Thema
Zeitbank als Beispiel für Tauschwirtschaft

Die Arbeitszeit gilt als Währung

Was haben Geld und Zeit gemeinsam? Was haben eine Bank und eine Zeitbank gemeinsam? Die Funktion von Zeit ist identisch mit der Funktion von Geld. Beide sind ein Tauschmedium, dienen der Wertmessung und Wertebewahrung. Zeit ist zudem wertstabil. In vielen Ländern werden Zeitbanken als sozialpolitisches Medium für überfamiliäre Hilfe gefördert. Zeitbanken ermöglichen neue Solidargemeinschaften und fördern Teilhabe und Gegenseitigkeit.

Isolde ist Mutter von zwei Kindern im Grundschulalter und arbeitet Teilzeit. Wenn die Kindergeburtstage anstehen, greift sie auf die Dienste der Zeitbank zurück: sie lässt sich von einer anderen Frau die Geburtstags­torte backen. Frau Mair ist eine passionierte Konditorin und macht das gerne. So bekommt Isolde zu den Kindergeburtstagen kunstvoll verzierte Kuchen und Frau Mair kann die dafür gutgeschriebene Zeit gegen andere Leistungen eintauschen. Beide Frauen sind nämlich Mitglieder einer Zeitbank und tauschen so Zeit und nutzen die Talente anderer.
Was ist eine Zeitbank
Eine Zeitbank funktioniert wie eine Bank, nur nicht mit Geld sondern mit Zeit. Dies organisiert ein Verein und es steht keine Gewinnabsicht dahinter. Eigentlich ist es eine organisierte Nachbarschaftshilfe. Jede und jeder bietet das an, was er/sie gut kann: Beispiele sind das Kuchen backen, Hilfeim Garten, Babysitting, kleine Reparaturen und Handwerksarbeiten, Hilfe beim Lernen oder mit Fremdsprachen, Behördengänge oder Computerarbeit. Jede Leistung ist gleich viel wert, also eine Stunde Aufgabenhilfe ist gleich viel Wert wie eine Stunde Massage oder die Pflege von Zimmerpflanzen.
Dasist zum Beispiel eine Leistung, die Frau Mair in Anspruch nimmt. Mehrmals im Jahr fährt sie in Urlaub und über die Zeitbank hat sie einen Herrn gefunden, der ihr dann verlässlich ihre Zimmer- und Balkonpflanzen gießt. Die Stunden, die sie fürs Kuchen backen investiert hat, bekommt sie also wieder zurück, wenn auch nicht von der gleichen Person.
Die Zeitbank führt nämlich ein Konto, auf dem die Stunden gutgeschrieben oder abgebucht werden. Sinn der organisierten Nachbarschaftshilfe ist es, dass zwischen den Beteiligten ein Geben und Nehmen stattfindet, dass jeder, der seine Talente zur Verfügung stellt, dafür auch etwas bekommt.
Talente und Begabungen zählen
Im Leben ist es nun mal so, dass jede und jeder etwas besonders gut kann oder gerne macht und andere Dinge liegen ihm/ihr nicht so. Deshalb sind die Angebote und Nachfragen auch sehr breit gefächert.
Der Verein führt Listen mit den angebotenen Leistungen und versucht die Mitglieder auch durch Treffen und geselliges Beisammensein zusammenzuführen.
Die Zeitbank soll nicht berufliche Tätigkeiten ersetzen, das heißt, wer handwerklich begabt ist, kann Reparaturen oder Ausbesserungen anbieten, aber nicht ein Bad neu verfliesen oder die Wohnung neu weißeln.
Tauschgeschäfte früher
Früher fanden solche Tauschgeschäfte und Nachbarschaftshilfe auf Selbstinitiative statt. Es war gang und gäbe, sich bei der Heuernte oder dem Holzfällen zu helfen. Die Stunden wurden wieder „zurückgegeben“, ohne dass Geld im Spiel war. Erst in den vergangenen Jahrzehnten wurde jede Leistung mit Geld vergütet. Seit den 90er Jahren hat man sich wieder auf diese Tauschgeschäfte erinnert und sie in organisierter Form eingeführt. In Südtirol gibt es 15 Zeitbanken, wobei diese hauptsächlich in den größeren Zentren zu finden sind. In Italien gibt es etwa300 Zeitbanken,„banche del tempo“ genannt.
Die Zeit wird als Tauschmedium zur Wertmessung (wie viele Stunden) und zur Wertbewahrung genutzt. Auch in zehn Jahren wird eine Stunde noch eine Stunde sein. Im Unterschied dazu kann durch die Inflation mit einem Euro in zehn Jahren nicht mehr das selbe gekauft werden wie heute.
Zeitbanken erfüllen mehrere Aufgaben. Sie helfen soziale Beziehungen aufzubauen und sie helfen bei der Lösung kleiner Alltagsprobleme. Zeitbanken werten aber auch einzelne Menschen und ihre Talente und Fähigkeiten auf. Was früher als Nachbarschaftshilfe selbstverständlich war,ist durch den wirtschaftlichen Aufschwung und den Wohlstand in den vergangenen Jahrzehnten in den Hintergrund gedrängt worden. Durch die Zeitbank wird dies wieder gefördert, nachbarschaftliche Beziehungen können auch im städtischen Umfeld entstehen.
Neben der Vermittlung der Dienste bemühensich die Zeitbanken auch darum, das Kennenlernen und den Kontakt untereinander zu fördern. Es werden gesellige Treffen organisiert, die eingeschriebenen Mitglieder können ihre Erfahrungen austauschen und sich absprechen.
Ideen für die Zukunft
Die Idee, mit Zeitbanken fürs Alter vorzusorgen, stammt von verschiedenen Initiativen in Deutschland und Österreich.
Zu der gesetzliche Rente und der eventuellen Zusatzrente kommt eine weitere Rente dazu, die „Zeitanspar-Rente“, die das Leben im Alter absichern soll.
In Japan gibt es beispielsweise „Fureai Kippu“. Dies ist ein Unterstützungssystem auf Tauschbasis, also eine deutlich enger gefasste Zeitbank, denn sie beinhaltet nur Tätigkeiten, die es den Menschen erlauben, so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben zu können, bevor die Unterbringung in einem Pflegeheim unumgänglich wird. Dieses Unterstützungssystem hilft insbesondere bedürftigen Menschen, die zu arm sind, um sich die notwendigen Dienstleistungen auf dem Geldmarkt einkaufen zu können. Die professionelle medizinische Versorgung und Pflege wird dabei weitgehend ausgenommen, weil diese von Fachkräften, die durch Kranken- und Pflegeversicherung finanziert werden, gewährleistet bleiben soll.
Zeit fürs Alter ansparen
Aufgewendete Zeiten für nachbarschaftliche Hilfeleistungen können auf Zeitkonten angespart werden, um diese später, wenn man selbst Hilfe braucht, gegen Hilfeleistungen der gleichen Art zurück zu tauschen. Das kann auch als ein über viele Jahre zeitversetzter Tausch angesehen werden.
EineVorsorge-Zeitbank ist ähnlich der gesetzlichen Rente ein Umlageverfahren, nur mit Zeit anstelle von Geld als Währung. Erworbene Zeitguthaben können an andere Personen (Verwandte, Freunde, Bekannte) verschenkt werden, wenn man sie selbst nicht benötigt (weil man z.B. über genügend eigenes Einkommen verfügt). Zusätzlich sollte eine Vorsorge-Zeitbank ein Sozialkonto besitzen, in das nicht selbst benötigte Zeitguthaben transferiert werden und aus dem Bedürftige Zeitguthaben gespendet bekommen können, wenn sie selbst (noch) keine Guthaben ansammeln konnten.
Die (Vorsorge)-Zeitbanken
Es gibt keine Inflation (Wertverfall), denn eine Stunde (Lebenszeit) bleibt immer eine Stunde. Weil nur Zeit als Verrechnungseinheit verwendet wird, gibt es keine komplizierte (Renten-)Formel wie bei der gesetzlichen Rente, die ohne Mitwirkungsmöglichkeit der Einzahler von der Politik verändertwerden kann.

Vorsorge-Zeitbanken verbessern die Vorsorgesituation für arme Hilfsbedürftige, ohne die öffentliche Hand finanziell zu belasten. Sie wären eine zusätzliche Säule in der Altersvorsorge. So wie die Zeitbanken sind sie transparentes und selbstbestimmtes System.
Durch den demografischen Wandel und die Sparmaßnahmen wird die Arbeit in der Pflege belastend. Wird das Pflegepersonal von weiteren Personen unterstützt, ist dies eine
Entlastung des schlechten Gewissens der MitarbeiterInnen, die professionelle medizinische Versorgung und Pflege leisten und den Bedürftigendarüber hinaus die notwendige menschliche Zuwendung nicht geben können.
Neue Solidargemeinschaften
So weit sind wir in Südtirol noch nicht. Isolde und Frau Mair nehmen Leistungen der Zeitbank in Anspruch und bieten Leistungen an. Für die erbrachten Stunden werden auf ihrem Zeitkonto Stunden gutgeschrieben, die in Anspruch genommenen Leistungen werden von ihrem Zeitkonto abgebucht. Das ist die eine Seite der Zeitbank. Darüber hinaus entstehen zwischen den Mitgliedern der Zeitbank wertvolle Kontakte, jede und jeder ist mit seinen Fähigkeiten und Talenten geschätzt, durchs gegenseitige Helfen entstehen neue Solidargemeinschaften.

Text: Ingeburg Gurndin

KVW Aktuell
Tagung der KVW Senioren befasst sich mit der Rolle derälteren Menschen in der Gesellschaft von heute

Zwischen Aktivität und Rückzug

Die KVW Senioren haben eine Tagung zum Thema„Alternde Gesellschaft – wer braucht wen“ organsiert. Professor Lothar Böhnisch versuchte von der wissenschaftlichen Seite her eine Antwort auf diese Frage zu geben. Abgerundet wurde die Tagung von Erfahrungsberichten älterer Menschen. Maria Kußtatscher ist die neue Vorsitzende der KVW Senioren. Sie gab den zahlreich erschienenen Seniorenklubleiterinnen und –leitern, sowie Interessierten das Motto mit „Wer gibt, dem wird gegeben“.

In seinem Referat ging Professor Lothar Böhnisch auf drei Dimensionen im Leben ein, die sich im Alter verändern. Es sind dies der Raum, die Zeit und der Sinn.
Während es bei jungen Erwachsenen um den Traum von der Wohnung geht, kommt später die funktionelle Wohnphase, in der es darum geht, wie Lebenspartner mit Kindern möglichst funktionell leben. Diese Phasen berücksichtigt die Möbelwerbung genauestens. Das Wohnen im Alter ist jedoch kein Werbethema. Hier müsste es darum gehen, wie sich ältere Menschen einrichten, um Kontakte pflegen zu können und gleichzeitig die Möglichkeit für einen Rückzug zu haben. Der Bereich vom selbstbestimmten Wohnen ist sehr unterbelichtet, vor allem auch in Altersheimen.
Entschleunigung und Zeit haben
Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, ältere Menschen können da schlecht mithalten. Die Entschleunigung, die neue Zeiterfahrung und das Innehalten seien nicht als Defizit zu sehen. Dies sind zum Beispiel Punkte, die die Enkelkinder an ihren Großeltern so schätzen.
Die Sinnfindung im Alter sei vor dem Aspekt der Endlichkeit zu sehen und oft auch religiös besetzt. Es gehe aber auch um die Zukunft, um Nachhaltigkeit. Es werde oft vernachlässigt, wie wichtig diese Themen älteren Menschen sind.
Professor Lothar Böhnisch machte darauf aufmerksam, dass man nicht von „dem Alter“reden kann, sondern es differenzierter sehen muss. Die Werbung achte zum Beispiel sehr darauf, welche Altersgeneration angesprochen werde, oder auch, ob es um Bildung, Gesundheit oder Freizeit gehe. „Das Alter ist sozial gespalten in Altersarmut und in reiche ältere Menschen, die sich Vieles leisten können“, sagte Böhnisch. Das Alter sei aber auch in Gesundheit und Gebrechlichkeit gespalten und es gebe einen großen Unterschied, wie Männer und Frauen damit umgehen. Im Durchschnitt tun sich Männer schwerer, sich aus der Arbeitsrolle zu verabschieden und ins Alter überzugehen. Ihre sozialen Kontakte seien hauptsächlich über die Arbeit zustande gekommen, und es fällt ihnen oft nicht leicht, diese zu halten.
Professor Lothar Bönisch schlägt eine Aufwertung und Vergütung – auch nicht-monetär - der Bürgerarbeit vor. Die Erwerbsarbeit kann längst nicht mehr alle Menschen aufnehmen, es gibt Brüche im Leben und Übergangs­situationen. Da braucht es neue, andere Formen. Die Bürgerarbeit ist weiter zu sehen als das Ehrenamt, sie geht auf den einzelnen ein und erreicht jene Menschen, die der Markt nicht mehr erreicht.
Alter als Entwicklungsphase
Für Professor Böhnisch gibt es im Alter zwei zentrale Aspekte: zum einen die Aktivierung und zum anderen die Entwicklung. Es gibt das Bild vom aktiven älteren Menschen, jedoch gelte es, die richtige Balance zwischen Aktivität und Rückzug zu finden. Die dritte Lebensphase ist eine Entwicklungsphase, so wie sie bei Kindern und Jugendlichen vorkommt. Zum Unterschied dazu baut sie auf die bisherige Biografie auf.
Neben dem Referat, das eine Antwort auf die Frage „Braucht das Alter die Gesellschaft oder braucht die Gesellschaft das Alter“ zu geben versuchte, gab es Erfahrungsberichte. Ältere Menschen erzählten aus ihrem Leben, vom Übergang von der Arbeit in die Pension, vom Alter als einer Entwicklungsphase und von den notwendigen Rahmenbedingungen und ihren Bedürfnissen.
Grußworte sprachen Landesrat Richard Theiner und Landesrätin Sabina Kasslatter Mur, weitere Ehrengäste waren Johannes Noisternigg, Josef Stricker, Gretl Wörndle, Otto von Dellemann und Norbert Bertignoll. Die Tagung wurde vom Seniorenchor Eggen unter der Leitung von Edeltraud Grumer musikalisch umrahmt.

Text: Ingeburg Gurndin