Thema

Traum von einem Europa, ...

... das fähig ist, noch Mutter zu sein: eine Mutter, die Leben hat, weil sie das Leben achtet und Hoffnung für das Leben bietet.

... das sich um das Kind kümmert, das dem Armen brüderlich beisteht und ebenso dem, der Aufnahme suchend kommt, weil er nichts mehr hat und um Hilfe bittet.

... das die Kranken und die alten Menschen anhört und ihnen Wertschätzung entgegenbringt, auf dass sie nicht zu unproduktiven Abfallsgegenständen herabgesetzt werden.

... in dem das Migrantsein kein Verbrechen ist, sondern vielmehr eine Einladung zu einem größeren Einsatz mit der Würde der ganzen menschlichen Person.

... wo die jungen Menschen die reine Luft der Ehrlichkeit atmen, wo sie die Schönheit der Kultur und eines einfachen Lebens lieben, die nicht von den endlosen Bedürfnissen des Konsumismus beschmutzt ist; wo das Heiraten und der Kinderwunsch eine Verantwortung wie eine große Freude sind und kein Problem darstellen, weil es an einer hinreichend stabilen Arbeit fehlt.

Ich träume von einem Europa der Familien mit einer echt wirksamen Politik, die mehr in die Gesichter als auf die Zahlen blickt und mehr auf die Geburt von Kindern als auf die Vermehrung der Güter achtet.

Ich träume von einem Europa, das die Rechte des Einzelnen fördert und schützt, ohne die Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft außer Acht zu lassen.
... von dem man nicht sagen kann, dass sein Einsatz für die Menschenrechte an letzter Stelle seiner Visionen stand.

Kommentar

Verfassungsreform

Der Ball liegt bei den Bürgern
Die Reform gilt als wichtigste Verfassungsänderung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Bevor sie in Kraft treten kann, muss sie durch ein Referendum im Herbst bestätigt werden. Ziel ist es, die Zuständigkeiten der zweiten Parlamentskammer - des Senats - stark zu beschränken. Bisher waren beide Parlamentskammern gleichberechtigt und blockierten sich oft gegenseitig. Dadurch sollen die Gesetzgebung beschleunigt und das politische System stabilisiert werden. Nun liegt es am Bürger sich damit auseinanderzusetzen.

Francesco Palermo, Jurist und Institutsleiter für Föderalismus- und Regionalismusfoschung an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC)Francesco Palermo, Jurist und Institutsleiter für Föderalismus- und Regionalismusfoschung an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC)

Italien kann im Herbst im bestätigenden Referendum die umfangreichste Verfassungsreform seit Beginn der Republik besiegeln. Kein vorhergehender verfassungsändernder Gesetzentwurf hat nämlich so viele Aspekte und Artikel revidiert und die Regierungsform so grundlegend verändert.
Kernpunkt dabei ist der Senat, der sich bisher in seinen Kompetenzen kaum von der Abgeordnetenkammer unterscheidet. Dieses perfekte Zweikammersystem ist unzeitgemäß, es macht den Entscheidungsprozess langsam und schwerfällig und der jahrelange Wunsch nach einer Reform ist nachvollziehbar.
Nur mehr 100 Senatoren
Der neue Senat soll sich aus 100 statt der bisherigen 315 Senatoren zusammensetzen, nämlich aus 74 Regionalräten, 21 Bürgermeistern (einem pro Region bzw. autonomer Provinz) und fünf Persönlichkeiten, die vom Staatspräsidenten für herausragende Leistungen für sieben Jahre zu Senatoren ernannt werden. Südtirol soll zwei Senatoren entsenden, und zwar einen Landtagsabgeordneten und einen Bürgermeister, wobei diese unterschiedlichen Sprachgruppen angehören müssen. Somit ist Südtirol im Senat verhältnismäßig stärker repräsentiert als bisher.
Prüfende Funktion für Senat
Der Senat soll prüfende und kaum gesetzgeberische Funktionen haben. Er soll die Arbeit der öffentlichen Verwaltung, die Umsetzung der Staatsgesetze und die Auswirkungen der EU-Gesetze beobachten und als Brücke zwischen Staat und Regionen fungieren. Auch an Verfassungsänderungen und an der Ratifizierung europäischer primärrechtlicher Verträge soll sich der Senat in Zukunft beteiligen. Während der CNEL (Nationalrat für Wirtschaft und Arbeit) abgeschafft wird und die normalen Provinzen nicht mehr in der Verfassung verankert sind, werden die Gesetzgebungskompetenzen der Regionen stark reduziert. Einzig die konsolidierten Autonomien, die zum Teil auch international verankert sind, etwa die autonomen Provinzen Bozen und Trient und die Regionen mit Sonderstatut, sind von der Reform ausgeschlossen und werden ihre Zuständigkeiten behalten bzw. sogar weiter ausbauen können.
Hoffnungen und Mängel
Neben den Hoffnungen auf Vereinfachung, Effizienz und finanzielle Entlastung gibt es aber auch Mängel, die vor allem die Regionen mit Normalstatut schwächen. Statt die Regionen und lokalen Körperschaften als politisch relevantes Gegengewicht anzusehen, konzentriert sich die Entscheidungsmacht in Zukunft auf die Regierung und die Abgeordnetenkammer. Die Hauptkritik übten die Gegner an der Wählbarkeit der Senatoren, die größten Einschnitte erfährt der Senat jedoch durch seine reduzierten Zuständigkeiten. Die entscheidende Frage, ob der Senat eine politische oder eine territoriale Vertretung sein soll, wurde nie genügend behandelt. Die ausbleibende Antwort auf diese Frage und die fehlende Diskussion über die Form des Senats werden dazu führen, dass der Senat zu einer zweitrangigen Kammer statt zu einer ernstgenommenen Zweitkammer wird. Kritisch ist auch, dass erstmals die Regierung selbst den verfassungsändernden Gesetzentwurf eingebracht hat und das Parlament meist eine reine Ratifizierungsfunktion durch die Mehrheitsstimmen und ohne Einbeziehung der Opposition übernommen hat.
Ja oder Nein
Jetzt liegt es am Bürger, sich an der Auseinandersetzung mit dem Thema zu beteiligen und die demokratische Chance des Referendums zu nutzen und die positiven Aspekte des effizienteren Entscheidungssystems mit den Mängeln der Reform abzuwägen. In einem Referendum, bei dem es nur um Ja oder Nein geht und keine Nuancierung möglich ist, ist diese Abwägung nicht einfach und subjektiv.
Referendum
Anfang Oktober findet ein Referendum zur Verfassungsreform statt. Die Reform tritt in Kraft, wenn sie die Zustimmung der Mehrheit aller gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat. Mit der Reform würde das geltende System aus zwei gleichberechtigten Parlamentskammern abgeschafft. Der neue Senat soll nur mehr aus 100 Mitgliedern bestehen statt wie bisher aus 315.
95 der künftigen 100 Senatoren sollen Vertreter der Regionen bzw. Bürgermeister von Großstädten sein. Südtirol soll zwei Senatoren entsenden.

Text: Francesco Palermo