KVW Aktuell

(K)ein Ende in Sicht?

Sexismus im Südtiroler Alltag
Sexismus, vor allem in den sozialen Medien, scheint alltäglich und salonfähig zu sein. Er wird von der Gesellschaft toleriert, scheinbar „darf“ eine Frau ohne große Konsequenzen verbal erniedrigt werden
und es „darf“ sogar mit Gewalt gedroht werden. Andrea Fleckinger geht der Frage nach, was dies für
eine Gesellschaft ist, die Gewalt an Frauen mitträgt, begünstigt und immer wieder neu produziert.
Andrea Fleckinger ist Sozialassistentin und Mitarbeiterin
im Frauen-hausdienst der Bezirksgemeinschaft Eisacktal in Brixen.
“... dass sie mal so richtig hergnuman weart …“
Ein Satz, Eine Drohung,
Zwei „gefällt mir“ Angaben …
so passiert vor ein paar Wochen in Südtirol.
Eine ganz normale Reaktion auf die politische Meinung einer Frau?
In unserer Gesellschaft anscheinend schon. Sexismus ist salonfähig, gehört einfach dazu, da kann Frau nichts machen und Mann sowieso nicht. Von Generation zu Generation wird verlässlich weitergegeben, wie Männer Frauen verachten und erniedrigen können. Besonders dann, wenn Frauen sich trauen zu sprechen.
Betroffen sind Frauen, die sich nicht verstecken
Wenn Frauen eine Meinung haben zu einem Thema und es wagen diese öffentlich kundzutun. Schlimmer noch, wenn betreffende Frau aus der ihr zugewiesenen Geschlechterrolle ausbricht, keine als „Frauenberuf“ definierte Tätigkeit ausübt und in eine männliche Domäne eindringt, wie z,B. der Politik. Hat Frau Politikerin dann auch noch eine Meinung schlägt die Inquisitionsschranke zu. Schnell wird sie daran erinnert, welcher Platz ihr in unserer patriarchalen Gesellschaft zugedacht ist und was passieren kann, wenn sie es wagt diesen zu verlassen. Männliche Gewalt an Frauen passiert, in vielen Formen, physisch, sexuell, ökonomisch und psychisch, zu Hause und im öffentlichen Raum, nicht nur die Femizide erinnern uns nahezu täglich daran.
Seit Jahrzehnten wehren sich Frauen gegen diese gesellschaftliche Ordnung, die alleinig den Mann als Prototypen des Menschen anerkennt und die Frau als eine Form der Devianz ansieht, die aufgrund ihrer Unvollständigkeit beherrscht und abgewertet werden darf. Seit Jahrzehnten werden schrittweise, meist nach heftigen Kämpfen, wichtige Meilensteine für die Gleichberechtigung der Geschlechter gesetzt.
Gleichberechtigung bedeutet noch nicht Gleichwertigkeit
Gleichzeitig müssen wir auch erfahren, dass die Gleichberechtigung nicht automatisch etwas mit Gleichwertigkeit zu tun hat. Die bekannte deutsche Journalistin und Feministin Alice Schwarzer hat in ihrem Buch „Es reicht – gegen Sexismus im Beruf“ (2013) versucht eine Chronologie der zentralsten Eckpfeiler darzustellen, wie Frauen gegen Sexismus und für Gleichwertigkeit kämpfen. Sie beginnt in den 70er Jahren in den USA, wo 1975 die Gruppe „Working women united“ erstmal eine Plattform schuf, in der Frauen über die verschiedenen sexuellen Belästigungen, die sie am Arbeitsplatz erfahren haben, erzählten. 1983 wir das Thema sexuelle Belästigung auch in der EU diskutiert und verurteilt – eine deutsche Studie zeigte damals, dass jede 14te Frau wegen sexueller Übergriffe ihren Arbeitsplatz gekündigt hatte. Knappe acht Jahre später zeigte eine weitere deutsche Studie, dass drei von vier Frauen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt haben.
#Aufschrei und #MeToo
2011 wird Dominique Strauss-Khan, der Chef des IWF und damit mächtigster Banker der Welt, verhaftet, allmählich werden seine jahrelangen sexuellen Belästigungen verschiedener Frauen öffentlich. 2013 dann der Hashtag #Aufschrei; innerhalb weniger Tage melden sich zehntausende Frauen und erzählen von sexuellen Belästigungen, 2017 ein weiterer Hastag, #metoo geht um die ganze Welt. Tausende Frauen berichten von Belästigungen, Abwertungen und Entwürdigungen, die sie aufgrund ihres Geschlechts erlebt haben.
Damit Sexismus 2021 keinen Platz mehr hat
Ob, wann und wie Sexismus, also die Abwertung der Frau aufgrund ihres Geschlechtes, enden wird, hängt ausschließlich von uns ab. Von uns Frauen, die wir uns gegenseitig stärken, uns trauen zu sprechen und eine andere Form des respektvollen Umgangs miteinander pflegen. In gleichem Maße hängt es von den Männern ab, die selbst beginnen ihr Verhalten zu hinterfragen und zu verändern. Von den Männern, die andere Männer stoppen, deren sexistischen Bemerkungen aktiv benennen, verurteilen und ächten. Einmal mehr darf sich jede und jeder von uns die Frage stellen: Soll Sexismus auch 2021 noch einen Platz in unserer Gesellschaft behalten?
Wer Hilfe sucht:
Frauenhausdienst Brixen: 800 601 330 (24h)
Frauenhausdienst Meran: 800 014 008 (24h)
Frauenhausdienst Bozen: 800 276 433 (24h)
Geschützte Wohnungen Bozen: 800 892 828
Geschützte Wohnungen Bruneck: 800 310 303
TEXT: Andrea Flecikinger

KVW Aktuell

Schutz des freien Sonntags

Jedes Jahr am 3. März erinnern die Frauen im KVW an den Schutz des freien Sonntags.
Mit Boschaften auf Taschen, Tassen und Teebeuteln erinnern die Frauen im KVW an den Wert des freien Sonntags.
Heuer sind es genau 1700 Jahre, dass Kaiser Konstatin am 3. März 321 n. Chr. der Sonntag als arbeitsfreien Tag eingeführt.
„Der Sonntag soll sich von den anderen Tagen der Woche unterscheiden und wurde, wie es schon das Wort ‚Sonntagsruhe‘ zum Ausdruck bringt, auch in diesem Sinn gesetzlich geschützt“, erklärt KVW Frauenvorsitzende Helga Mutschlechner. Für die Frauen im KVW soll der Sonntag kein Tag zum Shoppen sein. Er gehört in erster Linie der Familie, aber auch der Geselligkeit, der Erholung und er dient der Ausübung der Religion. Der Sonntag ist der Tag, an dem möglichist viele Menschen gemeinsame Zeit verbringen. Ohne Gemeinsamkeiten bröckelt das gesellschaftliche Leben, warnen die Frauen im KVW.
„Als Konsumentinnen und Konsumenten sind wir alle mitverantwortlich für den Erhalt des Sonntagsschutzes, in dem wir zum Beispiel nicht dem Konsumdruck hinterherlaufen und die Freizeit nicht im Shoppingcenter verbringen, sondern bewusst etwas gemeinsam tun“, sagt Helga Mutschlechner.
Seit Jahren lässt sich eine schleichende Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes beobachten. Die wirtschaftlichen Interessen werden dabei über die menschlichen Bedürfnisse gestellt.
In manchen Berufen geht es ohne Sonntagsarbeit nicht. Dazu zählen vor allem die Berufe im Gesundheitsbereich, im Bereich Sicherheit und Mobilität, um nur einige anzuführen. Diesen Berufsgruppen zollen die Frauen im KVW große Wertschätzung und fordern eine faire Behandlung.
Was hingegen die Sonntagsöffnung der Geschäfte betrifft, so steigert diese nicht den Umsatz. Jeder Euro kann bekanntlich nur einmal ausgegeben werden. Es entsteht dadurch lediglich eine Verlagerung des Konsums und dies geschieht zum Nachteil für die dort arbeitenden Verkäuferinnen und deren Familien.