KVW Aktuell

Energiegemeinschaften: Chance für Südtirol?

Die Preise für Strom und Wärme steigen und steigen
Die Kraft der Sonne um Strom zu erzeugen
Zugleich ist die Versorgungssicherheit nicht garantiert. Ein Ausweg aus Energiekrisen könnten in Zukunft Energiegemeinschaften sein. Sie sollen für moderate Preise und mehr Versorgungssicherheit sorgen. Auf einer Tagung der Plattform Land, bei welcher der KVW auch Partner ist, wurden nicht nur Vorteile und Herausforderungen beleuchtet, sondern auch erfolgreiche Modelle vorgestellt.
Die stark gestiegenen Preise für Strom und Wärme bereiten immer mehr Menschen Sorgen. Daher sei es richtig, sich Gedanken über neue Modelle der Energieerzeugung und -verteilung zu machen. „Ein interessantes Modell, das sich auch für Südtirol anbietet und eine Chance darstellt, sind Energiegemeinschaften“, sagte Andreas Schatzer, der Präsident der Plattform Land, den knapp hundert Interessierten bei einem Webinar zu den Chancen für Energiegemeinschaften. Das Prinzip dahinter sei recht einfach: „Jemand produziert Strom oder Wärme oder beides, die Energie wird an Kunden meist in der näheren Umgebung verteilt“, so Schatzer. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen auf den Energiemärkten, die länger anhalten dürften, werden Energiegemeinschaften zu einem großen Thema werden, prophezeite Schatzer. Derzeit gebe es aber noch viele offene Fragen, da einige Durchführungsverordnungen fehlen.
Gute Voraussetzungen hierzulande
Südtirol besitze gute Voraussetzungen für Energiegemeinschaften, war Rupert Rosanelli, Direktor vom Beratungs- und Energieunternehmen „Inewa“, überzeugt. Zudem habe man bereits erste Erfahrungen gesammelt: „Fernheizwerke und einige Genossenschaften im Bereich Energie funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip.“ Das Interesse an Energiegemeinschaften sei hierzulande groß. Hinzu komme noch, dass gleich mehrere interessante Energieträger zur Verfügung stünden, wie Photovoltaik, Biomasse oder Wasserkraft. Für Pascal Vullo vom Südtiroler Bauernbund sind Energiegemeinschaften auch für die Bäuerinnen und Bauern interessant. Sie hätten oft große Dachflächen für Photovoltaikanlagen. Aber auch die Biomasse könnte interessant sein. Barbara Passarella vom Raiffeisenverband Südtirol sieht eine große Chance für Energiegemeinschaften durch das funktionierende Genossenschaftswesen. Gerade Genossenschaften seien als Modell für Energiegemeinschaften die erste Wahl.
Vorbild aus Wien
Gute Erfahrungen mit Energiegemeinschaften habe man in Wien gemacht, erklärte Michaela Turetschek von Power Solution, die Projektleiterin der „Grätzl Energiegemeinschaft“ ist. „Vier Stromproduzenten beliefern unter dem Motto ‚Miteinander füreinander‘ 30 private und betriebliche Annehmer mit Strom von Photovoltaikanlagen auf Dächern. Dadurch sind die Projektpartner unabhängig von großen Energieversorgern. Zudem ist der Strompreis stabiler und auch etwas günstiger“, so Turetschek. Hinzu komme, dass sich alle Beteiligten intensiv mit der Energiegemeinschaft und der Stromerzeugung auseinandersetzen würden. Natürlich gebe es aber auch Herausforderungen: „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene und in Österreich sind komplex. Zudem ist der Verwaltungsaufwand gerade für eine kleine Energiegemeinschaft nicht zu unterschätzen. Und gerade zu Beginn würden Energiegemeinschaften oft nicht wirtschaftlich arbeiten.“
Energiegemeinschaften schaffen Mehrwert
Dreh- und Angelpunkt vieler Energiegemeinschaften seien die Gemeinden, erinnerte Energiemanagerin Daniela Patrucco. Eine große Herausforderung sei, ein lokales Energiesystem zu entwickeln und das Wissen um das Thema Energie an die Bürger:innen zu vermitteln. „Energiegemeinschaften schaffen vor Ort einen Mehrwert für die Menschen – Arbeitsplätze, Wohlstand und Wertschöpfung.“ Zudem habe Patrucco die Erfahrung gemacht, dass sich die Mitglieder der Energiegemeinschaften intensiv mit dem Energiesparen auseinandersetzen.
Dass es auch in Südtirol großes Interesse gerade von Seiten der Gemeinden gebe, bestätigte auch der Bürgermeister von Rasen-Antholz, Thomas Schuster.
Gemeindeübergreifend denken und handeln
Wie gemeindeübergreifende Energiegemeinschaften funktionieren können, hat Emiliano Mian, Direktor der CCF „Comunità Collinare del Friuli“, erklärt. In 15 Gemeinden, die sich zusammengeschlossen haben, liefern 40 Photovoltaikanlagen, die z. T. auf öffentlichen Gebäuden installiert wurden, Strom. Daneben setzen die Gemeinden auf Elektromobilität, Radwege usw. Ziel sei es auch hier, die Wertschöpfung vor Ort zu belassen, die Lebensqualität zu verbessern, der Abwanderung vorzubeugen und damit insgesamt das Territorium zu stärken.
Plattform Land
Die „Plattform Land“ ist eine Südtiroler Allianz für lebendige ländliche Räume und intelligente Flächennutzung.
Mit der Gründung des Vereins Plattform Land im April 2017 wurde die Zusammenarbeit institutionalisiert und gefestigt. Der KVW ist gemeinsam mit 15 Partnern Mitglied der Plattform Land.

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Das Morgen im Blick

Was wir aus der Krise lernen können
Einsatz für die nächsten Generationen - FOTO: mika-baumeister-bnuFRiQDYIM-unsplash
„Weg vom Mehr, hin zum Besser“. Dieses Motto begleitet mich seit Jahren, jetzt auch in meiner Funktion als Unternehmerverbandspräsident. Genau darin sehe ich die große Chance dieser Krise – wobei es ehrlicherweise in dieser herausfordernden Zeit nicht nur eine, sondern gleich mehrere Krisen zu bewältigen gilt.
Heiner Oberrauch
FOTO: Thilo Brunner
Der ökologische Umbau wird uns Geld kosten. Wir werden uns nicht mehr alles leisten können und auf das Eine und Andere auch verzichten, aber die Lebensfreude wird darunter nicht leiden müssen. Bestimmte Produkte und Dienstleistungen werden teurer werden: Wir sehen es bei der Energie. Und dennoch: Ich bin überzeugt, dass wir gerade in diesen Bereichen so manches Verhalten verändern müssen, es gibt großes Gestaltungspotential. Und mit „wir“ meine ich jede und jeden von uns.
Was können wir als Unternehmerinnen und Unternehmer beitragen? Einige konkrete Ansätze.
Thema Klimawandel. Investitionen in Energieeffizienz, sparsamer Umgang mit Grund und Boden, neue technologische Lösungen: hier sind unsere Unternehmen, gerade jene der Industrie, schon sehr gut unterwegs. Aber es geht noch besser: Zum Beispiel durch die Eigenproduktion und die Gründung von Energiegenossenschaften oder durch unterirdisches Bauen, wo die Landschaft geschont wird. Enkeltaugliches Wirtschaften wird zur globalen Herausforderung. Nachhaltigkeit wird zum Vorteil der Unternehmen, denn damit stärkt jedes Unternehmen seine Attraktivität für neue Mitarbeiter:innen und damit auch seine internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Thema Digitalisierung. Wir haben in der Corona-Zeit gesehen, wie schnell Digitalisierung Veränderungen vorantreiben kann. Diesen Mut zum Neuen sollten wir mitnehmen. Auf unserem Weg „hin zum Besser“ ist Digitalisierung entscheidend. Das gilt im privaten Bereich genauso wie in der öffentlichen Verwaltung. Ein ganz konkretes Beispiel: Die Bürgerkarte enthält die meisten unserer relevanten Informationen, mit dieser bräuchte es eigentlich in keinem öffentlichen Amt mehr das lästige Ausfüllen von Zetteln.
Thema Globalisierung. Als Südtiroler:innen im Ausland habt ihr eines mit unseren heimischen Leitbetrieben gemeinsam: ihr seid in unserer Heimat verwurzelt und gleichzeitig weltweit unterwegs. Genau das ist eine der großen Stärken unserer Wirtschaft, darauf gilt es auch in Zukunft zu setzen.
Thema sozialer Ausgleich. Hier gilt ganz klar: Wirtschaft und Soziales dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie sind gemeinsam mit der Ökologie die grundlegenden Säulen für eine nachhaltige Entwicklung. Den Familien muss mehr Netto vom Brutto bleiben: Die Steuern auf Arbeit müssen sinken. Es braucht ein wettbewerbsfähiges Umfeld, damit Unternehmen sich entwickeln können, hochqualitative und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten können und mit ihrem Steueraufkommen öffentliche Dienstleistungen finanzieren können. Es muss in Bildung investiert werden: Für die Jugend, aber auch in Aus- und Weiterbildung, denn lebenslanges Lernen wird nötig sein, um auf Krisen und die schnellen Veränderungen zu reagieren, die auf uns zukommen.
Weg vom Mehr, hin zum Besser – so stelle ich mir die Zukunft nach der Krise vor!
TEXT: Heiner Oberrauch