KVW Aktuell

Hirtenbrief zum Tag der Solidarität

Sonntag, 19. März 2017
„Kein Mensch ist eine Insel“ – kaum ein Dichterwort bringt, wie dieses von John Donne, den Sinn der Solidarität auf den Punkt. Niemand lebt einfach für sich allein, sondern jeder Mensch ist Teil eines Ganzen und für dieses Ganze bedeutsam und wichtig. Das Schicksal jedes einzelnen Menschen, auch des letzten und unbedeutendsten, betrifft auch alle anderen. Solidarität ist kein vages Mitgefühl, sondern die Tatsache, dass wir füreinander verantwortlich sind.
Eindrucksvoll bringt Jesus diese Wahrheit in seiner bildkräftigen Beschreibung des Letzten Gerichts zum Ausdruck. Er identifiziert sich mit den Hungernden und Leidenden, den Obdachlosen, Gefangenen und Flüchtlingen: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Die Verantwortung der Menschen füreinander ist für Jesus gleichbedeutend mit der Verantwortung der Menschen vor Gott. Wenn ich in solidarischer Verantwortung mit meinen Mitmenschen verbunden bleibe, dann bleibe ich auch mit Gott verbunden. Gott selbst hat uns im Kreuz Jesu seine tiefste und letzte Solidarität gezeigt und uns damit den Weg in sein Reich der Liebe aufgezeigt.
Die Solidarität war auch der Weg von Josef Mayr-Nusser: vom schlichten Dienst an den Armen und an der Jugend bis hin zum äußersten Zeugnis im Martyrium. Dieser Weg endete nicht am Bahnhof von Erlangen: er führte mitten hinein in die rettende Liebe Gottes. Wir dürfen heuer den diözesanen Tag der Solidarität am dritten Fastensonntag in dankbarer Freude über die Seligsprechung von Josef Mayr-Nusser begehen. Von seinem Lebenszeugnis her gewinnt das Gebot der Nächstenliebe, der Solidarität, plastisch Form. Sein Lebenszeugnis ermutigt uns, Verantwortung für andere zu übernehmen und mit klaren Worten und Taten für Jesus Christus, den Gott der Liebe, einzustehen.
Lassen wir diese Ermutigung nicht ungehört verhallen. Gerade heute wird uns wieder deutlich, wie nötig unsere Welt Menschen braucht, die mutig, christlich und solidarisch für die Armen und Schwachen eintreten. Wir brauchen Frauen und Männer, die klar und vernehmbar die Stimme erheben: gegen den Missbrauch politischer Institutionen durch menschenfeindliche Ideologien; gegen die Gleichgültigkeit gegenüber den Schicksalen der Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten; gegen die Zerstörung der Umwelt und den Raubbau an Ressourcen. Die Welt braucht Menschen, die mit ihrem Handeln ein Rufezeichen für Gerechtigkeit und Frieden setzen.
Die Patronate des KVW und der ACLI, denen die Kirchensammlung am Tag der Solidarität zukommt, leisten diesbezüglich einen wichtigen Dienst. Sie verkörpern als Institution den Geist der Solidarität in Fragen der Arbeit und des Alltags. Sie tragen dazu bei, dass auch heute die Botschaft von Tod und Auferstehung Jesu, von Gottes Solidarität mit uns, lebendig bleibt. Ihnen und allen anderen kirchlichen und zivilen Organisationen, die sich für eine solidarische Welt einsetzen, danke ich von ganzem Herzen. Gott schenke uns auf die Fürsprache von Josef Mayr-Nusser den Mut, im Alltag seine Zeugen zu sein: mutig, christlich und solidarisch.

Ivo Muser, Bischof

KVW Aktuell

Forumskonferenz 2017

Markante Gestalt mit Zivilcourage
Zum Thema „Josef Mayr-Nusser – Impulse für christliches Handeln heute“ fand am 11. Februar im Pastoralzentrum in Bozen die diesjährige Konferenz des Katholischen Forums statt. Das Forum ist ein Zusammenschluss von 15 Vereinen, Verbänden und Gruppen, welche gemeinsam, auf Grundlage des katholischen Glaubens, Ziele und Visionen vertreten.

Der Vorsitzende des Katholischen Forums, Kurt Egger, betonte in seiner Begrüßung, dass die bevorstehende Seligsprechung von Josef Mayr-Nusser am 18. März im Bozner Dom für Südtirol ein großes diözesanes Ereignis sein wird. Generalvikar Eugen Runggaldier betonte in seinen Grußworten, wie wichtig für Josef Mayr-Nusser die Gewissensbildung war.
Unter dem Titel Josef Mayr-Nusser - aktuelles Vorbild skizzierte Herbert Denicolò wichtige Stationen aus dem Leben des zukünftigen Seligen. Josef Mayr-Nusser wuchs mit fünf Geschwistern in einer tief religiösen Familie auf. Nach dem frühen Tod seines Vaters musste die Mutter ihre sechs Kinder alleine aufziehen. „Sie war es auch, die Josef zutiefst geprägt hat“, formulierte Denicolò. Als Jugendführer rief er die Jugendlichen zu Opferbereitschaft auf und prägte den Satz: „Führen ist schwieriger als geführt zu werden“.
Anschließend warf der Historiker Leopold Steurer die Frage auf, worin heute die Aktualität der Arbeit von Josef Mayr-Nusser liege. „Er hat, assistiert von Freunden wie Josef Ferrari, die politischen Schlagworte seiner Zeit kritisch analysiert, deren Gefährlichkeit frühzeitig erkannt und dagegen mit Zivilcourage Stellung bezogen“, beschrieb Steurer die Leistung von Josef Mayr-Nusser. „Wäre es heute nicht genauso wichtig, die tagtäglich auf uns einprasselnden Botschaften und Schlagworte kritisch zu hinterfragen, anstatt sie ungefragt zu glauben und unser Handeln davon bestimmen zu lassen?“, resümierte Leopold Steurer.
„Das Gewissen als Richtschnur des Handelns erfordert moralische Eigenständigkeit und die muss lebenslang sorgfältig aufgebaut werden“, betonte Reinhard Feichter. Feichter beleuchtete in seinem Referat den Bezug von Josef Mayr-Nusser zu unserem heutigen christlichen Leben und stellte fest, dass es zivilen Mut und Herzensbildung, mit anderen Worten Zivilcourage, für den Zugang zum eigenen Gewissen braucht.
Bischof Ivo Muser, der den Anwesenden am Nachmittag einen Besuch abstattete, charakterisierte die markante Gestalt Josef Mayr-Nussers mit folgenden Worten: „Er hat sein Christsein eingeübt, in der Familie, mit Freunden, in der Jugendarbeit, durch Lektüre, mit der er sich auseinandergesetzt hat. Josef Mayr-Nusser war hellhöriger und sensibler als viele seiner Zeitgenossen.“ Der Bischof betonte weiter: „Es liegt an uns, dass wir seine Gestalt ins Heute hineinversetzen. Das ist anspruchsvoll, aber höchst aktuell.“
Im Anschluss überlegten die anwesenden Mitglieder in moderierten Kleingruppen, welche konkreten Impulse sie für die Umsetzung des Welt- und Menschenbildes von Josef Mayr-Nusser in den eigenen Verbänden setzen können. Nach der Vorstellung der diözesanen Homepage zu Josef Mayr-Nusser durch den Leiter des Seelsorgeamtes Reinhard Demetz fand die Forumskonferenz mit einer gemeinsamen Andacht ihren besinnlichen Abschluss.