KVW International

Arbeit ohne Arbeiter?

EBCA beim Seminar der KAB Tschechien in Velehrad
Mitte September fand im tschechischen Velehrad ein internationales Seminar der KAB Tschechien statt. Thema der Veranstaltung war die aktuelle Herausforderung des Arbeits- und Fachkräftemangels – ein Problem, das in vielen europäischen Ländern zunehmend spürbar wird.
Für die Europäische Berufsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmer (EBCA) nahm Schatzmeisterin Sonja Schöpfer an dem Seminar teil. Gleich zu Beginn stand die grundlegende Frage im Raum: Gibt es genug Arbeitsplätze – oder genug Arbeitskräfte? Und vor allem: Welche Arbeitskräfte sind überhaupt vorhanden?
In der Diskussion wurden verschiedene Lösungsansätze beleuchtet – von der gezielten Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte über gesteuerte Migration und Anpassungen im Bildungssystem bis hin zur besseren Unterstützung arbeitsloser Menschen und der Wahrung von Menschenrechten. Auch die Digitalisierung wurde als möglicher Schlüssel zur Entlastung des Arbeitsmarktes betrachtet. Doch blieb die entscheidende Frage offen: Sind wir auf die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen solcher Maßnahmen wirklich vorbereitet?
Zur theoretischen Vertiefung wurden Modelle wie die Friedman-Kurve und die Phillips-Kurve vorgestellt, die den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit, Inflation und Wirtschaftswachstum verdeutlichen. Mehrere Referentinnen und Referenten näherten sich dem Thema in kurzen Impulsvorträgen aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Das Seminar war zugleich Rahmen für die Generalversammlung der KAB Tschechien, weshalb zahlreiche tschechische Mitglieder anwesend waren. Auch internationale Gäste nahmen teil – unter ihnen Vertreterinnen und Vertreter der KAB Aachen, der KAB Deutschland sowie aus Slowenien.
Besonders bewegend war der Beitrag einer Delegation aus der Ukraine, die über die schwierige Situation im eigenen Land berichtete. Viele Arbeitskräfte fehlen dort, weil Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Dieser ergreifende Moment fand auch im Gottesdienst in der Wallfahrtskirche von Velehrad Ausdruck, wo der Opfer des Krieges gedacht wurde.
TEXT: Sonja Schöpfer, EBCA Schatzmeisterin

Kommentar

Exportstärke mit sozialer Verantwortung

Südtirols Erfolgsmodell
FOTO: Unsplash/ Haris Illahi
Wenn Südtirols Exporte neue Rekorde erreichen – wie profitieren davon die Menschen im Land? Geht der wirtschaftliche Erfolg Hand in Hand mit sozialer Sicherheit, fairen Arbeitsbedingungen und nachhaltiger Entwicklung?
Südtirols Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Außergewöhnliches geleistet: Sie bringen ihre Produkte mittlerweile in fast alle Länder der Welt und haben im letzten Jahr einen Exportwert von knapp 7,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht einem Anstieg von über 87 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts und verdeutlicht, wie wichtig der Außenhandel für unser Land und unsere Bevölkerung ist.
Der Erfolg der Unternehmen ist gleichzeitig ein Erfolg für alle Menschen in Südtirol. Denn hinter den Exportzahlen stehen Tausende Arbeitsplätze, Einkommen und soziale Sicherheit. Jeder Auftrag sichert Beschäftigung, ermöglicht Gesundheit, Bildung und viele andere Sozialleistungen. Das ist manchen oft gar nicht bewusst, direkt und indirekt wird Wohlfahrt für unsere Bevölkerung geschaffen. Deutschland und Österreich sind nach wie vor unsere wichtigsten Handelspartner, an dritter Stelle folgen bereits die Vereinigten Staaten. Im vergangenen Jahr wurden hauptsächlich elektrische Ausrüstungen, Lebensmittel, Getränke, Maschinen und Apparate in die Welt geliefert. Wir haben in unseren Reihen gar einige Weltmarktführer und viele Hidden Champions. Darauf dürfen wir ruhig stolz sein.
Besonders beeindruckend ist heuer – trotz globaler Unsicherheit – das zweite Quartal, von Mai bis August: Fast zwei Milliarden Euro Export wurden erreicht, das ist ein neuer Rekordwert. Diese Zahlen sprechen für die Innovationskraft unserer Industrie, die damit Qualität, Know-how und die Marke Südtirol in die Welt trägt. Wir wissen auch, es ist noch Luft nach oben. Südtirols Unternehmen müssen in ihrer Internationalisierung gestärkt werden. Neue Märkte müssen erschlossen werden, um Wachstum und Wohlstand für Südtirol nachhaltig zu sichern.
Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass unser Erfolg mit Verantwortung einhergeht: Eine nachhaltige Produktion, faire Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und umweltbewusste Lieferketten dürfen nicht nur Schlagworte sein, sondern müssen Bestandteil der wirtschaftlichen Strategie aller Unternehmen sein.
Ich bin überzeugt, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftlicher Nutzen keine Gegensätze sind. Im Gegenteil: Wer in der Südtiroler Industrie arbeitet, profitiert von stabilen Jobs und fairen Löhnen – und indirekt von einem Land, das seine sozialen Aufgaben erfüllen kann, weil die Unternehmen derzeit gut arbeiten.
Die große Herausforderung der Zukunft ist: Wir müssen zusehen, dass dies so bleibt, dass wir die Wohlfahrt und den sozialen Frieden in Südtirol langfristig halten können. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, die wirtschaftliches Tun erleichtern. Wir müssen an der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, aber auch Europas arbeiten. Dazu gehören dringend: Bürokratieabbau sowie Investitionen in Innovation, Digitalisierung und Dekarbonisierung.
Was mich persönlich zuversichtlich stimmt, sind die jungen Menschen – in Südtirol verankert und mit einem weltoffenen Blick – die Leistungsbereitschaft zeigen und Lust haben, unsere Unternehmen und unser Land nachhaltig zu entwickeln. Insofern blicke ich – trotz weltweiter Krisen und schwieriger Umstände derzeit – auf eine gute Zukunft für Südtirol und seine Menschen.
Zur Person
Alexander Rieper
Ausbildung: Dipl.ing. Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau Fachrichtung Mechatronik, Technische Universität Graz, Schweizerische Müllereifachschule St. Gallen
Einer der Inhaber und Geschäftsführer des Familienunternehmens A. Rieper AG in Vintl, das seit 1910 auf die Produktion von innovativen Mehlen und Futtermitteln spezialisiert ist.
Präsident des Südtiroler Unternehmerverbandes seit Juni 2025
TEXT: Alexander Rieper