Thema
Der diözesane Tag der Solidarität
Solidarität - drei unterschiedliche Ebenen
Josef Stricker
Erste Hilfe
Stellen wir uns folgendes Szenarium vor: In einer Stadt Südtirols, an einem belebten Platz, steht ein Radioreporter mit einem Mikrophon in der Hand. Der Medienmensch möchte von zufällig vorbeikommenden Passanten erfahren, was ihnen ganz spontan zum Wort Solidarität einfällt. Einige würden den Kopf schütteln und weitergehen. Von denen, die sich äußern, wäre – ich vermute mal – die häufigste Antwort wohl die: Solidarität ist gleichbedeutend mit einer Spende für Projekte draußen in der weiten Welt, bei einer Benefizveranstaltung mitmachen, Hilfsbedürftigen helfen, Caritas und Vinzenzvereine unterstützen, einen Beitrag lockermachen für den bäuerlichen Notstandsfonds oder für den KVW-Hilfsfonds, usw. Solche Dinge sind wichtig, sehr wichtig sogar. Aber reichen sie? Anders gefragt, erschöpft sich in ihnen das, was mit dem Begriff Solidarität in der Sache gemeint ist? Wohl nicht. In meinem Verständnis von Solidarität handelt es sich um die erste, gewissermaßen die elementarste Ebene. Biblisch gewendet: Diese Form von Solidarität hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Verhalten des Barmherzigen Samariters im berühmten Gleichnis bei Lukas. Modern ausgedrückt, ein Erste-Hilfe-Einsatz.
Text: JOsef Stricker
Der Patronats-Dienst
Die zweite Ebene. Seitdem es soziale Sicherungssysteme gibt, mit denen hilfsbedürftigen Menschen durch Angebote des Staates, der Region, des Landes, der Bezirksgemeinschaften institutionell geholfen werden kann, gibt es zahlreiche Bürger, die von einem Rechtsanspruch auf eine bestimmte Leistungentweder nichts wissen oder aber ohne fremde Hilfe das Recht einzufordern nicht in der Lage sind. Ich möchte das Gesagte an einem Beispiel verdeutlichen. Die Pensionsgesetzgebung ist mittlerweile derart kompliziert geworden, dass ein einfacher Bürger auf sich allein gestellt sich vorkommen muss,wie der sprichwörtliche Esel vor dem Berg. Will heißen, er wäre total überfordert. Ähnliches ließe sich von einer ganzen Reihe weiterer Angebote aus dem weiten Bereich des „Sozialen“ sagen. Um den Bürgern an die Hand zu gehen, braucht es professionelle Beratung, Betreuung. Die wohl wichtigste Anlaufstelle in dieser Hinsicht sind die Patronate. Mittlerweile werden Schalterdienste, Sprechtage von Hilfesuchenden dermaßen stark beansprucht, dass in manchen Zweigstellen die Grenze des Verkraftbaren erreicht ist. Hinter den Schaltern stehen bestens ausgebildete Fachleute, die auf die unterschiedlichsten Fragen und Bedürfnisse eingehen, Rat geben, Anträge abfassen, falls nötig Rechtsbeistand anbieten. Die beiden Sozialverbände KVW und ACLI führen seit über sechzig Jahren das nach ihnen benannte Patronat. Der diözesane Tag der Solidarität – seit dem Jahr 2013 fällt er aufden dritten Fastensonntag - möchte die Bedeutung dieser wertvollen, von der öffentlichen Meinung wenig wahrgenommene Form von Solidarität den Gläubigen bewusster machen. Die Sammlung an diesem Tag kommt dem Patronat zugute.
Politik und Solidarität
Die dritte Ebene. So wichtig die oben genannten zwei Ebenen für die Betroffen, ja für die ganze Gesellschaft sein mögen, sie allein reichen nicht. Es braucht auch Gesetze, Verordnungen, es braucht die entsprechenden Geldmittel aus den öffentlichen Kassen. Es handelt sich um die dritte Ebene.Anders ausgedrückt: Solidarität ist auch politisch zu organisieren. Ohne diese Ebene bliebe die zweite stumpf. Der KVW hat die nicht delegierbare Aufgabe, die dritte Ebene zu stärken. Eine Mammutaufgabe in Zeiten rückläufiger finanzieller Verfügbarkeiten bei gleichzeitig rapide ansteigenden Bedürfnissen unter den einfachen Leuten.Text: JOsef Stricker