Trauer

Mit Sport Gefühle zulassen

Trauer verarbeiten durch Bewegung
Bewegung in der Natur stärkt Körper und Seele. - FOTOS: Katrin Biber
Trauer wirkt auf unseren Körper ein und schadet ihm, wenn wir sie nicht zulassen können und ihr nicht den Raum und die Zeit geben, die sie benötigt. Gefühle können über Training und Bewegung unterstützt werden. Dazu hat Katrin Biber aus Reutte den SeelenSport® entwickelt.
Der Körper spielt in der Trauerphase eine wichtige Rolle. SeelenSporttrainerin Katrin Biber geht es darum zu zeigen, dass es beim Training nicht um Äußerlichkeiten geht, sondern um Gefühle. Es geht nicht darum, dass die Trauer weggeht oder verkleinert wird, sondern, dass durch gezielte Bewegung dem Körper die Kraft gegeben wird, die Trauer auszuhalten, durchzugehen und anzunehmen. „Trauernde, können durch die Arbeit mit dem Körper ihre Gefühle besser wahrnehmen, verstehen und annehmen. Mit Übungen, die über den Körper die Seele berühren, wird der Mensch ganzheitlich gestärkt“, erklärt Katrin Biber.


Bewegung nach Gefühlen


Durch ein gefühlsorientiertes Training kommen Trauernde in Kontakt mit ihrem Körper, aber auch zu ihren Gefühlen. Besonders dann, wenn sie in eine gewisse Anstrengung gehen, lösen sich viele Emotionen, die sonst immer unterdrückt werden, um im Alltag „funktionieren“ zu können. Sanfte Bewegungen helfen in eine Ruhe und Entspannung zu kommen, ins Hier und Jetzt zu gelangen, um dem Gedankenkreisen eine Pause zu schenken. Zusätzlich stärkt Bewegung natürlich den gesamten Organismus, der durch die Trauer oft geschwächt wird. Durch regelmäßiges Training fühlen sich Trauende fitter und bekommen das Gefühl wieder etwas schaffen zu können. So können sie neue Ziele fürs Leben entwickeln, sie werden selbstbewusst und mutig und stehen für sich und ihre Trauer ein.
Trainiert werden kann alleine, online oder auch mit anderen Trauernden in Workshops, in denen es auch darum geht, Zeit für einen Austausch untereinander zu haben und miteinander neue Kraft und Hoffnung schöpfen zu können.
Durch einen offenen Umgang mit Trauer kann Katrin Biber viele trauernde Menschen erreichen, www.seelensport.at

Trauer

Trauer erLeben

Neue Perspektiven finden nach einem Verlust
Trauern ist manchmal wie ein Schneckendasein: man will sich verkriechen, bei kleinsten Hindernissen sofort den Rückzug suchen und es manchmal dennoch wagen aus seinem Schneckenhaus herauszukommen.
Unser Leben ist voll von Verlusten, von Anfang an. Unser natürlicher Instinkt ist es, uns und unsere Lieben vor dem damit einhergehenden Schmerz zu beschützen. Fehlen die kleinen Verlusterfahrungen im Alltag, verlernen wir den Umgang mit Trauer und Gefühlen.
„Trauer ist ein Flüstern in der Welt, und ein Lärmen im Inneren“. (Anna Quindlen)
Trauer bleibt so oft unausgesprochen, sie ist ein gesellschaftliches Tabu. Das macht es so schwer, Trauer zu begreifen und ihr den Raum zu geben, den sie für eine heilsame Entwicklung braucht. Wenn wir dem Thema mehr Platz geben und uns der Endlichkeit öffnen, wird es einfacher, trauernden Mitmenschen zu begegnen und ein Freund zu sein. Damit wäre schon sehr viel geholfen.
Trauer ist ein Gefühl! Trauer ist weder eine Störung noch eine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion auf einen endgültigen Verlust. Dieser Verlust muss nicht nur der Tod eines lieben Menschen sein. Trauerreaktionen treten auch auf, wenn ein geliebtes Haustier stirbt, wenn eine Freundschaft/Ehe zerbricht, wir die Arbeit verlieren oder weit weg ziehen muss, wenn wir in Rente gehen oder die Kinder das Haus verlassen. Einschneidende Ereignisse wie z.B. auch die Covid-Krise haben oft eine so starke Wirkung auf die Psyche, dass wir auf unsere herkömmlichen Abwehrmechanismen nicht mehr zurückgreifen können.
Wir brauchen die Trauer und die einzige Heilung von Trauer ist es zu trauern!
Sobald wir es schaffen, den Verlust zu akzeptieren und in unser Leben zu integrieren, können wir uns wieder neu orientieren. Das ist ein Prozess, der sehr intensiv und kräfteraubend ist. Und der weh tut. Aber nur der Weg durch diesen Schmerz wird ihn auch heilen. Der Schmerz muss gepflegt und gewürdigt werden. Das ist die Voraussetzung, dass er sich verändern kann.
Gefühle muss man fühlen, nicht unterdrücken. Sonst wären es ja „Gedrückte“.
Es gibt in all der Ohnmacht, Hilflosigkeit, Orientierungslosigkeit, dem Chaos kein Richtig und kein Falsch und jeder trauert auf seine Weise. Es braucht Zeit und vor allem den Mut, die Gefühle zuzulassen. Weinen ist ausdrücklich erlaubt! Tränen sind kein Zeichen der Schwäche. Der, der weint ist stark, auch wenn er sich in diesem Moment schwach fühlt. Jedes Gefühl hat seine Richtigkeit und soll uns helfen. Angst z.B. warnt vor Gefahr, Zorn hingegen ist eine natürliche Reaktion auf eine Ungerechtigkeit. Er soll Kraft geben, uns der Wirklichkeit zu stellen. Wenn wir Gefühle zulassen, können sie ihren Zweck erfüllen und uns helfen. Wenn wir sie hingegen unterdrücken, entsteht „Druck“ und dieser kann entweder explodieren oder sich nach innen wenden und sich krankhaft auswirken. Es ist eine absolute Notwendigkeit, auch Freude in der Trauer zuzulassen. Es geht anfangs um die kleinen „guten“ Minuten, in denen sich die Psyche erholen kann. Freude in der Trauer zu empfinden heißt nicht, die Realität zu leugnen oder gar die Verbindung zum Verstorbenen zu brechen. Es ist ein Grundbedürfnis und auch eine Wertschätzung an die gemeinsame Zeit davor.
Achten Sie auf ein gutes Stützgerüst! Was hilft mir, Angst-Zorn-Trauer-Freude zu zeigen? Was brauche ich, um mich sicher zu fühlen? Was hilft mir, meine Traurigkeit zuzulassen? Denn wenn ich mich nicht sicher und gestützt fühle, kann und soll ich mich nicht den Gefühlen stellen. In so einem Fall ist es vorerst und nur für eine bestimmte Zeit besser, sich abzulenken.
Sie sind der wichtigste Mensch in Ihrem Leben!
Sorgen Sie gut für sich! Sie leisten gerade einen enormen Kraftakt. Zeigen Sie sich selber dafür Anerkennung und Mitgefühl.
Essen (auch ohne Appetit), trinken, schlafen sind Grundbedürfnisse und wesentliche Erholungsfaktoren für den Körper.
Stärken Sie Ihren Selbstwert. Sich zu loben und dankbar zu sein tut gut. Schreiben Sie täglich drei Dinge auf, was Ihnen heute gut gelungen ist, worauf Sie stolz sind oder wofür Sie dankbar sind.
Wer oder was kann Sie unterstützen, gibt Halt und Struktur?
Holen Sie sich die Unterstützung, die Sie brauchen. Das ist wesentlich, um heftige Zeiten auch auszuhalten und zu ertragen.
Delegieren Sie, was Sie nicht alleine schaffen.
Nicht zu weit voraus schauen. Die Zukunft ist dunkel, kann Angst machen. Machen Sie einen Schritt nach dem anderen, schauen Sie von Tag zu Tag. Alles andere kann überfordern.
Treffen Sie keine überstürzten Entscheidungen mit einer größeren, auch existentiellen Tragweite (Arbeitsplatz wechseln, Wohnung verkaufen)
Was ist Ihr Anker? Woran können Sie sich halten? An was glauben Sie?
Wer oder was tut Ihnen gut? Welche Orte tun Ihnen gut?
Die Trauer gehört dem Trauernden. Tipps und Empfehlungen sind herzlich willkommen, aber letztendlich können nur Sie selbst entscheiden, was Sie im Moment brauchen.
Sagen Sie dem Umfeld, was hilft und was nicht.
Gefühle erkennen, annehmen, zulassen
Was brauchen Sie, wenn die Trauerwelle heftig über Sie einbricht? Was macht es leichter, dass die Tränen fließen können? Eine Telefonnummer, die Sie anrufen können? Viele Kuscheldecken und ein bestimmtes Lied dazu? Ein Spaziergang im Wald? Sich damit eine Notfallbox zulegen kann gut helfen.
Erzählen Sie Ihre Geschichte. Suchen Sie sich Menschen, die Ihren Schmerz aushalten, die zuhören können und für Sie immer wieder da sind.
Suchen Sie sich kreative Ausdrucksmöglichkeiten! Durch Malen, Schreiben, Tanzen, Singen entsteht ein Fluss. Kreativität hilft dem Verstand, den Verlust zu begreifen, bringt etwas zum Ausdruck, was mit Worten nicht gelingt.
Füllen Sie den Energietank
Trauern kostet viel Kraft. Wo können Sie immer wieder auftanken, sich erholen? Ist es die Natur, ein Buch, ein Bad, ein Gespräch, Yoga, eine Massage?
Bewusst atmen, immer wieder innehalten und den Atem spüren hilft, in das Hier und Jetzt zu kommen, sich zu beruhigen.
Trauer braucht Bewegung. Ein Spaziergang in der Natur, besonders im Wald, kann eine wertvolle Ressource sein.
Experimentieren Sie! Entdecken Sie was Neues, probieren Sie aus. Immer wieder neu.
Erinnerungen pflegen und sammeln heißt, mit dem Verstorbenen in Verbindung zu treten.
An Orte zu gehen, wo der Verstorbene gerne war oder Plätze aufzusuchen, wo man gemeinsam schöne Stunden verbracht hat, schafft Nähe und Verbundenheit. Erst wenn Sie dem Verlust innerlich einen guten Platz gegeben haben, können Sie sich vom Äußerlichen lösen. Dabei kann z.B. auch ein Erinnerungsbuch oder eine Erinnerungskiste helfen.
Mit allen Sinnen trauern
Trauernde verlieren oft den Kontakt zu sich selber. Nutzen Sie alle Sinne, um wieder zu spüren. Unterschiedliche Musik hören, bei Sturm und Regen aus dem Haus gehen, barfuß über Wiesen laufen, an Blumen riechen, Moos-Rinden-Tannenzapfen und Federn angreifen, stark und scharf gewürzte Speisen essen, kann dabei helfen.
Diese Anregungen werden das Leid lindern, sie machen aber die Trauer nicht weg. Sie sind ein Weg, die Trauer besser zu ertragen und den Weg zu gehen.
Zur Person
Gabriela Mair am Tinkhof, Begleitung von Familien und Kindern in Trauer, Sterben und Krise, Ausbilderin für Kindertrauerbegleitung, Fachreferentin für Kindertrauer, Trauer, Tod und Vergänglichkeit. www.farfallina.info
TEXT:Gabriela Mair am Tinkhof