Nachhaltigkeit

Bio in Südtirol

Was ist Bio? Und wieviel davon gibt es in Südtirol?
Bio ist mehr als ein Trend, es ist ein Lebensgefühl. Immer mehr Menschen entscheiden sich für den Griff zu ökologisch produzierten Lebensmitteln. Auch in Südtirol steigt die Nachfrage kontinuierlich. Hier ein kleiner Wegweiser durch Südtirols Biowelt.

Bio-Kunden zeichnen sich durch eine ausgeprägte Werteorientierung aus: Regionalität, Nachhaltigkeit, artgerechte Tierhaltung und die Ablehnung von chemischem Pflanzenschutz und Agro-Gentechnik gehören zu den häufigst genannten Ansprüchen. Foto: Leonhard WellenzohnBio-Kunden zeichnen sich durch eine ausgeprägte Werteorientierung aus: Regionalität, Nachhaltigkeit, artgerechte Tierhaltung und die Ablehnung von chemischem Pflanzenschutz und Agro-Gentechnik gehören zu den häufigst genannten Ansprüchen. Foto: Leonhard WellenzohnKroline TerlethKroline Terleth

Biologische Produkte, die aus der Landwirtschaft stammen, sind biologisch zertifiziert. Das ist auf EU-Ebene per Gesetz geregelt. Ob die Vorschriften der EU-Bioverordnung eingehalten werden wird von unabhängigen Kontrollstellen regelmäßig kontrolliert. Somit muss jeder, der seine Produkte bzw. seinen Betrieb als „biologisch“ bezeichnen will, ein Biozertifikat vorweisen. Alle Zertifikate der in Italien zertifizierten Betriebe sind online über www.sinab.it abrufbar. Zusätzlich zur gesetzlichen Ebene können sich die Betriebe bei einem Bioverband einschreiben. In Südtirol gibt es zum Beispiel den „Bund alternativer Anbauer“, „Demeter“, sowie „Bioland“. Die Verbände haben im Laufe der Jahre Regelungen entwickelt, welche strenger als die EU-Bioverordnung sind und diese ergänzen. In den Details gibt es leichte Unterschiede zwischen den einzelnen Verbänden. Doch der gemeinsame Konsens ist ökologische Produktion, Tierwohl und so natürlich wie mögliche Produkte herzustellen. So wird zum Beispiel in der pflanzlichen Produktion auf Herbizide, sogenannte Unkrautvertilgungsmittel, verzichtet. Stattdessen wird beweidet, gemäht oder anderweitig mechanisch gearbeitet ohne die Bodenflora und –fauna chemisch zu beeinflussen. In der tierischen Produktion wird sehr darauf geachtet, dass die Tiere frische Luft und Sonnenlicht genießen dürfen. Außerdem wird nur zertifiziertes Biofuttermittel – bevorzugt vom eigenen Betrieb – gefüttert. Der größte Bioverband Südtirols ist mit rund 550 Mitgliedern Bioland. Der Verbandssitz ist in Terlan und die regelmäßigen Aktivitäten sind auf der Homepage www.bioland-suedtirol.it einsehbar. Die fünf Bioland Mitarbeiter sind vor allem in der Umstellungsberatung, Öffentlichkeitsarbeit und in der politischen Vertretung des Biolandbaus in Südtirol aktiv.


Nachfrage nach Bio steigt


Betrachten wir die Zahlen der landwirtschaftlichen Flächen, auf denen biologisch gewirtschaftet wird, schneidet Südtirol im Gegensatz zu seinen Nachbarn nicht so gut ab (siehe Tabelle), es gibt noch Potential nach oben: Hierzulande sind zurzeit nur knapp 2,5 Prozent biologisch. Tendenz zwar steigend, aber die Entwicklung geht nur schleppend voran. In Bayern sind es knapp 7 Prozent, und die Politik hat sich das optimistische Ziel gesetzt bis 2020 rund 20 Prozent Bio erreicht zu haben. Bleibt zu hoffen, dass sich die hiesige Politik davon inspirieren lässt. Die steigende Nachfrage nach Bio-Produkten bei den Verbrauchern würde dies sehr begrüßen.



Wer sich frägt, was die Biobranche in Südtirol zu bieten hat, der schaut am besten ins brandneue Internetportal www.bioinsuedtirol.it. Hier findet der ökologisch orientierte Konsument alles, was sein Herz begehrt, mit nur wenigen Klicks. Man kann nicht nur nach Biobauernhöfen, sondern auch nach Biohotels, Biofachgeschäften, Biobäckern und Bioerlebnissen suchen. Oder man klickt direkt das gesuchte Bioprodukt, z.B. Biokosmetik an. Wer will, kann auch noch die Zone, in der er lebt, oder die er besuchen möchte, eingrenzen – oder er sucht in ganz Südtirol. Die Seite ist im Aufbau und wird wöchentlich um weitere Bioangebote ergänzt. Wer sich nicht so gern im Internet aufhält und lieber ein Buch zur Hand nimmt, wird ab Ende April im Buchhandel den Bioreiseführer vom Folio Verlag finden: Alles bio! Südtirol. Einkaufen, übernachten, genießen.


Ist Bio gesünder?


Sind Bio-Lebensmittel gesünder? Ja! Denn sie enthalten weniger Schwermetalle und mehr Antioxidantien. Dies ist das eindeutige Ergebnis einer Metastudie der Universität Newcastle (2014). Dabei haben die Wissenschaftler 343 verschiedene Studien ausgewertet und die Inhaltsstoffe von biologisch und konventionell angebauten Feldfrüchten verglichen. Mit Bio leben die Menschen somit gesünder. Der Kauf von Biolebensmitteln hat aber nicht nur einen gesundheitlichen Nutzen, sondern auch einen Vorteil für die Umwelt (siehe unten).
Die wesentlichen Unterschiede: Die englische Studie belegt, dass die Konzentration an Antioxidantien wie Polyphenolen in biologisch angebauten Kulturen 18 bis 69 Prozent höher ist als in konventionell erzeugten. Je dichter der Nährstoff- und Antioxidantiengehalt, desto mehr zählt jeder Bissen Obst und Gemüse, ohne dabei mehr Kalorien zu sich nehmen zu müssen. Antioxidantien schützen vor freien Radikalen, die Körperzellen angreifen. Diese Stoffe sind also sehr nützlich, da sie einen Schutz gegen zahlreiche Beschwerden bieten: Herz-Kreislauf-Krankheiten, neurodegenerativen Krankheiten, sowie einige Formen von Krebs.
Biolebensmittel bieten aber noch weitere Vorteile für die Gesundheit:

- 48 Prozent weniger Kadmium (giftiges Schwermetall)
- 10 Prozent weniger Gesamtstickstoff
- 30 Prozent weniger Nitrat
- 87 Prozent weniger Nitrit

Zudem bestätigt die Studie die viel geringeren Pestizidrückstände bei Bioprodukten.
Die Ergebnisse widersprechen einer 2009 von der UK Food Standards Agency (FSA) in Auftrag gegebenen Studie, die festgestellt hat, dass es keinen signifikanten ernährungsphysiologischen Nutzen durch biologische Lebensmittel gäbe. Diese Schlussfolgerung gründete jedoch auf nur 46 Publikationen zu Nutzpflanzen, Fleisch und Milchprodukten, während die jetzt publizierte Meta-Analyse auf 343 wissenschaftlich begutachteten Publikationen von allen Kontinenten rund um den Globus basiert. Unter anderem waren darunter auch zahlreiche Studien zu Äpfeln und Weintrauben, auch aus Italien.
Warum sind ökologische Anbauarten für die Umwelt von Vorteil?
Das erklären unter anderem zum Beispiel die Untersuchungen der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung der Provinz Bozen: Etwa 40 Prozent der gefährdeten Arten Südtirols werden durch die intensive Bewirtschaftung (Monokulturen, Düngung, Entwässerung, Pestizide) verdrängt. Dazu kommen die Gefährdungsursachen Wasserverschmutzung und Einengung ihrer Lebensräume, durch Verbauung und Verkehrserschließung. Als erforderliche Schutzmaßnahmen, um das Überleben vieler gefährdeter Arten zu sichern, fordern die Wissenschaftler Extensivierungsmaßnahmen in der Landwirtschaft und die Gestaltung ökologischer Ausgleichsflächen. Ein erster Schritt, um die Biodiversität zu erhalten, ist der Verzicht auf Herbizide, chemisch-synthetische Pestizide und anorganische Düngemittel. Weiters bilden eine schonende Bodenpflege, Humusaufbau durch geringe und rein organische Dünger, und Gewässerschutz die Basis, um natürliche Kreisläufe, Nahrungsketten und die Nachhaltigkeit eines Betriebes zu erhalten. All das wird auf Biobetrieben berücksichtigt!


Bio ist auch Umweltschutz


Eine weitere Möglichkeit zum Erhalt einer reichen biologischen Vielfalt ist die Realisierung von sogenannten Wildniszonen, wo je nach Standorteigenschaften Trocken- oder Feuchtbiotope eine Nische für gefährdete Arten bilden können. Unverzichtbar sind hierbei aber Korridore, die diese Kleinstbiotope vernetzen, damit sie auch von nicht fliegenden Tieren erreicht werden können. Hecken, Wildblumenstreifen, Trockenmauern und natürliche oberirdische Gewässer können solche „Korridore des Lebens“ bilden. Allerdings muss stets darauf geachtet werden, dass diese Lebensadern nicht mit Pestiziden oder anderen chemischen Stoffen verunreinigt werden.
Die oberirdische Artenvielfalt wirkt sich im Laufe der Zeit auf die unterirdische Biodiversität, und somit auch auf die langfristige Bodenfruchtbarkeit aus. Die Studie SoilDiv (2011-2013) des EURAC-Instituts für Alpine Umwelt und des Instituts für Ökologie der Universität Innsbruck zu diesem Thema hat gezeigt, dass die Südtiroler Böden von biologisch bewirtschafteten Anlagen doppelt so viele Bodentiere beheimaten können wie die Böden konventionell bearbeiteter Flächen. Biodiversität bedeutet demnach nicht nur eine Vielfalt an Arten, sondern auch eine Ökosystemvielfalt und eine Vielfalt der ökologischen Prozesse. Und diese sind erhaltenswert, denn sie sind die Grundlage der Landwirtschaft.
Somit unterstützt jeder Bio-Konsument nicht nur sein eigenes gutes Gewissen, sondern vor allem die Produzenten, ihre Tiere und ihre Böden. Nicht der Verbraucherschutz alleine sollte im Vordergrund stehen, wenn man zum Bioprodukt greift, sondern vor allem der Produzentenschutz!
Bioanbau
Land / Region Anteil Biofläche (%) Quellen
Südtirol 2,4 Astat, Agrar- und Forstbericht 2013
Tirol 18 Grüner Bericht 2014;
Österreich 19 Grüner Bericht 2014
Schweiz 12,2 Stab-Tab (2013), Bundesamt für Statistik
Graubünden 59 Stab-Tab (2013), Bundesamt für Statistik
Italien 10,2 Bio in cifre 2014 (sinab.it), ISTAT
Provinz Trient 4,3 Bio in cifre 2014 (sinab.it), ISTAT
Bayern 6,7 Agrarbericht 2014

Thema

Regionalflughafen Bozen

Welche Zukunft wollen wir für Südtirol?
Der Regionalflughafen Bozen ist auch für den KVW ein vieldiskutiertes Thema. Im Sinne unseres Jahresthemas wollen wir uns die sozialen „Baustellen“ unseres Landes genau anschauen und uns konstruktiv einbringen.

Werner SteinerWerner Steiner

Beim Ausbau des Regionalflughafens Bozen geht es um die Frage: Wie ist die Position eines Sozialverbandes in dieser Angelegenheit? Welche Zukunft wollen wir für unser Land?
Wir werben mit einer schönen Landschaft, mit sanftem Tourismus, Wellness, Achtsamkeit, Entschleunigung – alles nur leere Worte?
Wollen wir Touristen, die nach Bozen kommen, dort übernachten, schnell eine Dolomitenrundfahrt machen, schnell ein Museum besichtigen und dann zum nächsten Zielort weiterfliegen? Wollen wir, dass unsere Steuergelder weiter in den Flughafen investiert werden? Wenn ja, wie schaut es mit dem Allgemeinnutzen, mit der Verbesserung für die Bevölkerung aus? Auch Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika „Laudato sì“ klare Worte zum Umgang mit unserer Umwelt geschrieben.
Bereits in den ersten Gesprächen bei KVW Sitzungen zeigte es sich, dass die Meinungen kontrastieren und ein gemeinsamer Nenner nicht absehbar ist. Die Erreichbarkeit unseres Landes als Urlaubsdestination, die Zusatzbelastung der Umwelt, Schaffung von Arbeitsplätzen und die Sinnlosigkeit einer weiteren finanziellen Unterstützung durch die öffentliche Hand sind nur einige der Aspekte, die in den Besprechungen und Sitzungen angeführt wurden.
Seit dem Jahre 1994 wird vom Ausbau des Flughafens in Bozen gesprochen. 1997 gab es eine erste Unterschriftenaktion mit rund 35.000 Unterschriften gegen den Flughafen. Das primäre Ziel war es damals, den Lärm der Militärmaschinen in Griff zu bekommen und deswegen einen Zivilflughafen aufzubauen. 3,5 Flugbewegungen täglich galten damals als rentabel. 2009 folgte eine weitere Volksabstimmung mit 113.674 Gegenstimmen, 26.739 waren dafür. Das Quorum wurde verfehlt und die Volksabstimmung war nicht gültig. Es folgte eine Mediation und der damalige Landeshauptmann Durnwalder versprach: „Eine Anpassung des Flughafens wird nur durchgeführt, wenn sie die Situation der Bürger nicht verschlechtert, sie mittel- oder langfristig sogar verbessert.“ Drei Fluggesellschaften haben es in der Zwischenzeit versucht und sind kläglich gescheitert.
Am 12. Juni steht die Volksbefragung zum Regionalflughafen Bozen an. Im Gesetzesentwurf, über den abgestimmt wird, geht es um die Ziele und Grenzen der Entwicklung des Flughafens. Der Flughafen soll funktionieren wenn jährlich 170.000 Passagiere ab dem Jahr 2022 den Regionalflughafen benutzen.
Um diese Ziele zu erreichen muss die Start- und Landebahn verlängert werden, damit auch größere Flugzeuge mit 150 Passagieren in Bozen landen können. Befürworter unterstreichen weiters den volkswirtschaftlichen Nutzen bei 170.000 Passagieren und einem zusätzlichen Bruttoinlandsprodukt von 14,5 Millionen Euro. Zudem werden 200 neue Arbeitsplätze geschaffen. Jeder Gast gibt durchschnittlich 170 Euro pro Tag aus, was zu entsprechenden Hochrechnungen ermutigt.
Sollte das Nein gewinnen, wird das genehmigte Ausbauprojekt zur Verlängerung der Start- und Landebahn nicht umgesetzt und es werden keine weiteren finanziellen Mittel von Seiten des Landes für den Flughafen bereit gestellt. Das Land wird aus der Betreibergesellschaft ABD aussteigen und die Konzession für den Betrieb des Flughafens wird an die Nationale Luftfahrtbehörde ENAC zurückfallen. Das Land hat dann kein Mitspracherecht mehr. Man verspricht, sich auch weiterhin für die Bürger im Einzugsgebiet des Flughafens einzusetzen – ohne Mitspracherecht wird das aber nur erschwert möglich sein.
Insgesamt gab es in den KVW Gremien einen kritischen und konstruktiven Dialog. Die ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter haben gezeigt, dass es schon ein Anliegen ist, die Zukunft unseres Landes aktiv mitzugestalten.
Ich rufe auf, sich an der Volksbefragung zu beteiligen und die angeführten Überlegungen bei der Stimmabgabe zu berücksichtigen.
Text: Werner Steiner