Christiane Hosemann bei einer Entspannungsrunde. Im März 2017 beginnt mit ihr eine zertifizierte Ausbildung in Brixen.
Sie haben vor rund 20 Jahren mit den Entspannungskursen für Kinder begonnen. Welches Ziel hatten Sie damals vor Augen? Was hat sich in der Zwischenzeit geändert?
Hosemann: Als eine der Pionierinnen der Entspannungspädagogik mit Kindern wurde ich zu Beginn meiner Tätigkeit oft belächelt: Brauchen Kinder gezielte Entspannungsangebote? Das Wort „Stress“ existierte im Zusammenhang mit Kindern kaum! Mittlerweile sind professionelle Entspannungsangebote für Kinder und Familien Standard in vielen Therapie- und Präventionsansätzen und pädagogischen Konzepten. Viele Studien belegen: immer öfter leiden schon Kinder unter stressbedingten körperlichen oder psychischen Symptomatiken wie Bauchschmerzen, Schlafstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Die dramatisch gestiegene Zahl der an Kinder verabreichten Psychopharmaka bezeugt dies auf schockierende Weise. Kinder sehe ich als Seismografen unserer Zeit: Sie machen deutlich, dass regelmäßige Ruhephasen notwendig sind, um die Reizflut des Alltags und die Anforderungen eines anspruchsvollen Schultags positiv bewältigen zu können. Die Entspannungspädagogik bietet hierzu kreative professionelle und praxistaugliche Ansätze, um Kindern angemessene Selbstfürsorge- und Stressbewältigungskompetenzen zu vermitteln.
Wie reagieren Kinder auf angeleitete Entspannung? Was lernen Kinder bei der Entspannungspädagogik?
Hosemann: Einige Kinder sind sehr offen und können sich leicht einlassen, anderen fällt dies schwerer oder sie reagieren sogar ablehnend. Entspannung hat bei Kindern oft kein besonders gutes Image. Es fehlen positive Erfahrungen mit Ruhe und Stille, vielleicht haben sie schon gehört: „sei endlich still“. Oft staunen die Kinder, wie freudvoll, lebendig und kreativ Entspannung sein kann. Hierzu bedienen sich EntspannungspädagogInnen einer breiten Palette von senso-motorischen, kognitiven und imaginativen Verfahren. Viele Kinder fühlen sich angesichts verschiedener Stressbelastungen hilflos und wissen nicht, dass sie selbst etwas gegen die negativen Gefühle und Körperempfindungen bei Stress tun können.
In unserem Programmangebot ist das Thema Lernen ein zentrales Thema. Seit mehreren Jahren bilden wir Lerncoachs aus. Was hat Entspannung mit Lernen zu tun?
Hosemann: Gelingendes Lernen benötigt gute körperliche, emotionale und mentale Bedingungen. Stress wirkt sich darauf als Lern-Killer Nummer eins aus! Für Lerncoaches bietet die Entspannungspädagogik wunderbare Methoden, um gute Lernbedingungen zu fördern, stressbedingte Blockaden zu lösen und das Training aufzulockern. Zudem ermöglicht sie auch die Ausweitung auf zusätzliche Kursangebote, die für Kinder und Familien sehr attraktiv sind und vielfältige Synergie-Effekte ermöglichen können.
Was erwartet die TeilnehmerInnen der Ausbildung?
Hosemann: Es erwartet sie ein langjährig erfolgreiches, stark praxisorientiertes Konzept mit positivem Entwicklungspotenzial. Sie erhalten umfangreiches Wissen und Handwerkszeug um Angebote der Entspannungspädagogik für Kinder ab vier Jahren zu entwickeln und anzuleiten. Die Ausbildungsgruppe entwickelt, erprobt und evaluiert ein eigenes Kurs-Angebot. Am Ende nimmt jede/r ein fertig ausgearbeitetes Kurskonzept mit nach Hause und auch die Erfahrung: Entspannung macht Spaß! Umfangreiches Begleitmaterial ermöglicht die Umsetzung im eigenen Praxisumfeld. Die Ausbildung zertifiziert sie zudem als KursleiterIn für Progressive Muskelentspannung für Kinder und beinhaltet die Trainerlizenz für das Kinder-Kurs-Konzept: „Traumzeiten – Kinder-leicht Entspannungsprofi werden“. So besitzen EntspannungspädagogInnen eine gefragte Zusatzqualifikation mit vielfältigen Möglichkeiten zur selbstständigen Tätigkeit. Als wissenschaftliche Begleitung steht die Hochschule Darmstadt im Hintergrund. Vielleicht das Schönste dabei: Sie gestalten positive Erfahrungsräume für Kinder. Ich freue mich schon sehr darauf, dies mit den TeilnehmerInnen aus Südtirol zu erleben!