KVW Aktuell

Eigeninitiative und Freiräume

Interview mit Landesrat Philipp Achammer

Kompass: Sie sind Landesrat für deutsche Bildung und Kultur sowie Integration. Was sind für Sie die drei größten Herausforderungen in ihren neuen Tätigkeitsbereichen?

Philipp Achammer: Im Regierungsprogramm für die neue Amtszeit spielen die Begriffe Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Freiräume eine zentrale Rolle. Es wird deshalb darum gehen, gerade in den Bereichen Bildung, Kultur und Integration diesen Grundsätzen gerecht zu werden. In besonderer Weise heißt dies für mich, dass neben den klassischen Bildungsinstitutionen dem Bildungsumfeld eine neue Rolle zugemessen werden muss. Das gilt etwa auch für die Förderung der Mehrsprachigkeit, die für mich einen besonderen Scherpunkt darstellt. In der Kulturpolitik müssen wir neuen Initiativen mit Offenheit begegnen und Gelegenheiten zum gesellschaftskritischen und gesellschaftspolitischen Hinterfragen zulassen. Im Bereich der Integration neuer Mitbürgerinnen und Mitbürger hingegen ist eine Grundlagendiskussion notwendig: Was bedeutet für uns Integration? Was sind die Rechte und Pflichten, das Fordern und Fördern, die verbindlichen Regeln, welche ein Zusammenleben erfordert? Diese Fragen müssen in einem partizipativen Prozess zwischen Einheimischen und Migranten gemeinsam beantwortet werden.

Kompass: Weiterbildung unterscheidet sich von anderen Bildungssäulen dadurch, dass sie das Lernen während des gesamten Lebensbogens der Menschen im Auge hat. Welchen Stellenwert wird die Weiterbildung in den nächsten fünf Jahren haben?

Philipp Achammer: Die Weiterbildung hat gerade aufgrund der zunehmenden beruflichen Mobilität einen ganz wesentlichen und wachsenden Stellenwert, muss gesamtgesellschaftlich als Bildungssäule im Sinne eines lebenslangen Lernens aber auch so wahrgenommen werden. Diese Sensibilität, dieses Bewusstsein müssen wir gemeinsam schaffen, indem immer wieder Gelegenheiten dazu gegeben werden. In Südtirol haben wir verschiedene Weiterbildungsträger auf hohem Niveau – ihr Profil als individuelle Kompetenzzentren zu stärken sowie die Vernetzung nach außen, beispielsweise zu anderen Bildungsinstitutionen oder zu Vereinen und Verbänden, zu verbessern müssen daher unsere vordergründige Ziele sein.

Kompass: Wie sehen Sie die Rolle des KVW im Bereich Bildung?

Philipp Achammer: Der KVW bietet ein vielfältiges Weiterbildungsangebot mit einer starken sozialen Verankerung an, welches sich sehen lassen kann, weshalb der KVW aus der Weiterbildungslandschaft Südtirol nicht mehr wegzudenken ist. Eine besondere Stärke stellt die dezentrale Verankerung in den Bezirken und Orten des Landes dar, gerade mit Blick auf die Themenvielfalt der Angebote. Wie für alle anderen Weiterbildungsträger gilt es, die Wahrnehmung dieser Angebote zu stärken und die Vernetzung zu anderen Trägern und die Abstimmung mit ihnen weiter zu verbessern.

Kompass: Die Forderungen nach Einsparungen nehmen zu. Ist für Sie die Bildung ein Bereich, in dem es Sparpotentiale gibt? Wo liegt für Sie die Grenze, was ist tolerierbar?

Philipp Achammer: Bildung und Berufsbildung sind im heurigen Haushaltsvoranschlag als einzige Bereiche von finanziellen Kürzungen ausgenommen worden. Damit setzt die neue Landesregierung ein bedeutendes politisches Signal. Im Hinblick auf die kommenden Jahre wird es mein politischer Auftrag sein, dafür zu sensibilisieren, dass Bildung als ganzheitlicher Auftrag wahrgenommen wird und deshalb auch alle anderen Bereiche mit Bildungsauftrag – die Kultur und die Weiterbildung im Besonderen – künftig von weiteren Einsparungenausgenommen werden.
Um eine dauerhafte Finanzierungssicherheit und mehrjährige Planbarkeit zu ermöglichen, sollen zudem Beitragskriterien angepasst, Professionalisierung und Management unterstützt und neue zusätzliche Finanzierungssäulen geschaffen werden.

Kompass: Welchen Weiterbildungskurs haben Sie als letztes besucht?

Philipp Achammer: „Wahlkampfmanagement“ im Zuge des vergangenen Landtagswahlkampfes. Vielleicht finde ich als leidenschaftlicher Sänger demnächst wieder einmal Zeit für eine Stimmbildung.
Zur Person
Philipp Achammer, Landesrat für Deutsche Schule, Bildungsförderung und Berufsbildung, Kultur, Integration.

KVW Aktuell

Eine gute Lebensqualität sichern

Interview mit Landesrätin Martha Stocker

Kompass: Sie haben mit Gesundheit, Sozialem, Arbeit und Sport ein wichtiges Ressort und viel Verantwortungübertragen bekommen. Was sind für Sie die drei größten Herausforderungen?

Martha Stocker: Ja, das ist in der Tat eine große Verantwortung. In der politischen Verantwortung und in der Verwaltung meines Ressorts habe ich viele Herausforderungen zu bestehen, die ich alle zusammen in einer großen zusammenfassen möchte: Wie sind angesichts immer geringerer öffentlicher Mittel und immer größerer Bedürfnisse der Menschen die wirklich wichtigen Dienste zu erhalten und zu gestalten, so dass man auch noch in fünf Jahren sagen kann: Wir haben alles unternommen, um unseren Nächsten und uns selbst eine gute Lebensqualität zu sichern, wir sind zufrieden, mit dem, was wir haben, und wir sind stolz auf das, was geleistet wurde.

Kompass: Der KVW fordert, dass soziale Zuwendungen im Bereich der Fürsorge nach dem Prinzip der Bedürftigkeit vergeben werden. Sehen Sie in der EEVE ein geeignetes und gerechtes Mittel, um Einkommen und Vermögen zu ermitteln?

Martha Stocker: Die Maßnahmen für das Soziale, die aus den Mitteln des Landeshaushaltes bezahlt werden, müssen grundsätzlich drei Dimensionen im Blick haben: die Hilfe in den Notlagen des Lebens, die jeden jederzeittreffen können (Bsp. Sozialhilfe), dann die Fürsorge für Menschen mit Beeinträchtigung einschließlich der Ermöglichung eines möglichst selbstbestimmten Lebens (Bsp. Pflegesicherung), und drittens die Förderung von Chancengleichheit in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens (Bsp. Arbeitseingliederung). Die Beiträge des Landes brauchen grundsätzlich nicht diejenigen, die aus eigener Kraft für sich selber sorgen können, die ein Sparkonto haben, eine Eigentumswohnung, einen Betrieb oder einen Bauernhof, ich glaube, da sind wir uns einig. Die EEVE erfasst alle Vermögens- und Einkommenspositionen und ist deshalb aussagekräftiger als zuvor die Steuererklärungen. Auf der anderen Seite wird eine soziale Bedürftigkeit nicht ausgeschlossen, auch wenn ein kleines Sparguthaben oder Vermögen da ist. Deshalb ist die EEVE sicher ein Instrument, das die Zielgenauigkeit für die Zuwendungen öffentlicher Mittel verbessert.

Kompass: Die Forderungen nach Einsparungen nehmen zu. Ist für Sie die Gesundheit ein Bereich, in dem es Sparpotentiale gibt? Wo liegt für Sie die Grenze, was ist tolerierbar?

Martha Stocker: Die Forderungen nach Einsparungen sind daseine, aber viel ernster ist, dass der überschuldete Staat alle seine Haushalte ganz real und ohne mit der Wimper zu zucken kürzt! Der Landeshaushalt bleibt davon leider nicht verschont, auch die Kapitel Gesundheit und Soziales nicht. Für den Landeshaushalt 2014 zum Beispiel schrumpft das Budget für den Landesgesundheitsdienst um 1,7 Prozent. Wir als Landesregierung glauben, dass dieses Minus durch Verbesserungen in der Organisation wettgemacht werden kann. Klar ist aber auch, dass man allein mit organisatorischen Umstellungen im öffentlichen Dienst nicht jede Budgetkürzung verdauen kann.Nur möchte ich in diesem Zusammenhang nicht von Sparpotentialen reden, sondern die Entwicklungspotentiale sehen, die meiner Meinung nach gegeben sind.

Kompass: In Südtirol steigt die Zahl der Arbeitslosen. Wird sich das wieder ändern? Oder braucht es andere Modelle statt der alleinigen Ausrichtung auf eine bezahlte Erwerbsarbeit?

Martha Stocker: Ja, die aktuelle Entlassungswelle (Hoppe, Würth, Memc) ist wirklich dramatisch und fordert uns heraus. Wir sehen, wie stark Südtirol mit dem Weltmarkt und mit den Exportmärkten verbunden ist, so dass auch unsere bisher ausgezeichneteBeschäftigungslage eine Krise erlebt. Die bezahlte Erwerbsarbeit ist für die meisten Menschen nicht nur Einkommensquelle sondern auch Sinnstiftung für ein erfülltes Leben. Über andere Modelle nachzudenken ist sicher interessant, doch im Moment vielleicht noch verfrüht. Wichtig hingegen erscheint mir, dass wir eventuelle Zeiten von Arbeitslosigkeit mit sinnbringenden sozialen Tätigkeiten füllen. Und hier könnten sich unsere vielen ehrenamtlich arbeitenden und gemeinnützig organisierten Verbände und Vereine wie z.B. der KVW sehr wertvoll einbringen.
Zur Person
Martha Stocker, Landesrätin für Gesundheit und Sport, Arbeit, Soziales und Chancengleichheit.