KVW Aktuell
Versprechen halten!

Gemeinderatswahlen und Sozialpolitik

Sozialpolitik darf nicht nur im Wahlkampf wichtig sein. Jetzt geht es darum, die Versprechen einzuhalten.
WERNER ATZ
KVW Geschäftsführer
Familien unterstützen, Wohnraum für junge Menschen, Altern in Würde, Kinderrechte, soziale Netzwerke stärken ... solche und ähnliche Versprechen konnten wir bei den Gemeinderatswahlen im September in vielen Wahlbroschüren lesen.
Offensichtlich hat das viele Menschen überzeugt. Die Gemeinderatswahlen brachten ein gutes Ergebnis für jene Kandidatinnen und Kandidaten, die sich für Solidarität und Gemeinwohl einsetzen.
Nach dem Wahlkampf kommt der Alltag
Doch nach dem Wahlkampf beginnt der mühsame Alltag, in dem so manches vollmundige Versprechen bald auf der Strecke bleiben wird. Wird das Wohnbaugebiet verwirklicht? Ist das Geld für die Seniorennachmittage da, werden die letzten Grünflächen geschützt, bekommt die Schule die nötige Aufmerksamkeit, die sie in diesen besonderen Zeiten braucht?
Wir müssen in den kommenden Jahren alle genau prüfen, ob die angekündigten Wohltaten auch umgesetzt werden. Gehen wir auf unsere Vertreterinnen und Vertreter in den Gemeindestuben zu und sprechen wir sie darauf an, was nicht gut läuft. Nicht aggressiv, nicht hintenrum, sondern offen und klar. Dann kann man gemeinsam an Lösungen arbeiten, anstatt sich gegenseitig zu beschimpfen.
Den Worten sollen Taten folgen
Leistbares Wohnen, Gesundheit und Soziales, Pflegesicherung, Familie, Bildung und Weiterbildung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind zu wichtig, als dass man sie nur so nebenbei behandeln könnte. Diese Themen müssen Priorität haben, wenn unser Land lebenswert bleiben soll!
TEXT: Werner Atz

KVW Aktuell

Zukunftspakt für Südtirol

Wir haben es in der Hand, den Wandel zu gestalten
In den ersten Monaten dieses Jahres 2020 haben wir erlebt, wie schnell sich unser Leben in einem bisher unvorstellbaren Ausmaß verändert. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass die Politik in der Lage ist, in einer Krisensituation die volle Entscheidungsmacht in die Hand zu nehmen. Allen ist klar, dass jetzt dringend gehandelt werden muss. Es gilt, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben neu aufzubauen, und zwar wirklich krisenfest und zukunftsfähig. In unserer Verantwortung liegt es, jetzt die Weichen dafür zu stellen, dass unsere Kinder und Enkelkinder intakte Lebensräume, nachhaltige Versorgungssysteme und leistungsfähige Infrastrukturen vorfinden, ganz im Sinne der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.
Eine Initiativgruppe von Bürger* innen hat ein Manifest zur Zukunft Südtirols präsentiert, das von Interessierten unterzeichnet werden kann. Es skizziert die Vision von einer lebenswerten und nachhaltigen Zukunft, die dank gemeinsamer Anstrengungen gesichert werden kann. Es geht um Weichenstellungen für Wirtschaftsentwicklung, gesellschaftliche Solidarität und Erhaltung des Lebensraums, die Vision soll Lust auf Zukunft machen und alle zu einer aktiven Gestaltung ermuntern. Im Kern ist es ein Aufruf zu einem Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Bevölkerung, den Wandel konsensorientiert herbeizuführen, der notwendig ist, um auf lokaler Ebene die von UNO und EU angepeilten Klimaziele zu erreichen. „Wir haben es in der Hand, diesen Wandel erfolgreich zu gestalten“, betonte die Initiativgruppe. Von der Förderung der regionalen Kreislaufwirtschaft über den Schutz der Artenvielfalt bis hin zum Ziel der Klimaneutralität bis 2035 benennt das Manifest eine Reihe von Maßnahmen für das notwendige Umdenken in den Versorgungssystemen, im Konsum und im Umgang mit der Natur. Landesregierung und Landtag werden dazu eingeladen, einen Zukunftspakt mit der Bevölkerung und den Interessenvertreter*innen abzuschließen. Die Bevölkerung soll dabei die Möglichkeit erhalten, ihre Ideen einzubringen und die politischen Weichenstellungen mitzubestimmen. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann mit ihrer/seiner Unterschrift den Zukunftspakt online unterzeichnen: zukunftspakt-pattofuturo.org
Zukunftspakt zwischen Bürgern und politischen Vertretern
Das Manifest weist auf die Dringlichkeit der gemeinsamen Anstrengungen hin, die für die Planung und Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen nötig sind. Aus dieser Sorge aber auch aus der damit verbundenen Hoffnung heraus werden alle gewählten politischen Ver­treter*innen dazu eingeladen, einen Zukunftspakt mit den Bürgerinnen und Bürgern des Landes zu schließen.
Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen
Kernpunkt dieses Paktes muss ein Nachhaltigkeitsplan sein, mit einem Zeithorizont von 10 bis 15 Jahren, der die Weichenstellungen in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung mit den ökologischen Erfordernissen abstimmt. Die Umsetzung muss kontinuierlich und transparent begleitet, überwacht und entsprechend den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, Erfahrungswerten, Möglichkeiten und Bedürfnissen aktualisiert werden.
Die Entwicklung dieses Nachhaltigkeitsplanes soll öffentlich finanziert werden und Wissenschaftler*innen, Bürger*innen, Vertreter*innen von Interessengruppen und politische Entscheidungsträger*innen gleichermaßen einbeziehen. Der Entwicklungsprozess soll von einem unabhängigen Zukunftsrat begleitet werden. Dieser Rat arbeitet auf wissenschaftlichen Grundlagen und ist auch Garant dafür, dass sich die Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und der Interessensgruppen aktiv einbringen können.
Die Initiativgruppe ruft dazu auf, die weitreichenden Möglichkeiten der politischen Autonomie zu nutzen, um in folgenden Bereichen gemeinsam die entscheidenden Schritte vom Wissen zum Wollen und vom Wollen zum Tun zu gehen:
Ausbau einer regionalen Kreislaufwirtschaft, welche die Grundversorgung der Bevölkerung und die Existenzgrundlage der Betriebe sicherstellt – insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung, Bauen und Wohnen sowie Energie.
Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, mit klarem Blick auf Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit und Naturschönheit.
Entwicklung eines nachhaltigen Nahverkehrssystems sowie Förderung von Logistiksystemen, die Menschen und Waren klimaneutral, sicher, schnell und leise in der Region transportieren.
Ermöglichung aktiver Teilhabe an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen (Nachbarschaft, Gemeinde, Land, Arbeitswelt).
Stärkung von Bildung, Kultur und Wissenschaft als Voraussetzung für eine reges Geistesleben und eine kritische Bürgergesellschaft.
Erreichung der Klimaneutralität bis 2035.
Die Initiativgruppe lädt den Landtag und die Landesregierung dazu ein, den Prozess einzuleiten, die Formen der Zusammenarbeit zwischen Bürgergesellschaft, Wissenschaft und Politik auszuarbeiten und die nötigen Ressourcen bereitzustellen. Schon vor der Fertigstellung des Nachhaltigkeitsplanes sollen alle Maßnahmen, Investitionen und Förderungen des Landes an den formulierten Zielen ausgerichtet werden.


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„Wir können und müssen auf lokaler Ebene dazu beitragen, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen,“ sagt der Klimaforscher Georg Kaser. Die Voraussetzungen für eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 60 bis 70 Prozent bereits bis 2030 sind in Südtirol gut, sofern wir in Politik, in Wirtschaft und im Konsum die richtigen Entscheidungen treffen.
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„Wir waren erstaunt, wie viele, aus unterschiedlichsten Kreisen, unser Manifest spontan unterzeichnet haben, um auf die dringende Notwendigkeit des Umdenkens hinzuweisen. Südtirol hat großes Potential, im Bereich Nachhaltigkeit eine wegweisende Rolle einzunehmen,“ erklärt der Unternehmer Johannes Engl, einer der Initiatoren.
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Das Manifest fordert einen langfristigen, gemeinsam erarbeiteten Nachhaltigkeitsplan. „Dieser Plan soll Bestehendes stärken. Ich halte das im Manifest ausgewiesene Ziel der Klimaneutralität innerhalb 2035 für ehrgeizig, aber machbar“, erklärt Emilio Vettori, „Es braucht aber noch viel Informationsarbeit und Bewusstseinsbildung, damit ökologische und soziale Nachhaltigkeit unsere Gesellschaft neu ausrichten.“ Dass ein Umdenken auch Werte der Gesellschaft und Organisationsstrukturen tiefgreifend verändern muss, ist den Initiator*innen bewusst.
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Kris Krois von der Freien Universität Bozen betont die Dringlichkeit, jetzt den notwendigen Wandel schnell und wirksam anzugehen: „Noch ist es möglich, für unsere Kinder und Enkelkinder intakte Lebensräume und nachhaltige Versorgungssysteme zu schaffen. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen.“
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Die Sozialwissenschaftlerin Sabina Frei spricht das Konfliktpotenzial deutlich an: „Wir müssen Verteilungs- und Zielkonflikte in den Blick nehmen. Denn ein Nachhaltigkeitsplan muss neben der Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Rücksicht auf ökologische Belange auch auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Inklusion als wesentliche Säulen eine Antwort geben.“ Deshalb ist die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern, Interessenverbänden und Fachleuten zu einem Prozess der Meinungsbildung auf Augenhöhe unumgänglich. „Das Erfolgsrezept ist, Politik nicht für, sondern mit den Menschen als Protagonist*innen zu gestalten!“
Initiativgruppe lanciert Zukunftspakt für Südtirol
Der Wortlaut des Manifests und die Liste der Unterzeichner*innen sind auf der www.zukunftspakt-pattofuturo.org in beiden Landessprachen veröffentlicht. Interessierte sind dazu aufgerufen, durch ihre eigene Unterschrift die Initiative zu stärken.