Thema

Als Konsument nachhaltig agieren

Beim Einkaufen mit Herz und Verstand dabei sein. Wer das „Ich baue am Wir“ ernst nimmt, dem wird es auch ein Anliegen sein, möglichst nachhaltig einzukaufen. Der Konsum ist ein Steuerungsmittel, das jede und jeder von uns zur Verfügung hat. Ich entscheide, ob ich über Internet bestelle oder ein Geschäft im Ort aufsuche, ich entscheide, ob meine Einkäufe mit dem Spediteur vor meine Haustür gekarrt oder lokal produziert werden.
Werner Steiner,
KVW Landesvorsitzender
Mit dem diesjährigen Jahresthema „Ich baue am WIR“ will der KVW die Bedeutung des Miteinander unterstreichen. Dies zeigt sich in verschiedensten Bereichen: in der Zusammenarbeit der Ortsgruppen miteinander, in der Einbindung der anderen Vereine und Verbände in die Jahresplanung. Aber nicht nur die direkte zwischenmenschliche Komponente ist gemeint. Im weiteren Sinne können wir auch unser Einkaufsverhalten in dieses Jahresthema einbinden.
Zusammenhänge erkennen
Mit der zunehmenden Globalisierung ist eine weltweite Vernetzung in vielen Bereichen eingetreten. Schon das Wort selbst zeigt uns, dass es eine die ganze Welt betreffende Veränderung ist. Dadurch sind viele neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Andererseits ist es für die kleinen Betriebe schwer, mit den großen weltweit agierenden Betrieben zu konkurrieren. Diese Spannung wirkt sich auch auf uns als Konsumenten aus. Regionale Produkte sind oft teurer als Produkte, die in großen Mengen weltweit vertrieben werden. Wir sollten uns allerdings schon Gedanken machen in welche Richtung wir uns entwickeln wollen. Wollen wir weiterhin in unseren Geschäften vor Ort einkaufen oder verlagern wir alles auf große Einkaufsketten oder gar den Internethandel?
Ein weiterer Aspekt ist die durch die Globalisierung entstandene ungerechte Verteilung des Wohlstandes. Wir denken in diesem Zusammenhang oft an ferne Länder und kommen dann zum Ergebnis, dass wir da nicht viel verändern könnten. Wenn in den riesigen Baumwollanlagen in Indien ganze Familien um einen Hungerlohn arbeiten, wenn Kinder unter widrigsten Bedingungen zum Einkommen der Familie beitragen müssen, dann nehmen wir uns aus der Verantwortung in­- dem wir glauben, das nicht beeinflussen zu können. Ganz so einfach sollten wir es uns aber nicht machen. Durch unser Konsumverhalten unterstützen wir sehr wohl diese Wirtschaftsformen. Gerechte und faire Arbeitsbedingungen werden weltweit immer öfter zertifiziert und kontrolliert. Ein bewusster Einkauf dieser Produkte könnte die Lebensbedingungen vor Ort für viele Menschen verbessern. Aber nicht nur weit entfernte Länder kommen dafür in Frage. Bedenken wir doch auch die Arbeitsbedingungen in Süditalien: Erntehelfer, die 10 und 12 Stunden um wenige Euros pro Tag arbeiten müssen. Eine falsche Subventionspolitik und Lobbyismus großer Konzerne tragen dazu bei, dass solche moderne Sklaverei möglich wird. Und sogar in unserem eigenen Land Südtirol muss doch einiges im Argen liegen, wenn wir für die Unterbringung von Erntehelfern Mindeststandards vorschreiben müssen. Als christliche Gesellschaft sollte die Sorge um das Wohlergehen unserer Mitmenschen mehr im Mittelpunkt stehen als rein wirtschaftliches Denken.
Der zunehmenden Individualisierung, dem fortschreitenden Egoismus wollen wir mit unserem Jahresthema Einhalt gebieten. Wenn KVW Ortsgruppen im gemeinsamen Gespräch den Wert des Miteinander wieder in den Vordergrund stellen und durch die eine oder andere Aktion auch noch sichtbar machen, dann kann auch der Einkauf im Geschäft vor Ort eine solche Aktion sein. Wir begegnen uns, halten zum gemeinsamen Gespräch inne und erleben den Wert menschlicher Beziehungen.
Mit kleinen Schritten beginnen
Konkret bedeutet das für mich, dass wir bei uns selbst anfangen müssen. Ein autofreier Tag in der Woche geht sich für viele von uns aus. Beim Einkauf bevorzuge ich Produkte mit kurzen Wegen und achte auf möglichst wenig Verpackung. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit können wir besonders auf den ausufernden Konsum achten. Der wahre Wert dieses Festes liegt in der Geburt Jesu und darauf sollten wir uns konzentrieren. Geschenke machen Freude und die Freude steht nicht in Proportion mit der Größe der Ausgaben. Sich Zeit schenken, füreinander da sein, das Familienleben miteinander genießen, das wünsche ich Ihnen im Sinne unseres „Ich baue am WIR“.
TEXT: Werner STeiner

Thema

Nahversorgung erhalten

Lebendige Orte sorgen für Lebensqualität und Arbeitsplätze
Immer mehr Häuser stehen leer, die Bevölkerung schrumpft und die nachfolgenden Generationen ziehen in die großen Städte: Dieses Bild zeigt sich dramatisch in vielen alpinen Regionen und Dörfern. Es sind leere Orte, an denen es heute weder Bäcker noch Metzger gibt und wo der Nahversorger längst zugemacht hat. Orte, an denen es statt des Postamtes nur noch den Briefkasten gibt und der Bus bloß zwei Mal am Tag fährt.
Philipp Moser, Präsident Handels-
und Dienstleistungsverband Südtirol (hds)
Dass die Abwanderung und Entvölkerung aus den Dörfern und Tälern ein ernstzunehmendes Problem ist, zeigt auch eine Studie der Vereinten Nationen: Denn glaubt man den Prognosen dieser Untersuchung, so wird 2030 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten wohnen.
So wundert es nicht, wenn etwa in Deutschland der Ruf nach einer Allianz für lebendige Orte immer lauter wird. Es verbreitet sich immer mehr die Erkenntnis, dass lebenswerte Innenstädte und Dörfer für eine gesunde gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung unverzichtbar sind. „Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen. Lebendige Orte, die Stärkung des Handels in seiner gesellschaftlichen Funktion und der Erhalt der Nahversorgung sind eine Überlebensfrage für die Wirtschaft und Gemeinden“, so die Forderung von Politikern und Wirtschaftsvertretern.
Entwicklung in Südtirol
In Südtirols Orten und Dörfern erschreckt man (noch) nicht vor solchen Prognosen der UN. Es finden sich noch lebendige, lebenswerte und attraktive Orte. Aber: Das Thema holt uns ein. Während die Bevölkerung in den Städten, Talgemeinden und gut erreichbaren Ortschaften in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, wurde in einigen peripheren Gemeinden entlang der Landesgrenze und verstärkt im Westen Südtirols eine Bevölkerungsabnahme verzeichnet. Es zeigt sich, dass gerade in der Peripherie Gemeinden eine rückläufige demografische Entwicklung haben, die in engem Zusammenhang mit einer schwachen Wirtschafts- und Sozialstruktur steht. Die Folge sind Probleme, genügend Arbeitsplätze zu bieten und vor allem die junge Bevölkerung zu halten.
Somit ist es keine Selbstverständlichkeit, dass in Zukunft unsere Orte als soziale Treffpunkte mit den entsprechenden Entfaltungsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen vor Ort erhalten bleiben. Es ist täglich daran zu arbeiten: Politik, Gemeindeverwaltungen, soziale, kulturelle und kirchliche Einrichtungen, die Bevölkerung mit den Familien vor Ort und die Wirtschaftstreibenden mit den vielen Klein- und Familienbetrieben gemeinsam. Nachhaltigkeit und Verantwortung gegenüber Gesellschaft werden von letzteren seit jeher tagtäglich gelebt – nicht nur im Unternehmen etwa durch das verstärkte Angebot lokaler Produkte oder personalisierter Dienstleistungen, sondern auch in ihren Orten und Dörfern, wo sie sich beispielsweise freiwillig und ehrenamtlich für Initiativen engagieren oder etwa lokale, kulturelle, sportliche Organisationen und Vereine unterstützen.
16.000 Beschäftigte
Das vielfältige Angebot im Ort, lebendige Dörfer und Ortszentren, Arbeitsplätze vor Ort, die tägliche Begegnung oder eine gelebte Nahversorgung sind ein Reichtum und ein Mehrwert, die es in erster Linie zu bewahren und wenn möglich auch zu vermehren gilt. Dies ist auch eine wichtige Grundlage dafür, Stabilität in den peripheren Landesteilen herzustellen, das soziale und gesellschaftliche Gefüge in einem Ort zu stärken und somit Abwanderungstendenzen erfolgreich entgegenzuwirken.
In Südtirol wird im Handel vom „Südtiroler Weg“ gesprochen. Gemeint ist damit, dass die Nahversorgung auf lange Sicht gesichert werden soll. Sie ist im Vergleich zu Nordtirol flächendeckend garantiert. Südtirol gehört europaweit zu jenen Regionen, in denen das „Leben im Dorf“ noch gut funktioniert. Über 60 Prozent der Konsumenten kaufen täglich in der Nähe der eigenen Wohnung ein, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Das ist europaweit einzigartig. Ein Netz, das es anderswo nicht mehr gibt. Und so lautet das Ziel, den Einzelhandel in den Wohn- und nicht in den Gewerbegebieten anzusiedeln.
Im Südtirol sind im Einzelhandel über 7400 Geschäfte mit fast 16.000 Beschäftigten tätig – und das in allen Gemeinden. Viele dieser Unternehmen sind Klein- und Familienbetriebe, die dafür sorgen, dass die Orte und Dörfer noch lebendig und attraktiv für Einheimische, Besucher sowie die vielen Gäste sind. Diese Besonderheit und Einzigartigkeit gilt es zu wahren und weiter zu entwickeln.
Vision des hds
Und was macht der hds? Er hat eine klare Vision, die er umsetzen will. Mit der Vision „Die Qualität des Lebensraumes Südtirol durch eine gezielte Wirtschaftsentwicklung der Orte und Städte steigern” hat sich der hds zum Ziel gesetzt, Kompetenzzentrum für die Entwicklung von Südtirols Städten, Innenstädten und Stadtteilen sowie Dörfern zu werden. Dabei spielen über den Einzelhandel hinaus auch ortsrelevante Betriebe in den Bereichen Gastronomie, Dienstleistungen, Privatvermietung und ortsgebundenes Handwerk eine wesentliche Rolle.
TEXT: Philipp Moser