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Laudato sì

Nur radikales Umdenken kann die Schöpfung Gottes retten
Laudato sì - „Gelobt seist du“ - heißt es im Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi. Laudato sì nennt sich auch die zweite Enzyklika von Papst Franziskus. Die am 18. Juni 2015 in acht Sprachen veröffentlichte Verlautbarung über die Sorge für das gemeinsame Haus befasst sich mit dem Themenbereich Umwelt- und Klimaschutz und setzt Zeichen im Hinblick auf bestehende soziale Ungerechtigkeiten und auf die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. In den internationalen Medien wurde die Enzyklika öfters als Aufruf zu einem weltweiten Umdenken und als Wendemarke in der Kirchengeschichte bezeichnet.

Papst Franziskus hat die erste Umweltentzyklika der Kirchengeschichte veröffentlicht. Mit seinem Lehrschreiben richtet er sich an „alle Menschen guten Willens“. Dabei zitiert er den berühmten Sonnengesang von Franz von Assisi. „Dieser Gesang ist ein Lobpreis auf Gott und seine Schöpfung“, heißt es bei den Franziskanern von Assisi. Der Überlieferung nach hat der heilige Franz das Lob der Schöpfung mit 43 Jahren und bereits von Krankheit gezeichnet in der Kirche von San Damiano geschrieben. Dort soll er in einer Felsengrotte unter einem einfachen Haus gewohnt haben, dem einzigen Raum, in dem es dunkel war und kein Rauch vom Herdfeuer seine empfindlichen Augen erreichte.
Die Erde ist geliehen

Papst Franziskus verfasste einen Text über Gott, seine Schöpfung und die Menschen. Die Erde ist ein gemeinsames Haus und eine Leihgabe Gottes an alle Menschen. Dabei schreibt der Papst, dass nur ein radikales Umdenken die Schöpfung Gottes noch retten kann und spricht klar von DER Sünde. Er meint damit aber nicht nur das Wegwerfen von Lebensmitteln und Plastikmüll, das Verschmutzen von Luft und Wasser, sondern die Sünde schlechthin. Der Mensch hat die Harmonie zwischen Schöpfer, der Menschheit und der gesamten Schöpfung bereits zerstört „durch Anmaßung, den Platz Gottes einzunehmen, da wir uns geweigert haben anzuerkennen, dass wir begrenzte Geschöpfe sind“. Insgesamt ermutigt uns der Papst aber, bewusster zu leben und sich politisch dafür einzusetzen, dass das gemeinsame Haus Erde für alle Geschöpfe bewohnbar wird.
Einsatz für die Menschen

Auch wir als Menschen im KVW sind gefordert. Nicht umsonst zählen wir es zu unseren Hauptaufgaben, uns für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Dabei geht es nicht nur um einen reinen Einsatz für die Umwelt, sondern im Sinne des Papstes sind wir gefordert uns wieder mehr für den Menschen einzusetzen. Wir sind zwar schon durch die Bibel aufgefordert, uns der Pflanzen- und Tierwelt zu bedienen, doch unsere menschliche Macht hat Grenzen. Es entspricht nicht der Würde des Menschen, Tiere leiden zu lassen. Machen wir nicht den Fehler der Politik, die in den vergangenen Jahren sich immer weiter von den Menschen entfernt hat und oft nur mehr einen reinen Selbstzweck erfüllt. Es geht vielfach nur mehr um undurchsichtige Gesetzeslagen und Lobbyismus. Dabei wäre es die erste Aufgabe einer guten Politik sich für die Menschen und das Allgemeinwohl einzusetzen.
Egoismus contra Solidarität

Der Egoismus des Einzelnen scheint in unserer Welt zentrales Anliegen zu sein. Dieser Egoismus findet auch in unseren Reihen Ausdruck, wenn wir in unserem Tun uns nicht mehr vordergründig von den Prinzipien der christlichen Soziallehre leiten lassen. Als Beispiel möchte ich unseren Einsatz für eine solidarische Gemeinschaft anführen. Diesen streichen wir immer wieder heraus, wenn wir aber in die Situation kommen, diese Solidarität bewusst zu leben, verlieren gar einige recht schnell das richtige Maß. Im Vertrauen „Bedürfnisse einzuschränken, die uns betäuben, um so ansprechbar zu bleiben für die vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet“ können wir im KVW Menschen in diesem Anliegen bestärken und das Verbindende in unserem Verband verdeutlichen durch einen aktiven Einsatz „für eine soziales Südtirol“.
„Wenn jemand den Ruf Gottes erkennt, gemeinsam mit den anderen in diese gesellschaftlichen Dynamiken einzugreifen, sollte er sich daran erinnern, dass dies Teil der Spiritualität ist, Ausübung der Nächstenliebe, und dass er auf diese Weise reift und sich heiligt.“

Text: Werner Steiner

Thema

Von der „Natur“ zur „Schöpfung“

Was Papst Franziskus mit der Enzyklika Laudato sì der ökologischen Bewegung mitgibt
Die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus nimmt die heute entscheidenden Themen in den Blick; es geht um soziale, ökologische und politische Zusammenhänge. Wohl selten war ein päpstliches Schreiben so aktuell und brisant und vor allem relevant für alle Gesellschaftsschichten und Menschen weltweit.

Die Umweltkrise ist eine Beziehungskrise des Menschen zur Welt.
Foto: Claudia Müller / pixelio.deDie Umweltkrise ist eine Beziehungskrise des Menschen zur Welt.
Foto: Claudia Müller / pixelio.de

Das Besondere der Enzyklika „Laudato sì“ stellt sich uns am besten dar, wenn wir sie mit dem ersten Manifest zur Umweltproblematik vergleichen, mit dem epochemachenden Bericht des „Club of Rome“ von 1972, der mit seiner Enthüllung der „Grenzen des Wachstums“ die überbordenden Zukunftsprognosen zerplatzen ließ. In diesem Text wird die Welt noch wie ein Rohstofflager und Energiesystem angesehen, das sich aber jetzt durch die maßlose Ausbeutung zu erschöpfen droht. Der Club of Rome hatte den ersten Befund zur Umweltkrise vorgelegt, der Bischof von Rom fragt jetzt, 44 Jahre später, nach den weitverzweigten Ursachen in Ökonomie, Politik und Lebensgewohnheiten der Menschen, aber stellt vor allem die Dringlichkeit ihrer Korrektur vor Augen.
Der verengende technologische Blick
Die Enzyklika stemmt sich mit aller Kraft der Reduktion der Welt auf empirisch-technische Befunde und auf ökonomische Kalküle entgegen. Die Umweltkrise ist eine Beziehungskrise – eine Krise der Beziehung des Menschen zu seiner Welt, und das ist keine technische Frage1. Denn die Beziehung findet im Bewusstsein statt, und dort muss die Krise auch angegangen werden. Gesellschaftliche Denkweisen, insbesondere wenn sie sich im Laufe von Jahrhunderten verfestigt haben, können nur durch eine beharrliche kulturelle Arbeit verändert werden. Das nicht anzuerkennen war der Fehler aller politischen Revolutionen. Denn wenn die Gesell-schaft ein Welt-vergiftendes Bewusstsein hat, dann können die dadurch hervorgerufenen Probleme nicht allein technisch, sondern nur durch die Einübung in ein neues Bewusstsein gelöst werden2. Nicht umsonst befürchtet der Papst, dass man „die Menschheit des post-industriellen Zeitalters als eine der verantwortungslosesten der Geschichte“ in Erinnerung behalten wird (165)

Aus der Bibel eine andere Sprache für die Welt.
Unser Weltverhältnis beruht auf der Sprache. Die Bibel bietet ein unerschöpfliches Reservoir für ein anderes Sprechen von der Welt. Es beginnt schon mit dem Begriff der Schöpfung: „Von zu sprechen ist für die jüdisch-christliche Überlieferung mehr als von Natur zu sprechen.“ (76) Zur Schöpfung gehört nämlich wesentlich auch die Ordnung des Zusammenlebens der Menschen. „Ein Empfinden inniger Verbundenheit mit den anderen Wesen in der Natur kann nicht echt sein, wenn nicht zugleich im Herzen eine Zärtlichkeit, ein Mitleid und eine Sorge um die Menschen vorhanden ist.“ (91) Hier wird deutlich, wie Natur und ethische Grundsätze zusammengehören. Gerade in dieser Hinsicht gilt: „[D]ie Tatsache, dass sie in einer religiösen Sprache erscheinen, mindert in keiner Weise ihren Wert in der öffentlichen Debatte.“ (199) Die Verantwortung gegenüber der Umwelt beruht auf dem Begriff von der Natur als „Leihgabe“ an den Menschen (vgl. Gen 2, 15). Deshalb wird vom Menschen gegenüber der Natur auch „die Entwicklung der <ökologischen Tugenden>“ (88) gefordert, wie Sparsamkeit im Mittelverbrauch, schonender Umgang mit Fauna und Flora etc. Darüber hinaus ist der Schöpfung auch ein sozialer Imperativ eingeschrieben: Die Welt ist „ein von der Liebe des himmlischen Vaters erhaltenes Geschenk“ (220)3, und damit ist den Empfängern dieser Gabe das Teilen wesentlich aufgetragen.
Der Begriff der Gemeinschaftsgüter
Mit dem Begriff der Schöpfung als Gabe eng verbunden ist der Begriff der Gemeinschaftsgüter: „Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ (23) Hier zeigt der Papst den Mut, den Status der Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut in das kollektive Bewusstsein der Menschen zu heben. Ohne Beachtung dieser Gemeinschaftsgüter „wird es keine gerechte Weltwirtschaftsordnung geben4. Zum Klima kommen noch die Wälder, der globale Wasserkreislauf, die Ozeane. Bei so wesentlichen Gütern wie dem Trinkwasser oder dem Wald gilt: der gesamte „ökologische Ansatz [muss] eine soziale Perspektive einbeziehen, welche die Grundrechte derer berücksichtigt, die am meisten übergangen werden.“ (93) Darum muss das Teilen ein Grundvollzug im Weltverhalten werden und muss in die entsprechende Gesetzgebung, auf internationaler und nationaler Ebene aufgenommen werden.
Neue Allianzen: die Kunst
Für eine nicht-profitorientierte Beziehung zur Welt fällt auch auf, welche Bedeutung der Papst der Sprache der Kunst zuschreibt. „[A]uch der Wille, Schönes zu schaffen, und die Be-trachtung des Schönen bewirken, dass die Macht, die das Gegenüber nur als Objekt wahrnimmt, überwunden wird in einer Art Erlösung, die sich im Schönen und in seinem Betrachter vollzieht. Die echte Menschlichkeit, die zu einer neuen Synthese einlädt, scheint inmitten der technologischen Zivilisation zu leben …“ (112) Bereits Papst Johannes Paul II. hatte darauf hingewiesen. Man darf, so sagte er in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, „die Beziehung, die zwischen einer angemessenen ästhetischen Erziehung und der Erhaltung einer gesunden Umwelt besteht, nicht vernachlässig[en].“ (215)5 Freilich kontrastiert dieser Appell mit der in eine ganz andere Richtung gehenden Grundausrichtung der zeitgenössischen Schulkonzepte, wo alles – ganz technisch - auf die Vermittlung von „Kompetenzen“ ausgerichtet ist. Von den Schulverantwortlichen bis hin zur öffentlichen Meinung ist man sich z. B. einig, dass der Literaturunterricht eigentlich nur eine aufhaltende Verbrämung des Unterrichts darstellt. Dabei ist es gerade die Literatur, die den Schülern eine empathische Sicht auf Natur und Mitmensch vermittelt.
Vorbild des heiligen Franziskus von Assisi
Der Papst widmet sich dann explizit der Frage einer „ökologischen Spiritualität“, die zum Umweltschutz „anspornen, motivieren, ermutigen und ihm Sinn verleihen“ sollen (216). Grundlage ist eine „vollständig[e] Umkehr“, zu der uns das „Vorbild des heiligen Franziskus von Assisi“ bewegen soll (218). Durch sein Beispiel werden wir angeregt zu einem „ausgeglichenen Lebensstil, verbunden mit einer Fähigkeit zum Staunen, die zur Vertiefung des Lebens führt.“ (225) Gott als Geheimnis der Welt (E. Jüngel), seine Gegenwart in der Schöpfung brauchen wir nicht herzustellen, denn sie wird „entdeckt, enthüllt“ (ebd.), unüberbietbar in den Gaben von Brot und Wein in der Eucharistie, in denen Christus, „das Wort, durch das alles geworden ist“ (Joh 1,3), seine Hingabe an die Menschen erneuert: „In der Eucharistie findet die Schöpfung ihre größte Erhöhung“, sie ist „von sich aus ein Akt der kosmischen Liebe.“ (236) Auch das Tischgebet ist ein Ort, um das auszudrücken – eine „wertvolle Gewohnheit“, die man nicht verloren gehen lassen sollte. (227)
Der Papst ist sich darüber im Klaren, dass es nicht genügt, „dass jeder Einzelne sich bessert“ (219). „Auf soziale Probleme muss mit Netzen der Gemeinschaft reagiert werden, nicht mit der bloßen Summe individueller positiver Beiträge.“ (ebd.) So können etwa Verbraucherbewegungen „durch den Boykott gewisser Produkte auf das Verhalten der Unternehmen ändernd einwirken und sie zwingen, die Umweltbelastung und die Produktionsmuster zu überdenken.“ (206) Der Papst hat mit seiner Enzyklika den ökologischen Bewegungen eine Synthese ihrer Bemühungen vorgelegt, hinter die sie nicht mehr zurückfallen dürfen. Er hat sich zum Sprecher der verantwortungsbewussten und bereiten Menschheit gemacht hat.
1 Der Papst unterscheidet zwischen der Technik, die dazu dient, den Fortschritt „gesünder, menschlicher, sozialer und ganzheitlicher“ zu machen, und der Technokratie oder dem technokratischen Paradigma, das den ganzheitlichen Zusammenhang übergeht (vgl. 112).
2 Bereits die Sozialenzykliken der Päpste argumentieren auf diese Weise gegen die auf vermeintlichen wissenschaftlichen Prinzipien beruhenden Lehren des Dialektischen Materialismus.
3 Der französische Philosoph Jean-Luc Marion bietet die Grundlagen für ein nach-cartesianisches Verständnis der Welt in diesem Sinn: Étant donné (1997) heißt sein Hauptwerk, das in umschreibender Übersetzung lauten könnte: „Da alles gegeben ist.“ Der Untertitel heißt: Versuch einer Phänomenologie der Gabe.
4 Dazu: Edenhofer, Ottmar – Christian Flachsland: Laudato sì. Die Sorge um die globalen Gemeinschaftsgüter. In: StdZ 9/2015, 579 – 591, 584.
5 Hier zeigt sich ein neuer, ernstzunehmender Zusammenhang von Denkmalschutz und Landschaftsschutz nahe!

P. Willibald
Hopfgartner OFM,