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Was heißt Solidarität?

Am 8. März ist der „Tag der Solidarität“
„Solidarität“ bedeutet ... Auszüge aus dem Rundschreiben ‚EVANGELII GAUDIUM’ von
Papst Franziskus.

… Man kann nicht mehr behaupten, die Religion müsse sich auf den Privatbereich beschränken und sie existiere nur, um die Seelen auf den Himmel vorzubereiten. Wir wissen, dass Gott das Glück seiner Kinder, obwohl sie zur ewigen Fülle berufen sind, auch auf dieser Erde wünscht, denn er hat alles erschaffen, damit wir uns daran freuen können, damit alle sich daran freuen können. Daraus folgt, dass die christliche Umkehr verlangt, all das zu überprüfen, was das Sozialwesen ausmacht und zur Erlangung des Allgemeinwohls beiträgt … (§ 182)
Die Erde ist unser gemeinsames Haus
… Wir lieben diesen herrlichen Planeten, auf den Gott uns gesetzt hat, und wir lieben die Menschheit, die ihn bewohnt, mit all ihren Dramen und ihren Mühen, mit ihrem Streben und ihren Hoffnungen, mit ihren Werten und ihren Schwächen. Die Erde ist unser gemeinsames Haus, und wir sind alle Brüder. Obwohl die gerechte Ordnung der Gesellschaft und des Staates zentraler Auftrag der Politik ist, kann und darf die Kirche im Ringen um Gerechtigkeit nicht abseits bleiben. Alle Christen, auch die Hirten, sind berufen, sich um den Aufbau einer besseren Welt zu kümmern. Darum geht es, denn die Soziallehre der Kirche ist in erster Linie positiv und konstruktiv, sie bietet Orientierung für ein verwandelndes Handeln, und in diesem Sinn hört sie nicht auf, ein Zeichen der Hoffnung zu sein, das aus dem liebevollen Herzen Jesu Christi kommt… (§ 183)

Um über jene verschiedenen Themenkreise nachzudenken, verfügen wir mit dem Kompendium der Soziallehre der Kirche über ein sehr geeignetes Instrument, dessen Gebrauch und Studium ich nachdrücklich empfehle … (§ 184)

… Jeder Christ und jede Gemeinschaft ist berufen, Werkzeug Gottes für die Befreiung und die Förderung der Armen zu sein, so dass sie sich vollkommen in die Gesellschaft einfügen können; das setzt voraus, dass wir gefügig sind und aufmerksam, um den Schrei des Armen zu hören und ihm zu Hilfe zu kommen. … der Mangel an Solidarität gegenüber seinen Nöten beeinflusst unmittelbar unsere Beziehung zu Gott. Immer kehrt die alte Frage wieder: Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben? … (§ 187)

… Die Forderung, auf diesen Ruf zu hören, folgt aus der Befreiung, die die Gnade in jedem von uns wirkt, und deshalb handelt es sich nicht um einen Auftrag, der nur einigen vorbehalten ist: Die Kirche, die dem Evangelium von der Barmherzigkeit und der Liebe zum Menschen folgt, hört den Ruf nach Gerechtigkeit und möchte mit allen ihren Kräften darauf antworten. In diesem Rahmen versteht man die Aufforderung Jesu an seine Jünger: » Gebt ihr ihnen zu essen! « (Mk 6,37), und das beinhaltet sowohl die Mitarbeit, um die strukturellen Ursachen der Armut zu beheben und die ganzheitliche Entwicklung der Armen zu fördern, als auch die einfachsten und täglichen Gesten der Solidarität angesichts des ganz konkreten Elends, dem wir begegnen. Das Wort „Solidarität“ hat sich ein wenig abgenutzt und wird manchmal falsch interpretiert, doch es bezeichnet viel mehr als einige gelegentliche großherzige Taten. Es erfordert, eine neue Mentalität zu schaffen, die in den Begriffen der Gemeinschaft und des Vorrangs des Lebens aller gegenüber der Aneignung der Güter durch einige wenige denkt … (§ 188)
Solidarische Gewohnheiten
… Die Solidarität ist eine spontane Reaktion dessen, der die soziale Funktion des Eigentums und die universale Bestimmung der Güter als Wirklichkeiten erkennt, die älter sind als der Privatbesitz. Der private Besitz von Gütern rechtfertigt sich dadurch, dass man sie so hütet und mehrt, dass sie dem Gemeinwohl besser dienen; deshalb muss die Solidarität als die Entscheidung gelebt werden, dem Armen das zurückzugeben, was ihm zusteht. Wenn diese Einsichten und eine solidarische Gewohnheit uns in Fleisch und Blut übergehen, öffnen sie den Weg für weitere strukturelle Umwandlungen und machen sie möglich. Eine Änderung der Strukturen, die hingegen keine neuen Einsichten und Verhaltensweisen hervorbringt, wird dazu führen, dass ebendiese Strukturen früher oder später korrupt, drückend und unwirksam werden … (§ 189)

… Manchmal geht es darum, den Schrei ganzer Völker, der ärmsten Völker der Erde zu hören, denn der Friede gründet sich nicht nur auf die Achtung der Menschenrechte, sondern auch auf die Achtung der Rechte der Völker. Bedauerlicherweise können sogar die Menschenrechte als Rechtfertigung für eine erbitterte Verteidigung der Rechte des Einzelnen oder der Rechte der reichsten Völker genutzt werden. Bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit und der Kultur jeder einzelnen Nation muss doch immer daran erinnert werden, dass der Planet der ganzen Menschheit gehört und für die ganze Menschheit da ist und dass allein die Tatsache, an einem Ort mit weniger Ressourcen oder einer niedrigeren Entwicklungsstufe geboren zu sein, nicht rechtfertigt, dass einige Menschen weniger würdevoll leben. Es muss noch einmal gesagt werden: Die am meisten Begünstigten müssen auf einige ihrer Rechte verzichten, um mit größerer Freigebigkeit ihre Güter in den Dienst der anderen zu stellen. … Wir haben es nötig, in der Solidarität zu wachsen. Sie muss es allen Völkern erlauben, ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen so, wie jeder Mensch gerufen ist, sich zu entwickeln … (§ 190)
Wohlstand in vielfältigen Aspekten
… Wir sprechen nicht nur davon, allen die Nahrung oder eine menschenwürdige Versorgung zu sichern, sondern dass sie einen Wohlstand in seinen vielfältigen Aspekten erreichen. Das schließt die Erziehung, den Zugang zum Gesundheitswesen und besonders die Arbeit ein, denn in der freien, schöpferischen, mitverantwortlichen und solidarischen Arbeit drückt der Mensch die Würde seines Lebens aus und steigert sie. Der gerechte Lohn ermöglicht den Zugang zu den anderen Gütern, die zum allgemeinen Gebrauch bestimmt sind. (§ 192)

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Liebe Schwestern und Brüder,


Bischof Ivo MuserBischof Ivo Muser

der Tag der Solidarität fällt heuer in unserer Diözese auf den 8. März. Aus diesem Anlass lade ich euch ein, einige Abschnitte aus dem Apostolischen Schreiben “Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus aufmerksam durchzulesen. Die Zusammenstellung der Aussagen wurde von der Diözesankommission für Arbeit und soziale Gerechtigkeit vorgenommen.
Papst Franziskus erinnert die Gläubigen immer wieder daran, dass der Schrei der Armen nach mehr Gerechtigkeit nicht mehr zu überhören ist. Er fordert die Kirche auf, sich in zweifacher Weise diesem Schrei zu stellen. Es geht sowohl um die Mitarbeit bei der Überwindung der strukturellen Ursachen von Armut als auch um die Förderung einer ganzheitlichen Entwicklung von Menschen in Notlagen. Diese Grundhaltung ist zu ergänzen durch einfache und tägliche Gesten von Solidarität angesichts ganz konkreter Notlagen, denen die Christen im Alltag begegnen.
Der „Tag der Solidarität“ soll darüber hinaus an die Verantwortung erinnern, die wir als Christen für das Gemeinwohl haben.
Wir haben weder eine gute Zukunft noch wirklichen Fortschritt zu erwarten, wenn wir uns nicht gemeinsam auf den Weg machen zu einer gerechteren, solidarischeren Gesellschaft, wenn wir Individualismus und Gruppeninteressen auf allen Ebenen, Gesellschaft und Kirche mit eingeschlossen, nicht hinter uns lassen.
Ich danke allen, denen diese Themen ein Anliegen sind, die sich um eine Kultur der Solidarität bemühen und versuchen, diese umzusetzen, zum Wohle der Menschen in Gesellschaft und Kirche.

Euer Bischof Ivo Muser