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Unsere materielle Seite
Ist Reichtum gleich Glück?
Porträt der glücklichen Bescheidenheit: Ist Reichtum gleich Glück? Armut gleich Unglück? Wie viel Haushaltsgeld brauchen wir? Viel wird darüber geschrieben, wird errechnet und revidiert.
Unter der Armutsgrenze, über der Armutsgrenze - über Reichtum und Armut reden wir, als ob das so einfach wäre, wie eine Rechenaufgabe. Dabei ist der Umgang mit materiellen und geistigen Werten so vielschichtig und kompliziert, dass ich mir und allen gerne wünsche, dass wir unser Wohlergehen nicht in der Hauptsache ans Materielle koppeln.
Eine kurze Erzählung soll veranschaulichen, was ich meine. Mein Mann hatte einen 20 Jahre jüngeren Freund; es war eher ein Vater-Sohn-Verhältnis; denn dieser Freund hatte seinen Vater nie kennen lernen dürfen, da dieser im Krieg vermisst blieb.
Die Geschichte aber erzählt von der Mutter eben dieses Freundes.
Einmal kamen Mutter und Sohn bei uns für drei Tage auf Besuch. Die Männer nahmen sich so einiges vor und wir Frauen waren daheim. Ich hatte ziemlich volles Programm und konnte mich nicht sonderlich um meinen Gast kümmern. Doch die Frau strahlte Zufriedenheit aus und schien mir recht glücklich. Sie saß vor dem Fernseher und strickte Socken. Ich wurde neugierig und unterhielt mich mit ihr und konnte einiges von dieser Frau erfahren, was mich seit dieser Zeit nicht mehr losließ. Sie strickte also Socken; ganz gekonnt mit dünner Wolle und dünnen Nadeln und sagte, ihr Sohn bevorzuge eben diese Socken und sie könne das Wadenteil immer wieder verwenden, wenn das Fußteil verschlissen sei. Manchmal müsse sie auch nur die Ferse oder die Spitze erneuern. Ich wurde immer neugieriger, es interessierte mich einfach, was in dieser bescheidenen, aber so ordentlich wirkenden Frau mit den geflochtenen Haaren und dem einfachen, aber ordentlichen Kleid steckte.
Sie sagte voll Stolz, ihr Sohn habe ihr diesen schönen Urlaub ermöglicht. Im Gespräch erfuhr ich auch, wie wenig sie als Kriegswitwe an Rente bekam, worauf ich meinte, ihr Sohn werde sie wohl unterstützen. Sie erwiderte fast energisch: „Die Jungen brauchen es selbst, es ist heute alles nicht so einfach.“ Er habe drei Taschengeschäfte in Innsbruck gepachtet; ihr gehe es ja gut. Selbstbewusst erzählte sie auch, dass sie die Jungen auch manchmal im Geschäft vertreten darf und dass sie dabei keine Umsatzeinbußen verbuchen muss. Ich könnte es mir nicht verkneifen und bemerkte: „Wie schaffen Sie es nur, mit so wenig Rente über die Runden zu kommen?“ Sie erklärte sich so: Wenn die Rente kommt, wird das Geld für Miete, Strom, Gas und für weitere fixe Spesen blockiert. Dann werden Grundnahrungsmittel wie Mehl, Kartoffeln, Reis, Öl usw. gekauft. Erst wenn am Monatsende noch etwas übrig bleibt, kaufe sie Zucker, Butter, Käse oder auch etwas Fleisch. Manchmal in der Mittagspause komme auch der Sohn mit seiner Frau zum Essen. Ich war überrascht und meinte: „Ja, was kochen Sie dann?“ „Einen Riebel (Kartoffelschmarrn), das mögen sie sehr gerne.“ Auch erfuhr ich, dass sie im Zweiten Weltkrieg zum Arbeitsdienst verpflichtet und für Straßenarbeit eingeteilt wurde. Sie musste Straßen pflastern. Ich meinte: „Um Gottes Willen, Sie Arme!“, worauf sie erwiderte: „Nein, nein, mir ging es gut, denn alle übrigen waren Männer, die mich fast verwöhnten. Ich musste keine schwere Arbeit tun.“ Dies ist die Geschichte einer Frau, die vieles einfach nicht brauchte, um sich selbst zu verwirklichen und zufrieden und glücklich zu sein.
Daher darf ich nochmals die Frage stellen: Ist Reichtum gleich Glück? Denn Reichtum kann genau das Gegenteil bewirken und Freiraum schaffen für maßlose Ansprüche, Wünsche, Machtgefühle bis zu Verführung und Korruption.
Solange wir uns über eine nette Begegnung, an einem warmen Sonnenstrahl, an den ersten Frühlingsboten, einer gelungenen Aufgabe freuen und sie mit der Intensität aller Sinne wahrnehmen dürfen, geht es uns wirklich gut. Und das wünsche ich aus ganzem Herzen.
Text: Theresia Christof Sanin
Eine kurze Erzählung soll veranschaulichen, was ich meine. Mein Mann hatte einen 20 Jahre jüngeren Freund; es war eher ein Vater-Sohn-Verhältnis; denn dieser Freund hatte seinen Vater nie kennen lernen dürfen, da dieser im Krieg vermisst blieb.
Die Geschichte aber erzählt von der Mutter eben dieses Freundes.
Einmal kamen Mutter und Sohn bei uns für drei Tage auf Besuch. Die Männer nahmen sich so einiges vor und wir Frauen waren daheim. Ich hatte ziemlich volles Programm und konnte mich nicht sonderlich um meinen Gast kümmern. Doch die Frau strahlte Zufriedenheit aus und schien mir recht glücklich. Sie saß vor dem Fernseher und strickte Socken. Ich wurde neugierig und unterhielt mich mit ihr und konnte einiges von dieser Frau erfahren, was mich seit dieser Zeit nicht mehr losließ. Sie strickte also Socken; ganz gekonnt mit dünner Wolle und dünnen Nadeln und sagte, ihr Sohn bevorzuge eben diese Socken und sie könne das Wadenteil immer wieder verwenden, wenn das Fußteil verschlissen sei. Manchmal müsse sie auch nur die Ferse oder die Spitze erneuern. Ich wurde immer neugieriger, es interessierte mich einfach, was in dieser bescheidenen, aber so ordentlich wirkenden Frau mit den geflochtenen Haaren und dem einfachen, aber ordentlichen Kleid steckte.
Sie sagte voll Stolz, ihr Sohn habe ihr diesen schönen Urlaub ermöglicht. Im Gespräch erfuhr ich auch, wie wenig sie als Kriegswitwe an Rente bekam, worauf ich meinte, ihr Sohn werde sie wohl unterstützen. Sie erwiderte fast energisch: „Die Jungen brauchen es selbst, es ist heute alles nicht so einfach.“ Er habe drei Taschengeschäfte in Innsbruck gepachtet; ihr gehe es ja gut. Selbstbewusst erzählte sie auch, dass sie die Jungen auch manchmal im Geschäft vertreten darf und dass sie dabei keine Umsatzeinbußen verbuchen muss. Ich könnte es mir nicht verkneifen und bemerkte: „Wie schaffen Sie es nur, mit so wenig Rente über die Runden zu kommen?“ Sie erklärte sich so: Wenn die Rente kommt, wird das Geld für Miete, Strom, Gas und für weitere fixe Spesen blockiert. Dann werden Grundnahrungsmittel wie Mehl, Kartoffeln, Reis, Öl usw. gekauft. Erst wenn am Monatsende noch etwas übrig bleibt, kaufe sie Zucker, Butter, Käse oder auch etwas Fleisch. Manchmal in der Mittagspause komme auch der Sohn mit seiner Frau zum Essen. Ich war überrascht und meinte: „Ja, was kochen Sie dann?“ „Einen Riebel (Kartoffelschmarrn), das mögen sie sehr gerne.“ Auch erfuhr ich, dass sie im Zweiten Weltkrieg zum Arbeitsdienst verpflichtet und für Straßenarbeit eingeteilt wurde. Sie musste Straßen pflastern. Ich meinte: „Um Gottes Willen, Sie Arme!“, worauf sie erwiderte: „Nein, nein, mir ging es gut, denn alle übrigen waren Männer, die mich fast verwöhnten. Ich musste keine schwere Arbeit tun.“ Dies ist die Geschichte einer Frau, die vieles einfach nicht brauchte, um sich selbst zu verwirklichen und zufrieden und glücklich zu sein.
Daher darf ich nochmals die Frage stellen: Ist Reichtum gleich Glück? Denn Reichtum kann genau das Gegenteil bewirken und Freiraum schaffen für maßlose Ansprüche, Wünsche, Machtgefühle bis zu Verführung und Korruption.
Solange wir uns über eine nette Begegnung, an einem warmen Sonnenstrahl, an den ersten Frühlingsboten, einer gelungenen Aufgabe freuen und sie mit der Intensität aller Sinne wahrnehmen dürfen, geht es uns wirklich gut. Und das wünsche ich aus ganzem Herzen.
Text: Theresia Christof Sanin
Theresia Christof Sanin, Eppan, ehemalige Hauswirtschaftslehrerin und in der bäuerlichen Beratung tätig.