönlichem Verdienst in die höheren sozialen Schichten aufsteigen können – diese sind stark durch einen hohen Bildungsgrad, einen angesehenen Beruf, oder ein hohes Einkommen geprägt.
Jedoch ist, zum Beispiel, obgleich die Möglichkeit auf Bildung in den letzten Jahrzehnten immer ausgeprägter wurde, die Chance, einen hohen Bildungsgrad zu erreichen größer, wenn mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss besitzt. Auch die Chance, in der Berufsklasse der Eltern zu bleiben, ist sehr viel höher als die Chance, in einer anderen Berufsklasse zu landen.
Im Lande ist es knapp einem Drittel der Südtirolern gelungen, ihre Stellung im Vergleich zu der ihrer Eltern zu verbessern. Andererseits stürzen auch knapp einer von fünf im Vergleich zu den Eltern sozioökonomisch ab. Vieles dieser Veränderungsprozesse beruht auf etwa Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur, im Lebensstandard oder im Bildungswesen. Andererseits erkennt man in Südtirol auch eine „Erbschaft“ des sozialen Status der Familie. Zwar ist dies aus der Perspektive derjenigen, die aus Familien mit höheren Berufsklassen stammen, durchaus positiv, da sie dann selbst sehr gute Chancen haben, selbst hohe Positionen zu erlangen. Gleichzeitig bedeutet dies für Personen mit Eltern aus den unteren Berufskategorien beschränktere Möglichkeiten, die „soziale Leiter“ hochzuklettern. In der Literatur spricht man von „klebriger Decke“ bzw. „klebrigem Boden“.
Südtirol bietet durchaus gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten, obgleich diese nicht immer leicht erreichbar sind, und dies oftmals nur im beschränken Ausmaß. In der öffentlichen Debatte herrscht weitgehend Konsens über die Notwendigkeit, in die Chancengleichheit zu investieren. So ist es zum Beispiel entscheidend, den Zugang zu frühkindlicher Erziehung zu fördern oder Familien bei Schicksalsschlägen und Schockereignissen mit gezielten Stützprogrammen zu begleiten. Eine sozial mobilere Gesellschaft impliziert, dass die gesellschaftliche Stellung weniger von vererbten Privilegien und mehr von eigenen Fähigkeiten und Bemühungen bestimmt ist.
Text: Alessandro Francisi / AFI Arbeitsförderungsinstitut
Die Studie ‚Soziale Mobilität in Südtirol' wurde im Rahmen einer Tagung vom AFI | Arbeitsförderungsinstitut zusammen mit dem Center for Advanced Studies der Eurac Research letzten Dezember nach fast zweijähriger Vorlaufzeit der Öffentlichkeit vorgestellt.
Für die Studie wurden 1.500 Personen telefonisch interviewt. Die Stichprobe ist für Südtirol repräsentativ.
Die Tagung wurde vollinhaltlich aufgezeichnet. Das Video kann auf den Webseiten von Eurac Research und AFI
(www.afi-ipl.org) aufgerufen werden. Dasselbe gilt für die vollständige Studie.

Sozialfürsorge

Einheitliches Kindergeld - Assegno ­Unico und Pflegesicherung

Foto: unsplash
Muss der Antrag verlängert werden?
Seit 1. März 2022 steht Familien mit zu Lasten lebenden Kindern bis zum 21. Lebensjahr ein einheitliches Kindergeld ausbezahlt von der italienischen Versicherungsanstalt NISF/INPS zu. Für arbeitsunfähige Kinder gilt keine Altersgrenze.
Jene Familien, die bereits das einheitliche Kindergeld beziehen und für die zum 28. Februar 2023 die Leistung in Auszahlung ist, brauchen keinen Antrag um Verlängerung des einheitlichen Kindesgeldes einreichen. Die Leistung wird von Amtswegen für den Zeitraum 1. März 2023 bis 29. Februar 2024 ausbezahlt. Liegt bis zum 30. Juni 2023 eine gültige ISEE-Erklärung unter 40.000 € vor, werden die erhöhten Beträge des einheitlichen Kindergeldes von Amtswegen ausbezahlt. Wird keine ISEE-Erklärung oder ab Juli 2023 gemacht, so wird der Grundbetrag von 50 € pro minderjährigen gesunden Kind an Kindergeld ausbezahlt bzw. ab dem Monat der gültigen ISEE-Erklärung unter 40.000€ der erhöhte Betrag.
Änderungen bezüglich Familienzusammensetzung, Bankdaten, Voraussetzungen für die Berechtigung, Volljährigkeit des Kindes, anerkannte Invalidität des Kindes, Arbeitstätigkeit des volljährigen Kindes, Trennung bzw. Scheidung der Eltern usw. müssen zeitnah über das Patronat an das NISF/INPS weitergeleitet werden.
Für Neugeburten sollte der Antrag innerhalb 120 Tagen ab Geburt eingereicht werden, damit Anrecht auf die Nachzahlungen ab dem 7. Schwangerschaftsmonat zustehen. Verspätete Anträge berechtigen zum einheitlichen Kindergeld ab dem darauffolgenden Monat der Antragstellung.
Erstanträge können jederzeit eingereicht werden. Wird der Erstantrag innerhalb 30. Juni des Jahres eingereicht, stehen die Nachzahlungen ab März zu. Anträge eingereicht ab 1. Juli berechtigen zum einheitlichen Kindergeld ab dem darauffolgenden Monat der Antragstellung.
Familien, die bereits das einheitliche Kindergeld beziehen, können sich auf einige Neuerungen ab Jänner 2023 freuen. Kinderreiche Familien mit 4 Kindern und mehr erhalten eine zusätzliche monatliche Zahlung von maximal 150 €. Der Betrag für Kinder unter 1 Jahr wird um 50 % erhöht. Eine Erhöhung ist auch für Familien mit mindestens 3 Kindern und mehr vorgesehen, wenn eine ISEE-Erklärung unter 40.000 € vorliegt und für Kinder unter 3 Jahren.
Neuerungen Pflegesicherung ab Februar 2023
Ab 1. Februar 2023 treten eine Reihe von Neuerungen in der Pflegesicherung in Kraft. Anbei die wichtigsten Neuerungen.

1. Das Pflegegeld wird grundsätzlich auf unbegrenzte Zeit ausbezahlt. Ausnahmen sind wenn die pflegebedürftige Person eine fortgeschrittene Krankheit hat, wenn das Pflegegeld von Amtswegen zugewiesener Pflegestufe ausbezahlt wird oder wenn der Pflegebedarf auf ein akutes Ereignis zurückzuführen ist.

2. Für Anträge auf Pflegegeld, die ab dem 1. Februar 2023 eingereicht werden, erfolgt die Erhebung des individuellen Pflege- und Betreuungsbedarf grundsätzlich im Rahmen eines Gesprächs in den Räumlichkeiten des Dienstes für Pflegeeinstufung und nicht mehr zu Hause. Nur für Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht zu den Räumlichkeiten des Dienstes für Pflegeeinstufung gehen können, ist ein Hausbesuch möglich. Die Notwendigkeit des Hausbesuchs muss ausdrücklich im ärztlichen Zeugnis zum Antrag des Pflegegeldes angemerkt sein.

3. Pflegebedürftige TerminalpatientInnen mit einer fortgeschrittenen Krankheit haben ab 1. Februar 2023 das Anrecht auf das Pflegegeld der 3. Stufe für die Dauer von 12 Monaten.

4. Dienstgutscheine werden ab dem zweiten Folgemonat nach Antrag um Abänderung der Dienstgutscheine gelöscht oder reduziert, sofern das Einstufungsteam eine Abänderung beschließt. Die nicht genutzten Dienstgutscheine werden ab diesem Zeitpunkt gegebenenfalls auch rückwirkend ausbezahlt.

5. Verstirbt eine Person in Erwartung der Einstufung, so kann unter folgenden Bedingungen ein Antrag auf Weiterführung des Antrags auf Pflegegeld gestellt werden: innerhalb von 60 Tagen ab Antragstellung wäre die Einstufung in den Räumlichkeiten des Dienstes oder am Aufenthaltsort der pflegebedürftigen Person möglich gewesen und die Einstufung hat aus Verschulden des Dienstes nicht fristgerecht stattgefunden. Trifft dies zu, können die Erben innerhalb von 60 Tagen ab Todesdatum einen Antrag auf Weiterführung des Antrages auf Pflegegeld stellen.
Für Anträge eingereicht nach dem 1. Februar 2023 soll die Pflegeeinstufung innerhalb von 60 Tagen erfolgen.