Thema

Netzwerk für Nachhaltigkeit

Im Spätsommer 2020 präsentierte sich Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit der Öffentlichkeit. Es bietet Vereinen, Verbänden, Organisationen und Gruppen die Möglichkeit, sich für eine zukunftsfähige Veränderung in Südtirol stark zu machen. Den gemeinsamen Rahmen für die Veränderung bilden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
Gegründet wurde das Netzwerk durch den Impuls von über 30 Organisationen, die seit Jahrzehnten zu den Bereichen Bewusstseinsbildung und globales Lernen in Südtirol aktiv sind. Inzwischen haben sich zu den Initiator*innen bereits 60 weitere Vereine und Organisationen angeschlossen, Tendenz steigend.Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit sieht sich als freie, autonome, partei- und interessensübergreifende Plattform mit einem klaren, dreifachen Auftrag:
1. die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen in Südtirol bekannt zu machen und deren Zusammenspiel und Bedeutung – global und für Südtirol – aufzuzeigen;
2. die Zivilbevölkerung, d.h. Vereine, Organisationen und Gruppen, rund um diese Ziele zu vernetzen, im Sinne einer konstruktiven und wertschätzenden Auseinandersetzung;3. die Netzwerkpartner*innen sowie deren Eigeninitiativen und Veranstaltungen mit Bezug zu diesen Zielen auf der Website www.future.bz.it sichtbar zu machen.
Das Fundament
Die Basis der Vernetzung bilden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, Kernstück der Agenda 2030. Die Agenda 2030 und die 17 Ziele – auch SDGs (Sustainable Development Goals) genannt – sind ein Fahrplan für die Zukunft: Sie sollen weltweit ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und dabei gleichsam die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahren. Die 17 SDGs decken eine Vielzahl von Themen ab: Klimaschutz, menschenwürdige Arbeit, Geschlechtergleichheit, nachhaltiger Konsum, qualitativ hochwertige Bildung, Schutz der Ökosysteme und Biodiversität, Frieden und Partnerschaften. Dabei sind die Ziele keine Gruppe von Einzelzielen, sondern ein ganzheitlicher, ineinander verflochtener Rahmen.
Konkrete Zielsetzung
Koordinatorin Judith Hafner betont: „Corona hat uns gezeigt, wie schnell sich Spielräume verengen können. Das gilt auch für die nachhaltigen Entwicklungsziele: Noch können wir die Weichen für ein lebenswertes Morgen stellen. Doch dafür müssen wir jetzt unsere Kompetenzen bündeln.“ Südtirols Netzwerk für Nachhaltigkeit zielt genau darauf ab: Es schafft eine Plattform, die es allen Engagierten ermöglicht ihre Kräfte zu bündeln.
Gemeinsamer Online-Auftritt
Ein wichtiges Instrument dafür ist das kostenfreie Online-Portal www.future.bz.it, das allen Interessierten, kleinen wie großen Vereinen, Verbänden, Organisationen und Gruppen ermöglicht, sich als Partner*innen einzubringen. Der Online-Kalender ist als gemeinsamer Eventkalender offen für alle Veranstaltungen der Netzwerkpartner*innen. Eine interaktive Südtirol-Karte zeigt, wer sich wo für welche Ziele engagiert und welche Events veranstaltet werden.
Für das Jahr 2021 plant das Netzwerk 173 Initiativen in ganz Südtirol, die ineinandergreifen und das Netzwerk in ein gemeinsames Wirkungsfeld holen.
In 48 Dörfern werden die 17 Ziele vorgestellt und es sollen Ortsgruppen entstehen, die diese Ziele als Netzwerk-Partner konkret umsetzen.

Kommentar

Übergang von der Schule zur Arbeit

Besondere Herausforderung für Menschen mit Beeinträchtigung
Walter Obwexer, Präsident des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit (l.) und Max Silbernagl
Menschen mit Beeinträchtigung bräuchten schon während der Berufs- oder Oberschule eine Vorbereitung auf die Arbeitswelt. Während das Recht auf Schule und Ausbildung gewährt ist, zeigen sich beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt Schwierigkeiten und Probleme. Die Suchenden brauchen individuell abgestimmte Unterstützung.
M. ist Frontmann einer Punk-Rock-Band. Er singt und schreibt eigene Texte zu selbstkomponierten Songs. Als er hört, dass auch meine Tochter in München in einer punkaffinen Rockband singt, nimmt er Kontakt auf. Er denkt an ein kleines Festival in seinem Dorf. M. ist Netzwerker und Organisator, die treibende Kraft seiner Band. Im vorigen Jahr, vor der Covid19-Krise, hat sich M. auch literarisch auf neues Terrain gewagt. Mit seinem neuen Buch „Gedankenhochsprung“ lud er zu Lesungen ein. Die Resonanz war groß. Die Säle vollgefüllt. Normalerweise verwendet man kein Kürzel, wenn man wie im Fall von M. kurz biografische Informationen zusammenfasst. Aber M. ist Rollstuhlfahrer und so hat man es wie in diesem Artikel, wo es um Arbeitsinklusion geht, gleich mit den Privacy-Bestimmungen zu tun. Der Gesetzgeber schützt richtigerweise sensible Daten und dass M. Rollstuhlfahrer und auf kontinuierliche Unterstützung bei der Verrichtung alltäglicher Dinge angewiesen ist, ist so eine sensible Information. Dabei ist die Tatsache, dass M. körperlich beeinträchtigt ist, sowieso nicht zu verbergen. Das ist bei der Arbeitssuche natürlich ein ständiges Thema. M. sagt in einem Interview, dass es für Menschen mit Beeinträchtigungen schon in den letzten Jahren der Oberschule bzw. der Berufsschule eine gezielte Vorbereitung auf die Arbeitswelt bräuchte. Der Arbeitsservice und die Arbeitsplatzbegleitung der Sozialsprengel müssten sehr viele Personen betreuen, sagt er weiter. Dabei bleibt in vielen Fällen nicht genügend Zeit für eine individuell abgestimmte Unterstützung.
Vorbereitung auf die Arbeit
Das Landesgesetz Nr. 7 aus dem Jahr 2015 über Teilhabe und Inklusion ordnete die Bestimmungen zur Arbeitsinklusion neu. Eigentlich ist alles im Sinn von M.‘s Anliegen gut geregelt. Die Schule gestaltet in den letzten Jahren mit personenzentrierten Instrumenten wie beispielsweise der persönlichen Zukunftsplanung die Vorbereitung auf die Arbeitswelt. Dann übernimmt bei einer Rest­arbeitsfähigkeit oder einer potentiellen Arbeitsfähigkeit der Arbeitsservice im Rahmen von Arbeitsinklusionsprojekten oder der Sozialsprengel im Falle einer nicht vorhandenen Arbeitsfähigkeit im Rahmen von Arbeitsbeschäftigungsprojekten die Begleitung. Was auf dem Papier gut durchdacht klingt, wird in der Praxis nicht immer lückenlos umgesetzt, manchmal bei weitem nicht. Es wird den Sozialverbänden immer wieder rückgemeldet, dass sich einige Schulen sehr um einen guten Übergang in die Berufswelt bemühen, in anderen passiert bis heute eindeutig zu wenig. Zu oft gelingt der Übergang Schule-Beruf nicht. Schlimm ist es für jene jungen Menschen, die nach Abschluss der Schule auf ein Arbeitsprojekt viel zu lange warten müssen. Immer wieder sind es dabei viele Monate, in denen Menschen mit Beeinträchtigungen Fähigkeiten, die sie in der Schule erlernt haben, aus aufgezwungener Untätigkeit wieder verlernen. Das Referat Inklusion der deutschen Bildungsdirektion hat seit diesem Herbst ein Projekt zusammen mit dem Netzwerk Persönliche Zukunftsplanung und der Lebenshilfe geplant, um den Vorgaben des Gesetzes und den dazugehörigen Durchführungsbestimmungen besser Rechnung zu tragen. Leider hat die Covid19-Krise wie so vieles auch dieses Projekt vorerst ausgebremst. Auch der Arbeitsservice und die Arbeitsplatzbegleitung brauchen eindeutig mehr Ressourcen.
Wirtschaft, Gemeinden und Private sind gefragt
Auf europäischer Ebene gibt es das Konzept des „Supported Employement“, zu Deutsch „Unterstützte Beschäftigung“. Die Unterstützte Beschäftigung sieht im Rahmen eines Werkzeugkoffers verschiedene Instrumente vor, die in der Praxis Erfolg versprechen. Es geht um berufliche Orientierung, Erstellung eines Berufsprofils, um eine gezielte Arbeitsplatzsuche, Kontakte mit Arbeitgeber*innen und um betriebliche und außerbetriebliche Unterstützung. Einige dieser Instrumente werden vom Arbeitsservice bzw. im Rahmen von Beschäftigungsprojekten angewandt. Es bräuchte jedoch eine gezielte Weiterentwicklung des Bereiches. Es fehlen dabei aber nicht nur finanzielle und personelle Ressourcen, sondern vor allem eine politisch unterstütze kontinuierliche fachliche Diskussion unter Einbindung eines breiten Netzwerkes. Um Arbeitsinklusion umzusetzen braucht es einerseits die gesetzlichen Grundlagen, zu denen neben dem genannten Landesgesetz vor allem das Staatsgesetz Nr. 68 aus dem Jahr 1999 gehört, es braucht dann aber viel breitere Kooperationen und Allianzen beispielsweise mit der Wirtschaft, den Gemeinden und dem privaten Sozialwesen, die man systematisch aufbauen und pflegen müsste.
Besondere Situation aufzeigen
Inzwischen hat M. ein Arbeitspraktikum im Empfangssekretariat der Lebenshilfe beendet. Im Rahmen des Praktikums war M. auch als Botschafter und Experte in eigener Sache unterwegs. In Schulklassen referierte er über die besondere Situation von Menschen mit Beeinträchtigungen im Allgemeinen, im Monitoringausschuss des Landtages vertrat er die Interessen von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Dabei wurde ihm klar, wohin sein beruflicher Weg geht. Er strebt eine Professorenlaufbahn an, denn er hat jetzt schon einiges zu sagen. M. hat sich deshalb an der Universität Innsbruck inskribiert. Wir werden auf jeden Fall weiterhin von ihm hören, seinen Namen sollte man sich jedenfalls schon einmal merken: Max Silbernagl.
Geschrieben von Wolfgang Obwexer, gegengelesen und mit seinem „ok“ versehen: Max Silbernagl
TEXT: Walter Obwexer