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Freiwillige helfen mit viel Herz

Flucht in ein besseres Leben und auf der Suche nach Sicherheit
60 Millionen sind weltweit auf der Flucht, etwas über 200.000 Personen kommen nach Europa, die großen Flüchtlingsströme finden also ganz woanders statt. Was sich am Bahnhof Bozen und Brenner abspielt, ist nur ein ganz kleiner Bruchteil der Dramen. Und trotzdem tut auch da Hilfe Not. Von öffentlicher Seite erfolgte ganz wengig, die Initiativen gingen in erster Linie von Freiwilligen aus. Sie leisten seit Monaten vorbildliche Hilfe, setzen sich ein, zeigen Präsenz.

Monika Weissensteiner (r.), Freiwillige Helferin am Brenner und in Bozen mit Sara Mitterhofer (l.) von der KVW Jugend.Monika Weissensteiner (r.), Freiwillige Helferin am Brenner und in Bozen mit Sara Mitterhofer (l.) von der KVW Jugend.

Sie engagieren sich als Freiwillige für die Flüchtlinge, die durch Südtirol reisen?
Monika Weissensteiner: Begonnen hat meine Arbeit am Brenner. Dort sind Menschen angekommen, die keine Ahnung hatten, wo sie sich befanden. Sie hatten auch keine legalen Informationen über ihre Rechte, über die Rückführung usw. Sie standen da in Sommerkleidung und Sandalen, es fiel der erste Schnee und einige wurden zum zweiten Mal zurückgeschickt.
Woher kommen die Menschen, die Richtung Norden durch Südtirol reisen?
Weissensteiner: Die meisten der Menschen sind in Sizilien gelandet und wollen schnell weiter. Sie waren in Aufnahmezentren irgendwo in Italien und haben schlechte Erfahrungen gemacht. Ich erinnere mich an eine schwangere Frau, die in einem Aufnahmezentrum war, wo sie das Anrecht auf 2,50 Euro am Tag hätte. Man hat ihr aber nicht Geld gegeben, sondern sie mit Zigaretten „bezahlt“. Ein kleiner Teil der Menschen haben eine Aufenthaltsgenehmigung, aber mit dieser dürfen sie nicht legal in einem anderen EU-Land arbeiten. Da die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Italien aber nicht die beste ist, sind sie auf der Suche nach einer Arbeit, auch wenn sie nur illegal beschäftigt werden können.
Die Hilfe, die im Herbst am Brenner begonnen hat, war völlig freiwillig?
Weissensteiner: Ja, Sonja Cimadon von der OEW und ich haben als Freiwillige dort begonnen. Zehn bis 15 Freiwillige haben sich dann in Turnussen abgewechselt. Erst Ende Dezember, Anfang Jänner sind Sozialbetreuer und der Verein Volontarius dazugekommen.
Wie ist die Situation am Bahnhof in Bozen?
Weissensteiner: Dort sind viele Freiwillige engagiert. Die Bereitschaft zu helfen weitet sich aus. Aber auch die Arbeit der Freiwilligen braucht Begleitung. Sie müssen darüber informiert sein, was sie tun dürfen, sie müssen das Asylgesetz kennen. So einfach ist die Arbeit doch nicht. Ich finde, dass das Land oder ein Verein dies unterstützen müssen. Gut funktioniert die Facebook-Gruppe „Solidarität mit Flüchtlingen“, in der sich die Freiwilligen austauschen, Anliegen vorgebracht werden. Es werden auch Infos veröffentlicht, was dringend gebraucht wird und wo es abgegeben werden kann. Neue Mitbürger, die verschiedene Sprachen sprechen, sind bereit als Übersetzer mitzuhelfen. Aber es bräuchte auch eine finanzielle Unterstützung. Auch eine Fortbildung für die Freiwilligen, Einführung und Begleitung.
Wie geht es den Menschen, die in Bozen auf die Weiterfahrt warten?
Weissensteiner: Zum einen sind sie einfach froh, das Mittelmeer überlebt zu haben. Sie kommen mit der Idee, dass Europa demokratisch ist und dass hier ihre Rechte respektiert werden. Und dann erleben sie etwas ganz anderes: sie dürfen nicht arbeiten, sie werden nach dem Ausweis gefragt, weil sie eine schwarze Hautfarbe haben, sie dürfen nicht frei reisen, wie sie wollen. Was die Menschen hier erleben ist eine andere Form von Gewalt. Sie müssen ein Jahr oder länger auf die Antwort einer Kommission warten und sind mit dem Ziel hergekommen, Geld zu verdienen und es zurückzuschicken. Dies bedeutet eine große Last.
Ihr Ziel ist es nicht, Sozialschmarotzer zu sein, sondern sie wollen arbeiten. Deshalb sind sie nach Italien gekommen.
Was können Südtirolerinnen und Südtiroler tun, die gerne helfen würden?
Weissensteiner: Nicht für jeden ist die Arbeit am Bahnhof das Richtige, sie ist sehr delikat. Aber es gibt auch die Flüchtlinge, die in Strukturen untergebracht sind. Hier wäre eine Möglichkeit, Momente der Begegnung zu schaffen. Dies sind Menschen, die hier bleiben, nicht auf der Durchreise sind. Eine Möglichkeit wäre, ihnen die Stadt zu zeigen, Dienste zu erklären, Sport. Ganz nützlich ist Sprachunterstützung, da die Kenntnis der Landessprachen bei der späteren Arbeitssuche ganz wichtig ist.
Wie erklären Sie sich die Angst bei der Bevölkerung?
Weissensteiner: Ich muss sagen, dass hier die Presse keine gute Arbeit leistet. Bei uns in Südtirol leben etwa 420 Menschen in Strukturen. Wir sind damit vorletzte Region in Italien. In Italien sind es 67.000 Menschen. Damit liegt Italien an dritter Stelle in Europa nach Deutschland und Schweden.
Wenn wir uns die Situation weltweit ansehen, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild. Unter den zehn Staaten, die am meisten Flüchtlinge aufnehmen, ist kein europäisches Land. Die Menschen bleiben zu einem sehr großen Teil in ihrer Heimatregion. Da fehlen bei der Bevölkerung sehr oft die korrekten Informationen.
Welchen Apell würden Sie der hiesigen Bevölkerung gerne mitgeben?
Weissensteiner: Sie sollen nicht Angst haben, es kommen nur sehr wenige Flüchtlinge zu uns. Sie sind eine Möglichkeit der Begegnung, eine Bereicherung für uns alle. Wir sollen ihnen nicht mit Abneigung begegnen, dies ist gegen unsere christliche Kultur, gegen die Werte, die bei uns zentral sind.
Ich geben den Menschen den Rat, sich gut, kritisch zu informieren, und nicht alles zu glauben.

INTERVIEW: Sara Mitterhofer und Ingeburg Gurndin

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Synode: Kirche vor Ort und in der Welt

Auf der fünften Session der Synode in Weißenstein wurde eine Resolution zum Thema Flüchtlinge verabschiedet.
Wir Synodalen und Synodalinnen sind zusammen mit unserem Bi- schof betroffen über das Schicksal der vielen Flüchtlinge, die unterwegs zu einer hoffnungsvollen Zukunft ihr Leben und das Leben ihrer Lieben riskieren und vor unserer Haustür um Aufnahme bitten wollen.
Wir wollen hier und heute unsere Wertschätzung allen gegenüber ausdrücken, die angesichts dieser menschlichen Katastrophe ihre Herzen, ihre Hände und ihre Türen öffnen. Ebenso danken wir den Verantwortlichen in der Politik, die sich mutig und entschlossen für menschliche Lösungen einsetzen. Gemeinsam wollen wir auch weiterhin versuchen, Antworten auf diese neuen Herausforderungen zu geben, auf das Schicksal unserer Mitmenschen reagieren und sich unter Umständen missbräuchlich auf Aspekte der christlichen Tradition berufen.
Als Kirche sind wir gerufen „auf sein Wort hin“ den flüchtenden Menschen – Frauen, Kindern, Männern – konkret beizustehen und zu helfen. Das umfasst - neben dem Engagement jedes Einzelnen und den Hilfeleistungen unserer caritativen Einrichtungen und Organisationen – auch unser aufrichtiges Vorhaben, die Türen unserer kirchlichen Häuser zu öffnen und diese Menschen in unser Gemeinschaftsleben einzubinden. Dass wir in einem wohlhabenden Land mit einem funktionierenden Gemeinwesen leben dürfen, erachten wir nicht als Verdienst, sondern als Geschenk, das es zu teilen gilt.