KVW Aktuell

Wann wird es wieder normal?

Wir brauchen Kontakte, Austausch, Reden und Nähe
Werner Atz
KVW Geschäftsführer
Wir haben uns an die Distanzierung, die Corona uns vorschreibt, gewöhnt. Wir haben alle unsere sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert. Ich bin bei der Arbeit im KVW und im Kalterer Rathaus und bei der Familie. Das war‘s. Wenn wir in einem Film eine Menschenansammlung sehen, volle Schulklassen, Feiern, erscheint uns das ungewohnt, wie aus einer anderen Zeit.
Wie lange auch immer diese Zeit des Abstands und der Vorsicht dauern wird, sie wird uns im Kopf bleiben. Es ist die Angst, jemandem zu nahe zu kommen, oder noch schlimmer, die Angst, dass jemand anders, ob fremd oder gut bekannt, uns zu nahe kommt.
Gut tut uns das nicht. Der Mensch ist ein soziales Wesen, wir brauchen den Kontakt zu unseren Mitmenschen, den Austausch, die Diskussion, die Umarmungen, das Händeschütteln, das Kommunizieren.
Heute sehen wir nur Corona. Das ist wichtig, keine Frage. Aber Gesundheit ist viel mehr.
Was ist mit all den Oberschülern, die allein daheim sind, am Nachmittag Handy- statt Fußballspielen? Was ist mit all den Einzelkindern, die überhaupt keine Kontakte mehr haben? Was ist mit den einsamen Menschen? Mit den Seniorinnen und Senioren alleine zu Hause?
Wir gewöhnen uns an die Einschränkungen, aber Covid darf nicht zur Normalität werden. Wir dürfen nicht leichtsinnig sein, aber unser Leben auch nicht von Viren und Bakterien bestimmen lassen.
Es wird Aufgabe des KVW sein – nach Überwindung der Covid-Krise – alles dafür zu tun, dass die sozialen Kontakte und Netzwerke wiederbelebt werden, die die Gesellschaft, die Personen und den KVW ausmachen und die für seine Mitglieder so wichtig sind.
Halten wir uns alle an die Regeln. Nur so können wir auf Normalität hoffen.
TEXT: Werner Atz

KVW Aktuell

(K)ein Ende in Sicht?

Sexismus im Südtiroler Alltag
Sexismus, vor allem in den sozialen Medien, scheint alltäglich und salonfähig zu sein. Er wird von der Gesellschaft toleriert, scheinbar „darf“ eine Frau ohne große Konsequenzen verbal erniedrigt werden
und es „darf“ sogar mit Gewalt gedroht werden. Andrea Fleckinger geht der Frage nach, was dies für
eine Gesellschaft ist, die Gewalt an Frauen mitträgt, begünstigt und immer wieder neu produziert.
Andrea Fleckinger ist Sozialassistentin und Mitarbeiterin
im Frauen-hausdienst der Bezirksgemeinschaft Eisacktal in Brixen.
“... dass sie mal so richtig hergnuman weart …“
Ein Satz, Eine Drohung,
Zwei „gefällt mir“ Angaben …
so passiert vor ein paar Wochen in Südtirol.
Eine ganz normale Reaktion auf die politische Meinung einer Frau?
In unserer Gesellschaft anscheinend schon. Sexismus ist salonfähig, gehört einfach dazu, da kann Frau nichts machen und Mann sowieso nicht. Von Generation zu Generation wird verlässlich weitergegeben, wie Männer Frauen verachten und erniedrigen können. Besonders dann, wenn Frauen sich trauen zu sprechen.
Betroffen sind Frauen, die sich nicht verstecken
Wenn Frauen eine Meinung haben zu einem Thema und es wagen diese öffentlich kundzutun. Schlimmer noch, wenn betreffende Frau aus der ihr zugewiesenen Geschlechterrolle ausbricht, keine als „Frauenberuf“ definierte Tätigkeit ausübt und in eine männliche Domäne eindringt, wie z,B. der Politik. Hat Frau Politikerin dann auch noch eine Meinung schlägt die Inquisitionsschranke zu. Schnell wird sie daran erinnert, welcher Platz ihr in unserer patriarchalen Gesellschaft zugedacht ist und was passieren kann, wenn sie es wagt diesen zu verlassen. Männliche Gewalt an Frauen passiert, in vielen Formen, physisch, sexuell, ökonomisch und psychisch, zu Hause und im öffentlichen Raum, nicht nur die Femizide erinnern uns nahezu täglich daran.
Seit Jahrzehnten wehren sich Frauen gegen diese gesellschaftliche Ordnung, die alleinig den Mann als Prototypen des Menschen anerkennt und die Frau als eine Form der Devianz ansieht, die aufgrund ihrer Unvollständigkeit beherrscht und abgewertet werden darf. Seit Jahrzehnten werden schrittweise, meist nach heftigen Kämpfen, wichtige Meilensteine für die Gleichberechtigung der Geschlechter gesetzt.
Gleichberechtigung bedeutet noch nicht Gleichwertigkeit
Gleichzeitig müssen wir auch erfahren, dass die Gleichberechtigung nicht automatisch etwas mit Gleichwertigkeit zu tun hat. Die bekannte deutsche Journalistin und Feministin Alice Schwarzer hat in ihrem Buch „Es reicht – gegen Sexismus im Beruf“ (2013) versucht eine Chronologie der zentralsten Eckpfeiler darzustellen, wie Frauen gegen Sexismus und für Gleichwertigkeit kämpfen. Sie beginnt in den 70er Jahren in den USA, wo 1975 die Gruppe „Working women united“ erstmal eine Plattform schuf, in der Frauen über die verschiedenen sexuellen Belästigungen, die sie am Arbeitsplatz erfahren haben, erzählten. 1983 wir das Thema sexuelle Belästigung auch in der EU diskutiert und verurteilt – eine deutsche Studie zeigte damals, dass jede 14te Frau wegen sexueller Übergriffe ihren Arbeitsplatz gekündigt hatte. Knappe acht Jahre später zeigte eine weitere deutsche Studie, dass drei von vier Frauen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt haben.
#Aufschrei und #MeToo
2011 wird Dominique Strauss-Khan, der Chef des IWF und damit mächtigster Banker der Welt, verhaftet, allmählich werden seine jahrelangen sexuellen Belästigungen verschiedener Frauen öffentlich. 2013 dann der Hashtag #Aufschrei; innerhalb weniger Tage melden sich zehntausende Frauen und erzählen von sexuellen Belästigungen, 2017 ein weiterer Hastag, #metoo geht um die ganze Welt. Tausende Frauen berichten von Belästigungen, Abwertungen und Entwürdigungen, die sie aufgrund ihres Geschlechts erlebt haben.
Damit Sexismus 2021 keinen Platz mehr hat
Ob, wann und wie Sexismus, also die Abwertung der Frau aufgrund ihres Geschlechtes, enden wird, hängt ausschließlich von uns ab. Von uns Frauen, die wir uns gegenseitig stärken, uns trauen zu sprechen und eine andere Form des respektvollen Umgangs miteinander pflegen. In gleichem Maße hängt es von den Männern ab, die selbst beginnen ihr Verhalten zu hinterfragen und zu verändern. Von den Männern, die andere Männer stoppen, deren sexistischen Bemerkungen aktiv benennen, verurteilen und ächten. Einmal mehr darf sich jede und jeder von uns die Frage stellen: Soll Sexismus auch 2021 noch einen Platz in unserer Gesellschaft behalten?
Wer Hilfe sucht:
Frauenhausdienst Brixen: 800 601 330 (24h)
Frauenhausdienst Meran: 800 014 008 (24h)
Frauenhausdienst Bozen: 800 276 433 (24h)
Geschützte Wohnungen Bozen: 800 892 828
Geschützte Wohnungen Bruneck: 800 310 303
TEXT: Andrea Flecikinger