Kommentar
Armut ist Realität
Über den Umgang mit bettelnden Menschen
Die Caritas Diözese Bozen-Brixen fordert eine differenzierte und sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema. Als Alternative zu Bettelverboten sollten wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, wie wir uns am besten um Menschen in Not kümmern. Dazu gehört, dass wir uns mit den realen Bedürfnissen und vielschichtigen Notlagen der Betroffenen befassen und uns darauf konzentrieren, wie Armut in Südtirol, aber auch im Ausland verhindert werden kann.
Um Almosen bitten ist ein MenschenrechtFranz Kripp
In einigen Südtiroler Gemeinden wurden in den vergangenen Jahren Bettelverbote eingeführt, häufig mit dem Anspruch, die öffentliche Sicherheit, die Lebensqualität und das Erscheinungsbild der Stadt wahren zu wollen. Doch gab oder gibt es in Brixen, Meran oder anderen Gemeinden wirklich bedrohliche und untragbare Zustände, welche das Eingreifen der Behörden mittels eines Bettelverbots rechtfertigen würden?
Vereinzelt treten Fälle von betrügerischem, ausbeuterischem oder belästigendem Betteln auf, was strikt abzulehnen ist. Die Hilfsbereitschaft und das Mitleid der Südtirolerinnen und Südtiroler zu missbrauchen, Kinder oder Tiere zu instrumentalisieren und Menschen massiv zu bedrängen, ist strafbar und sollte auch geahndet werden. Doch hierfür gibt es bereits bestehende Gesetze.
Ich bin der Meinung, dass wir bettelnde Menschen nicht vorschnell über einen Kamm scheren und kriminalisieren dürfen. Wenn sich beispielsweise mehrere Personen organisieren und in Gruppen auftreten, ist das noch lange kein Verbrechen. Jeder Bettler hat seine eigene Ge-schichte, „die Bettler“ als einheitliche Gruppe gibt es nicht.
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen auf Betteln angewiesen sind. Viele leben von dem, was andere ihnen geben. Es einfach zu verbieten, kann nicht die Lösung sein.
Das Phänomen der Bettelei lässt sich mit Verordnungen und Verboten zwar einschränken, aber nur oberflächlich lösen. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Bettler dadurch nicht verschwinden. Bettler gibt es bereits seit der Antike und es wird sie auch weiterhin geben, solange Armut und soziale Ausgrenzung Realität sind. Weil die Gründe, warum Menschen betteln, wohl bestehen bleiben, werden sie in Südtirol auch in Zukunft zum Bild vieler Gemeinden gehören.
Im Namen der Caritas kann ich bestimmt sagen: der Armut begegnet man nicht, indem man die Augen vor ihr verschließt oder die Probleme aus den Altstädten verdrängt.
Ich denke, es gibt kein Recht auf ein gepflegtes und armutsfreies Stadtbild. Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht gegen individuelle Notlagen ausgespielt werden.
Natürlich kann es unangenehm berühren, mit bettelnden Menschen konfrontiert zu sein. In einer solchen Situation sind Emotionen völlig normal.
Viele fragen sich zu Recht: Wie kann ich verantwortungsvoll auf bettelnde Menschen reagieren? Die Diözese Bozen-Brixen hat hierzu im vergangenen Jahr folgende Tipps veröffentlicht:
Versuchen Sie, im Gegenüber den Menschen zu sehen – unabhängig davon, ob Sie etwas geben oder nicht und wie die Person auf Sie wirkt.
Zugleich dürfen Sie die nötige emotionale Distanz wahren. Lassen Sie sich nicht durch flehentliche Appelle oder dramatische Schilderungen unter Druck setzen. Ohne schlechtes Gewissen dürfen Sie auch Nein sagen. Nicht alles brauchen Sie sich gefallen zu lassen – wenn beispielsweise der andere beleidigend wird oder sich aggressiv zeigt, brechen Sie das Gespräch ab.
Die Unsicherheit, ob ein Almosen wirklich sinnvoll ist, lässt sich nie ganz ausräumen. Lassen Sie daher Ihr Herz sprechen. Sie allein entscheiden, ob und wie Sie helfen wollen.
TEXT: Franz Kripp
Vereinzelt treten Fälle von betrügerischem, ausbeuterischem oder belästigendem Betteln auf, was strikt abzulehnen ist. Die Hilfsbereitschaft und das Mitleid der Südtirolerinnen und Südtiroler zu missbrauchen, Kinder oder Tiere zu instrumentalisieren und Menschen massiv zu bedrängen, ist strafbar und sollte auch geahndet werden. Doch hierfür gibt es bereits bestehende Gesetze.
Ich bin der Meinung, dass wir bettelnde Menschen nicht vorschnell über einen Kamm scheren und kriminalisieren dürfen. Wenn sich beispielsweise mehrere Personen organisieren und in Gruppen auftreten, ist das noch lange kein Verbrechen. Jeder Bettler hat seine eigene Ge-schichte, „die Bettler“ als einheitliche Gruppe gibt es nicht.
Betteln ist ein Menschenrecht
Fest steht außerdem: Menschen dürfen betteln. Jemanden um ein Almosen zu bitten ist ein Menschenrecht. Auf welche Weise dies jemand macht, ist eine andere Frage.Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen auf Betteln angewiesen sind. Viele leben von dem, was andere ihnen geben. Es einfach zu verbieten, kann nicht die Lösung sein.
Das Phänomen der Bettelei lässt sich mit Verordnungen und Verboten zwar einschränken, aber nur oberflächlich lösen. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Bettler dadurch nicht verschwinden. Bettler gibt es bereits seit der Antike und es wird sie auch weiterhin geben, solange Armut und soziale Ausgrenzung Realität sind. Weil die Gründe, warum Menschen betteln, wohl bestehen bleiben, werden sie in Südtirol auch in Zukunft zum Bild vieler Gemeinden gehören.
Ist Betteln eine Bedrohung?
Ich frage mich: Sind bettelnde Menschen wirklich eine Bedrohung für unsere Gesellschaft? Sind sie gar ein Standortnachteil in einem tourismusgeprägten Umfeld? Oder ist es vielmehr so, dass wir den Anblick dieser Menschen vermeiden und sie deshalb aus unserem Blickfeld drängen wollen?Im Namen der Caritas kann ich bestimmt sagen: der Armut begegnet man nicht, indem man die Augen vor ihr verschließt oder die Probleme aus den Altstädten verdrängt.
Ich denke, es gibt kein Recht auf ein gepflegtes und armutsfreies Stadtbild. Wirtschaftliche Interessen dürfen nicht gegen individuelle Notlagen ausgespielt werden.
Natürlich kann es unangenehm berühren, mit bettelnden Menschen konfrontiert zu sein. In einer solchen Situation sind Emotionen völlig normal.
Viele fragen sich zu Recht: Wie kann ich verantwortungsvoll auf bettelnde Menschen reagieren? Die Diözese Bozen-Brixen hat hierzu im vergangenen Jahr folgende Tipps veröffentlicht:
Versuchen Sie, im Gegenüber den Menschen zu sehen – unabhängig davon, ob Sie etwas geben oder nicht und wie die Person auf Sie wirkt.
Den Menschen sehen
Hören Sie zu, wenn es Ihre Zeit erlaubt. Manchmal ist es für die Betroffenen schon eine Erleichterung, wenn sie jemandem ihre Geschichte erzählen können. Viele von ihnen kommen von weit her zu uns, weil sie ihre Familie ernähren wollen.Zugleich dürfen Sie die nötige emotionale Distanz wahren. Lassen Sie sich nicht durch flehentliche Appelle oder dramatische Schilderungen unter Druck setzen. Ohne schlechtes Gewissen dürfen Sie auch Nein sagen. Nicht alles brauchen Sie sich gefallen zu lassen – wenn beispielsweise der andere beleidigend wird oder sich aggressiv zeigt, brechen Sie das Gespräch ab.
Die Unsicherheit, ob ein Almosen wirklich sinnvoll ist, lässt sich nie ganz ausräumen. Lassen Sie daher Ihr Herz sprechen. Sie allein entscheiden, ob und wie Sie helfen wollen.
TEXT: Franz Kripp