Thema

Stimmen aus dem KVW

KARL KERER
Bezirksobmann Wipptal und Ortvorsitzender Wiesen
Südtirol ist ein reiches Land. In den letzten Jahren ging es stetig bergauf. Allerdings haben in letzter Zeit immer mehr Menschen ein Problem, mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen. Die teuren Energiepreise und die gestiegenen Lebenshaltungskosten machen Angst. Spürt man diese Unsicherheit?
Ja, man spürt große Angst besonders in der unteren Mittelschicht mit dem Lohn, bzw. mit der Rente nicht mehr über die Runden zu kommen. Viele Bürger leben bereits in Armut, ca. 8 Prozent im reichen Südtirol, und dies wird leider oft vergessen. Energie und Nahrungsmittelkosten steigen enorm, aber beim Einkommen fehlen die sofortigen Anpassungen. Auch die Sanitätskosten sind zwischen Ticket und Nebenkosten bei Spezialbehandlungen für viele Bürger nicht mehr leicht zu stemmen.
Ein großes Anliegen des KVW ist auch die Bildung. In vielen Gemeinden Südtirols werden Weiterbildungen und Lehrgänge zu unterschiedlichsten Themen angeboten. Das Ziel ist es, Bildung allen zugänglich machen und dort anzubieten, wo Menschen Lust auf Entwicklung und Gemeinschaft haben. Haben ihrer Meinung nach alle Menschen gleichen Zugang dazu?
Bildung wird zwar viel angeboten, kann aber nicht von allen genutzt werden. Onlinekurse, besonders für Senioren, sind nicht immer geeignet, da sehr oft die Ausrüstung, bzw. die Internetverbindungen fehlen. Für viele Jungfamilien mit Arbeitsverhältnis sind die Kurszeiten zu wenig flexibel. Kurse sollten während der Schulzeit aber, auch abends angeboten werden. Wegen der vorgeschriebenen Mindestanzahl an Teilnehmern, ist es leider oft nicht möglich (besonders im ländlichen Raum) sie dann auch effektiv durchzuführen. Pflegekurse sollten landesweit angeboten werden, um den Pflegenotstand zu verringern. Zu Kursen haben eigentlich fast alle Personen den gleichen Zugang, sie werden aber von uns Männern weniger in Anspruch genommen.
MARIANNA OBERTIMPFLER
Ortsvorsitzende Mölten
Der KVW ist seit Beginn eine Bewegung von werktätigen Menschen in Südtirol. Solidarität und Gemeinwohl werden groß geschrieben. Warum engagieren Sie sich im KVW und was kann der Einzelne zur großen Gemeinschaft beitragen?
Ich engagiere mich im KVW, weil ich mich vor Ort für soziale Gerechtigkeit und für das Gemeinwohl einsetzen kann. Dies sind wichtige Säulen in unserer Gesellschaft, sie tragen dazu bei, dass der soziale Frieden im Land gewährleistet wird. Der Einzelne kann mit der Mitgliedschaft, mit der Teilnahme an den verschiedenen vom KVW initiierten Veranstaltungen und Aktionen und auch mit aktivem Einsatz zur großen Gemeinschaft beitragen.  
„Miteinander in Bewegung, damit Gemeinschaft wächst“ lautet das aktuelle Jahresthema. Immer schwieriger wird es aber junge Menschen für das Ehrenamt zu begeistern. Was macht den KVW auch für die Zukunft noch attraktiv?
Meiner Meinung nach kann man junge Menschen dadurch für das Ehrenamt begeistern, wenn man Themen aufgreift, die für ihre Zukunft von großer Wichtigkeit sind, z.B. Generationengerechtigkeit oder Nachhaltigkeit etc. Der KVW wird auch in der Zukunft noch attraktiv sein, wenn man Mut zu Veränderungen hat.

Soziales

Für ein soziales Südtirol

Der Landessozialplan 2030
Landesrätin Deeg stellt den Sozialplan vor - FOTO: Eurac Research / Matthias Mühlberger
Das Sozialwesen ist eine zentrale Säule unserer Gesellschaft und hat in Südtirol Tradition. Das beweisen unzählige Einrichtungen und Dienste für Senior:innen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Beeinträchtigung und in schwierigen Lebenslagen.
Neben den professionellen Angeboten gibt es über 400 Sozialvereine, in denen sich über 10.000 Südtiroler:innen engagieren. Der Katholische Verband der Werktätigen (KVW) als größter dezentraler Sozialverband ist einer davon und mit seinen 240 Ortsgruppen und 100 Seniorenclubs landesweit aktiv.
Alles ist im Fluss und die Herausforderungen werden ständig größer und unvorhersehbarer. Das haben uns die Coronakrise und der Ukrainekrieg klar vor Augen geführt. Gerade das soziale Gleichgewicht scheint damit immer mehr aus den Fugen zu geraten. Umso wichtiger ist es, stets gemeinsam an einem sozialen Südtirol zu bauen. Obwohl und gerade weil wir nie sicher sein können, braucht es Leitplanken für die Zukunft, die Orientierung geben. Ein wichtiges Instrument dafür ist der Landessozialplan 2030.
Er baut auf den Erfahrungen, Erkenntnissen und Prognosen von 350 Expert:innen, Betroffenen und Angehörigen auf, die sich seit Januar 2020 für ein zukunftsfähiges Sozialwesen in unserm Land eingebracht haben. Dazu wurden von der Eurac Research Bozen im Auftrag der Landesabteilung Soziales fünf Workshops organisiert und ebenso viele Onlinebefragungen durchgeführt, an denen über 1.000 Personen teilnahmen. Entstanden ist ein wissenschaftlicher Grundlagenbericht, der auch statistische Prognosedaten beinhaltet. Als Ergebnis hat die Eurac Research Handlungsempfehlungen für die Politik vorgeschlagen. Welche Maßnahmen unter den vielen Optionen in den nächsten Jahren angegangen werden, wird gerade von Politik und Verwaltung in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern erarbeitet und im eigentlichen Landessozialplan festgehalten. An diesem arbeitet das Bildungs- und Forschungsinstitut Chiron und baut dazu aktuelle Rückmeldungen von Interessensvertretern ein.
Schon jetzt steht fest, dass vor allem eine reformierte Ausbildung des Pflegepersonals notwendig sein wird, die Vergütung möglichst gerecht zu gestalten ist und nicht erwerbstätige Personen mehr für den Pflegeberuf gewonnen werden müssen. Aber auch mobile und teilstationäre Betreuungsangebote für Senior:innen sind ein Muss. Wie das alles zu finanzieren ist, bleibt eine der größten Herausforderungen. Angedacht sind finanzielle Mittel aus dem Nationalen Wiederaufbauplan und dem Europäischen Sozialfonds. Der fertige Sozialplan soll Ende 2022 durch Beschluss der Landesregierung verabschiedet werden.
TEXT: Ines Simbrig / Josef Bernhart (Eurac Research)