Thema

Sozialberufe

Beruf und Berufung in einem
Tanja Untermazoner und ­Betreuerin Christine Ramoser. Foto: Edith Vitroler
Sie sind sehr wichtig und werden auch dringend gesucht. Warum nur sind die Ausbildungswege so lang, die Bezahlung zu niedrig und die Anerkennung nicht immer gegeben? Wer sich trotzdem für einen Beruf in der Pflege von Senioren und Kindern, im Krankenhaus,… entscheidet macht dies meist aufgrund anderer Beweggründe.
Werner Steiner
Stellvertretenf für viele in unserem Land dies sich tagtäglich für andere einsetzen, haben wir mit 2 kompetenten Frauen ein Gespräch geführt, die die tollen Seiten dieser Berufe aufzeigen. Beginnen möchten wir unser Thema mit einleitenden Worten unseres Landesvorsitzenden Werner Steiner:
Es gibt verschiedene Berufe im Bereich des Sozialen: allen gemeinsam ist, dass das Wohl des Menschen im Mittelpunkt der Tätigkeit und des Engagements steht. Wir sind froh, dass es Menschen mit einer „sozialen Ader“ gibt, die sich für die Mitmenschen und deren Problemen annehmen und bereit sind in diesen Bereichen nicht nur freiwillig und ehrenamtlich zu arbeiten, sondern täglich ihre Kraft und mehrere Stunden dafür investieren.
Dieses soziale Engagement begleitet uns durch das gesamte Leben. Schwangere Frauen werden in Kursen auf die bevorstehende Geburt vorbereitet. Bei der Geburt sind es die Hebammen, die den Ärztinnen und Ärzte assistieren. Später geht es mit der Kleinkindbetreuung weiter. In den weiteren Jahren kommen dann SozialpädagogInnen dazu und wenn ich in Riesenschritten im Leben von uns Menschen weitergehe, sind wir auch im Alter froh, dass wir auf empathische Pflegerinnen und Pfleger zurückgreifen können. Sie helfen uns die Dinge des Alltages zu erledigen und unterstützen uns auch in der Freizeitgestaltung und in der Pflege von sozialen Kontakten.
Als Katholischer Verband der Werktätigen (KVW) möchten wir die Wichtigkeit der sozialen Berufe unterstreichen und auf die Vorteile der Arbeit in diesem Bereich unterstreichen. Der soziale Beruf ist eine sinnvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit mit großer Verantwortung. Die Berufe sind vielfältig und werden in Zukunft noch vermehrt gebraucht werden. Was wir im KVW aber beobachten ist, dass es vorwiegend eine von Frauen ausgeübte Tätigkeit ist und dass damit eine schlechte Bezahlung und geringe Aufstiegsmöglichkeiten einhergehen. Auch das gesellschaftliche Bild der Arbeit in den sozialen Berufen bedarf einer Korrektur.
Oft stelle ich fest, dass die Arbeit im Sozialwesen sehr schnell als eine Arbeit, die „jeder kann“ angesehen wird. Der Aspekt der hohen emotionalen und kognitiven Kompetenz wird nicht betrachtet. Deshalb sind dringende Veränderungen erforderlich, wenn wir wollen, dass sich weiterhin Menschen für diese wichtigen Berufe ausbilden lassen. Der Wunsch vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den sozialen Berufen nach mehr Zeit für die Begleitung der Patientinnen und Patienten, nach mehr Wertschätzung und Anerkennung, nach mehr Personal und auch nach einem besseren Einkommen muss von den Verantwortlichen der Dienste und in der Politik mitgetragen werden. Sie sollten sich dafür einsetzen, dass Menschen, die in diesen Berufen arbeiten, genug Kraft haben um nicht selbst irgendwann auf der Strecke zu bleiben und eine angemessene Entlohnung erhalten. Wir alle sind aufgerufen dazu beizutragen, dass die Sozialberufe in der Gesellschaft mehr Anerkennung und Bedeutung erfahren.
Kastanienbraten im Kinderdorf

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Interview mit Lisa De Gregorio

Lisa De Gregorio ist Hausleiterin der sozialpädagogischen Kinderwohngemeinschaft Haus Sparkasse des Kinderdorfes in Brixen. Dort leben derzeit 4 Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren. Sie arbeitet in erster Linie mit den Kindern als Erzieherin, doch neben dieser Tätigkeit, ist sie auch für das Organisatorische des Hauses zuständig. Dazu gehört z.B. das Erstellen des Dienstplans oder die Haus-Kassa.
KOMPASS: Was ist das Schönste an ­Ihrem Beruf im Kinderdorf in Brixen?
De Gregorio: Das Kinderdorf in Brixen ist wie ein richtiges Dorf. Es besteht aus 3 Kinder- und 2 Jugendhäusern (ein weiteres Jugendhaus in Meran) in denen Kinder und Jugendliche eine Zeit lang aufwachsen. Zwischen den Bewohner:innen besteht ein reger Austausch, wie eben in einem richtigen Dorf. Was in meinem eigenen Aufwachsen Normalität war, können diese Kinder hier als Alternative im Kinderdorf erleben, weil sie es von zu Hause aus nicht kennen. Wir haben als Erzieher:innen die Aufgabe sie eine Zeit lang zu begleiten und ihnen etwas Unbeschwertheit mitzugeben. Das Schöne an dieser Aufgabe ist es, ihre Weiterentwicklung zu sehen.
KOMPASS: Das ist kein Montag-Freitag, 09.00 bis 17.00 Uhr, Job. Gelingt es die Grenze zwischen Beruf und ­Privatleben zu ziehen?
De Gregorio: Ich pendle jeden Tag zwischen Bruneck und dem Kinderdorf in Brixen und in diesen 40 Minuten kann ich eigentlich ganz gut abschalten. Viel hängt natürlich von der Persönlichkeit und der Einstellung des Einzelnen ab. Ich mache meinen Beruf sehr gerne und begleite die Kinder und Jugendlichen in einem sehr wichtigen Lebensabschnitt. Mein „Motto“ ist aber, dass ich nicht verantwortlich für ihre Lebenssituation bzw. Schicksal bin, ihnen aber zeige, wie das Leben „anders“ sein kann. Wir hier als Kinderdorfteam setzen Samen, können aber auch nicht die Welt retten, denn am Ende ist jeder Mensch für seine Entscheidungen verantwortlich, und jeder muss für sich selbst den richtigen Weg finden, wir in unserer Rolle als Erzieher bieten ihnen die Alternativen, und begleiten sie. Jeder hat eigene Methoden mit schwierigen Situationen umzugehen. Ich zum Beispiel mache als Ausgleich viel Sport und treffe mich gerne mit Freunden. Für die eigene „Psychohygiene“, beispielweise in Momenten, die besonders fordernd sind wie etwa bei intensiven Krisen, kann es auch hilfreich sein, bei Kollegen:innen Dampf abzulassen und sich untereinander zu helfen und zuzuhören. Ohne Ausgleich ist dieser Job nicht möglich.
KOMPASS: Was sind erfüllende ­Momente in ihrem Beruf?
De Gregorio: Ich bin gelernte Erzieherin und habe schon verschiedene Strukturen und Einrichtungen in Südtirol wie Tagesgruppen bei La Strada, die Villa Winter in Bruneck und außerhalb in Bologna in einem Mutter – Kind Heim oder in Salerno in einer Flüchtlingsunterkunft kennenlernen dürfen. Ich wusste schon in meiner Oberschulzeit, dass ich in einem sozialen Beruf arbeiten will. Für mich ist die Arbeit auch wirklich sinnstiftend. Das erkennt man oft auch erst viel später: Neulich habe ich zufällig ein Mädchen getroffen, das ich vor Jahren als Erzieherin kennengelernt habe. Sie hat sich nochmal bei mir bedankt, was mich sehr gefreut hat! Eine Stütze für diese Kinder sein zu dürfen, sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen unbeschwerte, glückliche Momente schenken zu dürfen, sind sicherlich erfüllende Momente in diesem Job.