Bildung

Es geht nicht nur um Technik – es geht um Verbindung

Ein Gespräch mit Anton Estfeller, langjähriger Senior Online-Begleiter
Bei Senior Online – Wir sind dabei! begleiten freiwillige, technisch versierte Senior:innen (SOL-Begleiter:innen) andere ältere Menschen auf dem Weg in die digitale Welt. Einer von ihnen ist Anton Estfeller. Im Interview erzählt er, was das Projekt für ihn bedeutet – und warum digitales Lernen auch gegen Einsamkeit hilft.
Herr Estfeller, Sie begleiten das Projekt Senior Online ja schon seit mehreren Jahren. Was hat Sie damals bewogen, Teil davon zu werden?
Ein Freund hat mich 2020 darauf aufmerksam gemacht. Ich hatte gerade erst zu arbeiten aufgehört und wollte mein IT-Wissen weitergeben – an Menschen, die oft keinen Zugang zur digitalen Welt haben.
Wie wichtig ist dabei die Gemeinschaft mit den anderen SOL-Coaches – die Austauschtreffen und gemeinsamen Weiterbildungen?
Sehr wichtig. Man spürt: Wir sind nicht allein. Die Treffen geben Halt, neue Ideen und praktische Hilfe. Gemeinsam finden wir Lösungen, lernen voneinander und stärken uns gegenseitig.
Senior Online vermittelt nicht nur digitale Kompetenzen – es bringt auch Menschen zusammen. Wie erleben Sie das in Ihrer Arbeit?
Oft treffen sich Fremde mit ähnlichen Fragen. Es entstehen Gespräche, Verbindungen – manchmal auch Freundschaften. Man hilft sich gegenseitig. Diese Nähe ist oft genauso wertvoll wie das technische Wissen.
Welche Ängste oder Unsicherheiten begegnen Ihnen bei Seniorinnen und Senioren besonders häufig?
Die Angst, etwas falsch zu machen oder betrogen zu werden, ist groß. Themen wie SPID, Bürgerkarte oder Onlineformulare wirken oft überfordernd. Viele vermissen die Übersichtlichkeit der analogen Welt.
Und was passiert, wenn die erste „Schwellenangst“ überwunden ist?
Dann ist die Erleichterung spürbar. Ein gelungener Videoanruf oder eine gelöste Aufgabe gibt Mut – plötzlich traut man sich mehr zu.
Was bedeutet „digitale Selbstständigkeit“ für Sie – und was hat sie mit Lebensqualität im Alter zu tun?
Sie gibt Sicherheit, stärkt das Selbstwertgefühl und ermöglicht Teilhabe. Man bleibt handlungsfähig und unabhängig – das ist im Alter besonders wichtig.
Und zum Schluss: Was würden Sie anderen Seniorinnen und Senioren sagen, die noch unsicher sind, ob sie sich digital „auf den Weg machen“ sollen?
Einfach anfangen – langsam und mit etwas, das persönlich nützt. Schritt für Schritt. Es geht nicht nur um Technik, sondern um Selbstständigkeit und Lebensfreude.
Infos
Weitere Informationen sowie die aktuellen Termine der landesweiten SOL-Treffen finden Sie unter bildung.kvw.org.

Sonderthema

Künstliche Intelligenz: Ein Kompass für Neuland

Haben Sie heute schon das Wetter auf Ihrem Handy überprüft, sich eine Route zum nächsten Termin anzeigen lassen oder eine E-Mail in Ihren Spam-Ordner verschoben? Falls ja, dann hatten Sie bereits Kontakt mit Künstlicher Intelligenz, kurz KI. Sie ist längst kein Thema aus Science-Fiction-Filmen mehr, sondern ein unsichtbarer Helfer in unserem Alltag. Doch was genau verbirgt sich dahinter und was bedeutet diese Entwicklung für uns in Südtirol?
Foto: NOI Techpark - Marco Parisi
Was ist Künstliche Intelligenz?
Stellen Sie sich vor, Sie bringen einem Kind bei, eine Katze zu erkennen. Sie zeigen ihm unzählige Bilder von Katzen in allen Formen und Farben. Nach einer Weile lernt das Kind, eine Katze selbstständig auf neuen Bildern zu erkennen. Ganz ähnlich funktioniert KI: Computerprogramme werden mit riesigen Mengen an Daten (zum Beispiel Texte, Bilder oder Töne) „trainiert“. Dadurch lernen sie, Muster zu erkennen, Aufgaben zu lösen und sogar eigene Inhalte zu erstellen. KI ist also keine Maschine mit eigenem Bewusstsein, sondern ein hochentwickeltes Werkzeug, das uns Menschen unterstützen kann.
Ein Helfer in vielen Lebenslagen
Die Möglichkeiten, die KI bietet, sind vielfältig und beeindruckend. Sie reichen von kleinen Alltagshilfen bis hin zu lebensverändernden Technologien.
Im Alltag können Programme wie ChatGPT auf Knopfdruck Texte schreiben oder E-Mails formulieren. Übersetzungs-Apps überwinden Sprachbarrieren in Echtzeit. Schon heute können wir der KI Aufgaben wie die Suche nach einer passenden Reise übergeben. Bald wird es wahrscheinlich möglich sein, die gesamte Reiseorganisation – von der Buchung von Zugtickets und Unterkünften bis hin zur Reservierung von Restaurants – einem persönlichen KI-Assistenten zu überlassen.
In der Medizin helfen KI-Systeme dabei, Krankheiten wie Krebs auf Röntgenbildern früher und genauer zu erkennen. Sie können riesige Datenmengen analysieren, um die personalisierte Behandlung von Patientinnen und Patienten zu verbessern – eine enorme Chance für unser Gesundheitswesen.
Große Möglichkeiten bietet KI auch in den Bereichen Landwirtschaft und Tourismus, zwei Eckpfeilern der Südtiroler Wirtschaft. So kann Künstliche Intelligenz dazu beitragen, den Einsatz von Wasser und Pflanzenschutzmitteln zu optimieren. Ein konkretes Beispiel ist das Start-up Naturamon, das mittels KI präzise Feldkarten erstellt, um den Anbau zu verbessern. Im Tourismus stellt das Start-up Mediatize mit seinem Produkt touristinfo.ai sicher, dass Gäste personalisierte Empfehlungen per KI erhalten und Hotspots nicht mehr so überrannt werden.
Aber Achtung!
Wie bei jeder neuen Technologie gibt es auch bei KI Risiken und offene Fragen, mit denen wir uns als Gesellschaft auseinandersetzen müssen.
Da wäre zum einen der Datenschutz: KI-Systeme benötigen viele Daten, um zu lernen. Wer hat Zugriff auf unsere persönlichen Informationen und wie werden sie geschützt? Hier sind klare Regeln entscheidend. Eine wichtige Entwicklung sind neuere KI-Lösungen, die direkt auf dem lokalen Computer oder einem firmeneigenen Server laufen können. Dadurch kann garantiert werden, dass sensible Daten das Unternehmen nicht verlassen. Start-ups wie Volt-IQ entwickeln solche lokalen KI-Lösungen, um Unternehmen zu unterstützen.
Eine Sorge in Bezug auf KI ist auch, dass sie Arbeitsplätze ersetzen könnte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich Berufe verändern werden. Einfache, sich wiederholende Tätigkeiten könnten automatisiert werden, während menschliche Fähigkeiten wie Kreativität, Empathie und kritisches Denken an Bedeutung gewinnen. Lebenslanges Lernen wird dadurch noch wichtiger.
Zu guter Letzt sind Falschinformationen und Betrug ein wichtiges Thema. Mit KI lassen sich täuschend echte Bilder, Videos („Deepfakes“) und sogar Stimmen erstellen. Das macht es schwieriger, zwischen Wahrheit und Fälschung zu unterscheiden und öffnet Betrügern neue Türen. Besonders ältere Menschen geraten ins Visier von Kriminellen, die diese Technik für Phishing-Angriffe oder den bekannten Enkeltrick in neuer Form nutzen. Stellen Sie sich vor, Sie erhalten einen Videoanruf über WhatsApp von Ihrem Enkelkind. Stimme und Gesicht sehen täuschend echt aus, doch in Wahrheit ist der Anruf gefälscht und eine KI fordert Sie auf, dringend Geld zu überweisen. Deshalb ist es umso wichtiger, bei Geldforderungen per Telefon, E-Mail oder Videoanruf grundsätzlich misstrauisch zu sein. Ein einfacher, aber wirksamer Schutz: Rufen Sie die Person immer unter der Ihnen bekannten Nummer selbst zurück, um sich zu vergewissern, dass die Anfrage echt ist.
Der Mensch bleibt im Mittelpunkt
Künstliche Intelligenz ist ein mächtiges Werkzeug, aber eben nur ein Werkzeug. Man kann sie gut mit einem Messer vergleichen: Es kann uns helfen, eine köstliche Mahlzeit zuzubereiten, aber es kann auch gefährlich sein und verletzen. Das Messer selbst ist weder gut noch schlecht. Entscheidend ist, wer es führt und wofür es eingesetzt wird. Genauso verhält es sich mit der KI. Sie kann berechnen, analysieren und erstellen, doch sie hat keine Werte, kein Gewissen und keine Empathie. Die Verantwortung und die Entscheidung, wie wir diese Technologie einsetzen, liegen allein bei uns Menschen. Es geht darum zu lernen, mit diesem Werkzeug sicher umzugehen, es zum Wohl der Gemeinschaft zu nutzen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird.
Anlaufstelle für Unternehmen
KI verantwortungsbewusst und sinnvoll einzusetzen, ist für Einzelpersonen wichtig, aber umso mehr für Unternehmen. Wer konkrete Schritte gehen möchte, um KI im eigenen Betrieb zu nutzen, findet in Südtirols Innovationsviertel, dem NOI Techpark in Bozen, die passende Tür: Der European Digital Innovation Hub – kurz EDIH NOI – ist die zentrale Anlaufstelle für kleine und mittlere Unternehmen rund um Digitalisierung und KI. Er bietet Orientierung und Erstberatung, Zugang zu Laboren, Trainings und Workshops, Hinweise zu Finanzierungsmöglichkeiten und Förderungen – und vernetzt mit Fachleuten vor Ort.
Zur Person
Patrick Ohnewein
leitet im NOI Techpark ein Team von Projektmanagern, das sich der Koordination europäischer Forschungs- und Entwicklungsprojekte in den Bereichen SMART Mobility, SMART Tourism, SMART Energy und SMART Food widmet. Dieses Team verfolgt eine Innovationsstrategie, die auf Open Data, offenen Standards und freier Open-Source-Software basiert.
TEXT: Patrick Ohnewein, NOI Techpark Südtirol/ Alto Adige