Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser


Ingeburg Gurndin
Ingeburg Gurndin


Vor einem Jahr wurden italienweit eine Million und 182.413 Unterschriften gegen Kürzungen beim Patronatsfonds gesammelt. Auch das Patronat KVW-ACLI hat sich an der Unterschriftensammlung aktiv beteiligt. Die Finanzierung der Patronate über den Patronatsfonds ist in Italien seit vielen Jahrzehnten so geregelt. Dafür kann sich jeder Hilfesuchende an ein Patronat wenden, die Dienste sind kostenlos. In Südtirol war es dem KVW stets ein Anliegen, dass die Dienste nicht nur zentral angeboten werden, sondern in den Bezirken und somit möglichst nahe am Bürger.
Durch das Stabilitätsgesetz der Regierung Renzi, das die Kürzungen vorsieht, wird jahrelange Aufbauarbeit leichtsinnig aufs Spiel gesetzt. Ohne Finanzierung wird das Patronat seine Dienste nicht mehr im Territorium und für alle kostenlos anbieten können.
Der heurige Tag der Solidarität, der am 28. Februar in der Diözese begangen wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung des Patronats, seiner kostenlosen Dienste und seiner territorialen Verankerung zu betonen.
Ohne den technischen Fortschritt und seine Möglichkeiten der digitalen Verwaltung außer Acht zu lassen, wird es doch so sein, dass nicht alle Bürgerinnen und Bürger da mithalten können. Für all jene, denen diese Entwicklung zu schnell geht oder die - auch aus anderen Gründen - da nicht mithalten können, wird es die Beratungen und die Hilfestellung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Patronaten brauchen.



KVW Soziales

Auf der Seite der Hilfesuchenden

Kürzungen im Patronat stellen eine Einschränkung der Bürgerrechte dar
Nachdem der KVW 1948 gegründet wurde, war die Errichtung des Patronats KVW-ACLI eines der ersten Anliegen. Seither wurde viel Aufbauarbeit geleistet, das Patronat bietet die Dienste südtirolweit in acht Büros an und ist somit stets nah am Hilfesuchenden.

Das Stabilitätsgesetz sieht weitere Kürzungen beim Patronatsfonds vorDas Stabilitätsgesetz sieht weitere Kürzungen beim Patronatsfonds vor

Die Nachrichten aus Rom sprechen eine deutliche Sprache: die Patronate werden mit großen Veränderungen konfrontiert. Die gewaltigen finanziellen Kürzungen stellen auch das gemeinsame Patronat von KVW und ACLI in Südtirol vor große Herausforderungen. Wertvolle Aufbauarbeit wird leichtfertig und stillschweigend aufs Spiel gesetzt. Manche Neuerungen mögen zwar kurzfristig als vorteilhaft angesehen werden, nicht alle Bürgerinnen und Bürger haben aber dieselben Voraussetzungen. Konkret denke ich an Neuerungen im digitalen Bereich. Sind wir sicher, dass alle Mitbürgerinnen und -bürger diesen neuen Anforderungen gewachsen sind und sich selbst am Computer informieren können?
Kürzungen beim Patronatsfonds

Im vergangenen Jahr wurde der Patronatsfonds um 35 Millionen Euro gekürzt, angedroht war noch eine viel höhere Beschneidung. Mit einer Unterschriftensammlung, an der auch zahlreiche KVW Mitglieder mitgemacht haben, konnte das Schlimmste noch abgewendet werden. Innerhalb kurzer Zeit wurden italienweit mehr als eine Million Unterschriften gesammelt. Doch bereits im heurigen Jahr kommen ähnliche Botschaften aus Rom: es sollen nochmals 15 Millionen Euro gekürzt werden. Die für Südtirol zuständigen Politiker wurden kontaktiert und zeigten Sensibilität. Es ist gelungen eine finanzielle Zuwendung für die Patronate zu erhalten. Den Politkern wurde klar, was eine Beschneidung der Patronate für Auswirkungen haben könnte.
Aber ist es auch uns als KVW Mitglieder richtig bewusst? Ich rufe zunächst die Aufgabe der Patronate in Italien in Erinnerung. Die Patronate wurden gegründet, um Bürgerinnen und Bürger in Fragen der Vor- und Fürsorge zu unterstützen. Zu den Hauptaufgaben eines Patronates zählen Pensionsangelegenheiten, Unterstützungsmaßnahmen bei Arbeitslosigkeit, Familienförderung und Gesundheitsvorsorge. Während aber in anderen Ländern Europas bestimmte Leistungen (z. B. das Kinder- und Familiengeld) automatisch mit der Geburt eines Kindes anlaufen, muss in Italien darum angesucht werden. Das ist nur eine Aufgabe der Patronate, die zu diesem Zweck gegründet wurden und jedem Bürger kostenlos zur Verfügung stehen müssen.
Territoriale Verteilung der Patronate

Der KVW hat schon früh die Bedeutung der Patronate für die Bevölkerung erkannt und in den 50er Jahren mit dem Aufbau von Außenstellen begonnen. Der Verband unterstützte die Arbeit stets sehr großzügig: finanziell und personell. Das heißt im Klartext, dass das Patronat KVW-ACLI jedes Jahr ein nicht unbeachtlicher Beitrag für seine Tätigkeit gegeben wird. Der KVW streckt zum Teil auch die Personalspesen der insgesamt 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor, die er vom Patronat in Rom nach jahrelangen Wartezeiten rückvergütet bekommt. Der KVW hat eine Landesstelle in Bozen und ist auch in den Außenstellen von Meran, Schlanders, Mals, Brixen, Bruneck, Sterzing und Neumarkt vertreten.
Jahrelange Aufbauarbeit schätzen

Ehrenamtliche Soziallotsen unterstützen die Arbeit vor Ort und leisten wertvolle Dienste. Diese Organisation wurde in den vergangenen Jahrzehnten mühevoll aufgebaut. Die Sozialfürsorger vor Ort haben vorbildliche Arbeit geleistet und gar mancher könnte erzählen, wie sich die Sache schon zum Nachteil der Bevölkerung gewendet hat.
Wenn wir nun die Zeichen der Zeit nicht richtig erkennen und uns nicht deutlich zur Wehr setzen wird diese Aufbauarbeit zusehends zerschlagen. Ich sehe meine Aufgabe als Landesvorsitzender im informieren und gemeinsam mit dem Präsidenten des Patronates, Olav Lutz und der Direktorin Elisabeth Scherlin auf Fehlentwicklungen hinzuweisen. Sie als Mitglieder aber ersuche ich, aufmerksam dabei zu sein und uns in dieser Arbeit zu unterstützen. Nur wenn wir an einem Strang ziehen, können wir erfolgreich gegensteuern. Die Arbeit des Patronates muss uns ein zentrales Anliegen in unserer KVW Arbeit bleiben!

Text: Werner Steiner