Kommentar

Mehr Wertschätzung, bitte!

Die Rolle der Sozialberufe in unserer Gesellschaft
Es braucht einen großen Sprung nach vorne um einer weiteren Verschärfung des Pflegenotstands entgegenzuwirken. Dazu gehören unter anderem eine höhere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen.
Der Personalnotstand in den sozialen Diensten und Seniorenwohnheimen steigt kontinuierlich an, derzeit können zum Beispiel in den Altersheimen viele Betten nicht mehr nachbesetzt werden. Bestehender Personalmangel wird seit Jahren beklagt, gleichzeitig verschärfen sich die Probleme zusehends. Auch in den sozialen Berufen benötigt es Karriereaussichten und angemessene Entlohnung, um sie attraktiv zu machen.
Marta von Wohlgemuth,
Geschäftsführerin des Landesverbands für Sozialberufe
Der Auftrag der Sozialberufe ist immer eng mit der gesellschaftlichen Situation verbunden.
Es wird erwartet, dass die Sozialberufe auf die Veränderungen in der Gesellschaft und der Bedürfnisse der anspruchsberechtigten Menschen reagieren.
Menschen, insbesondere Benachteiligte, Gruppen, Gemeinwesen und Organisationen, sollen ihr Leben und Zusammenleben im Sinne der Verfassung und der Menschenrechtskonvention der Vereinigten Nationen, zunehmend mehr selbst bestimmen und in solidarischen Beziehungen bewältigen können. Die Mitarbeiterinnen in den Sozialberufen, Sozialbetreuer*innen, Frei­zeit­gestalter*innen, Alten­pfleger*innen, Behinderten­betreuer*innen, Mit­arbeiter­*innen für Integration, Kinderbetreuer­*innen Tagesmütter und Tagesväter, Fachkräfte für Arbeitsinklusion, Soziale Hilfskräfte und Pflegehelfer*innen im sozialen Bereich, müssen dabei stets zwischen den individuellen Bedürfnissen der zu betreuenden Menschen auf der einen Seite und den gesellschaftlichen Ansprüchen, Möglichkeiten und Grenzen auf der anderen Seite, umgehen können.
Dazu kommt, dass sich Öffentlichkeit und Politik häufig etwas anderes von ihnen erwarten, als die Arbeitgeber/innen. Um einen Sozialberuf ausführen zu können, braucht es eine fachgerechte Ausbildung, welche sich an einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert.
Kein Durchschnaufen in Sicht
Die durch Covid-19 ausgelöste Situation fordert uns alle, ganz besonders die Mitarbeiterinnen in den Sozial- und Gesundheitsberufen. Die bereits unter „normalen“ Bedingungen stark beanspruchten Berufe sind gefordert, die Versorgung der zumeist äußerst vulnerablen Menschen in den Einrichtungen und Diensten aufrecht zu erhalten, sei es in den Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, teilstationären und ambulanten Sozialdiensten. Im Mai dieses Jahres wurde in Italien die Impfpflicht für die Gesundheits- und Sozialberufe eingeführt und die Frist wird über den 31. Dezember 2021 hinaus verlängert. Es kommt zu Suspendierungen von Mitarbeiterinnen, welche sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen und damit steigt der Druck für die verbleibenden Mitarbeiterinnen um ein Vielfaches. Bedenklich dabei ist, dass diesen Belastungen kaum präventiv entgegengewirkt wird. Es stellt sich die Frage, wie lange halten sie diesen Druck noch aus und wann gelangen sie an die Grenze der Belastbarkeit. Kann es sich eine Gesellschaft leisten, Mitarbeiterinnen der genannten Dienste „ausbrennen“ zu lassen? So wenig es an unverantwortlichen Notlösungen mangelt, diese Probleme zu beheben, so sehr mangelt es an Mut, die Herausforderungen grundsätzlich anzugehen.
Was benötigt es?
Was müssen wir tun: die Gehälter anheben, bessere Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmerinnen und Aufstiegsmöglichkeiten schaffen, um die sozialen Berufe auch für die Besten attraktiv zu machen. Den Sozialberuf würden mehr Menschen ausüben, wenn anerkannt würde, was die Mitarbeiterinnen der Sozialberufe für die Gesellschaft leisten: sie erfüllen eine gesellschaftliche Funktion.

TEXT: Marta von Wohlgemuth

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

am 25. November wird der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen begangen, am 10. Dezember der Tag für Menschenrechte. Dazwischen liegen 16 Tage, in denen unter dem Hashtag #16Tage vermehrt Gewalt an Frauen thematisiert wird und zur Sprache kommt. Dieser Aktionszeitraum wird in vielen Ländern Europas genutzt, um Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine gravierende Menschenrechtsverletzung ist. Sie hat nachhaltige Folgen für alle direkt und indirekt Betroffenen, aber auch für die gesamte Gesellschaft.
Was schon vor der Krise als Missstand vorhanden war, wurde durch die Corona-Epidemie deutlicher und verschärft. Gewalt gegen Frauen und Mädchen im häuslichen Bereich hat zugenommen. Es braucht eine Gesellschaft, die davor nicht die Augen verschließt. Es braucht personelle und finanzielle Mittel für entsprechende Hilfsangebote. Hinschauen, zuhören, aufzeigen, nicht still sein, nicht als Betroffene und nicht als Zeuge/in muss die Devise sein.
Ingeburg Gurndin