Kommentar

Gesunde Neugierde aufeinander

Wenn wir der Angst gemeinsam das Fürchten lehren
DR. MARTIN FRONTHALER
Direktor Therapiezentrum Bad Bachgart
Psychologe und Psychotherapeut
Die Angst, sich mit Krankheiten anzustecken, begleitet die Menschheit seit Beginn ihrer Geschichte. Krankheitssymptome können dabei als eine Abwehr- und Alarmreaktion gegenüber Bedrohungen oder Gefahren gesehen werden. Das Fieber etwa, mit dem unser Körper versucht, Krankheitserreger zu bekämpfen. Ähnlich ist es mit den Angstsymptomen. Auch sie haben zunächst die Aufgabe, unsere Sinne zu schärfen, uns wachsam zu halten, Körper- und Geisteskraft zu aktivieren. So funktionieren sie zunächst als Schutz- und Überlebensmechanismus, der in realen oder auch nur vermuteten Gefahrensituationen ein angemessenes Verhalten hochfährt. Unsere Entwicklungsgeschichte hat uns geprägt und mahnt, die ängstliche Vorsicht nicht allzu schnell abzulegen.
Erfinderisch werden
Angst hat damit das Potential, uns erstarren zu lassen; sie hat aber auch das Potential, uns innovativ, erfinderisch, kreativ und stark werden zu lassen. Zwischen diesen beiden Tendenzen bewegen wir uns auch in Zeiten der Pandemie, wenngleich ich den kreativen Anschub gegenüber der ängstlichen Lähmung etwas vermisse. Ich glaube fest daran, dass wir noch weitaus erfinderischer sein könnten, die gebotene soziale Distanz durch kreative Alternativen zu bereichern. Die ureigenste Qualität von uns Menschen ist es, soziale Wesen zu sein. Erfüllende, zwischenmenschliche Beziehungen zu leben, das ist einer unserer zentralen Werte. Und gerade dort trifft uns jetzt die Pandemie. Einiges von dem, was uns „heilig“ ist, wackelt: wir sehen unsere Gesichter nicht mehr, umarmen und berühren uns nicht mehr, küssen uns nicht mehr, machen sorgsam eine Rückwärtsbewegung, wenn sich jemand nähert. Soziale Isolation droht vielerorts. Eigentlich machen wir das, was wir in der Psychotherapie als „Antidepressivum“ verschreiben, seit Monaten kaum noch. Die gesunde Neugierde aufeinander ist eingeschränkt; wir suchen uns nicht mehr. Auch wenn wir wissen, dass dieses Verhalten nur ein vorübergehendes Verhalten ist, dauert es schon so lange, dass depressive Symptome daraus entstehen. Anhaltende Ängstlichkeit ist Stress, und Stress schwächt das Immunsystem, das wir gerade jetzt dringend brauchen. Wie so oft besteht die Gefahr, dass sich die zunächst gesunde und hilfreiche Angst zu einer lähmenden und blockierenden Dynamik aufbaut.
Sich verbünden
Das tröstende und stärkende Element hingegen sehe ich darin, dass wir einen Gemeinschaftssinn entwickelt haben, dass wir uns verbünden gegen die eindringende Krankheit. Manchmal etwas irritiert, bisweilen verunsichert, aber doch mit dem Mut der Entschlossenen. Wir müssen uns physisch, also körperlich voneinander distanzieren, die psychische Nähe jedoch kann uns niemand nehmen. Und so zeigt sich gerade in diesen, und ich hoffe auch den kommenden Monaten, eine Welle der Gesprächsbereitschaft, mit weniger Scheu gegenüber psychischen Problemen, als wir dies vielleicht in früheren Zeiten beobachtet haben. Die Krise macht Angst, sie hat uns aber auch in beeindruckender Weise sensibilisiert, darüber nachzudenken, welches die Werte unserer Gesellschaft sind. Wenn man über die eigene Existenz und die eigenen Ideale nachdenkt und erkennt, wie zerbrechlich sie sind, dann kann das schon Angst machen. Es wird uns aber das Bewusstsein einbringen, wie wichtig Beziehungen sind. Reden hilft erwiesenermaßen gegen Angst; Reden ist eine Bewältigungsstrategie. Dabei entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das den sozialen Bedürfnissen der meisten Menschen entspricht und die wiederum Sicherheit geben. Jetzt zählt es, ob wir das anwenden können, was wir in der Vergangenheit gelernt haben sollten.
Reden hilft
Heraus aus der Isolation, Hilfe annehmen, Hilfe anbieten, offen sein und sich nicht zurückdrängen lassen. Wenn Angst umgeht, versuchen wir instinktiv irgendeine Form von Kontrolle zu erlangen. Rückzug, Isolation, Alkohol und Grübeln sollen die Angst beruhigen, tun dies aber nicht, sondern heizen sie lediglich an. Beziehungen und zwischenmenschliche Kontakte hingegen halten die Angst in Schach. Das quälende Gefühl von Ohnmacht kann zurückgedrängt werden, weil wir wissen, was zu tun ist; und jeder kann seinen Beitrag leisten. Diese gemeinsame Überzeugung, das glaube ich ganz fest, wird die Angst lindern.
Reichen eigene positive Maßnahmen nicht aus, sollte man sich Hilfe holen. Die Anfragen bei den psychosozialen Anlaufstellen in Südtirol sind gegenüber anderen Jahren angestiegen. Das Südtiroler Hilfsnetzwerk PSYHELP Covid-19, das aus 15 öffentlichen Diensten und 20 privaten Organisationen besteht, hat reagiert und bietet Informationen und Kontaktmöglichkeiten für Betroffene.
TEXT: Martin Fronthaler

Sozialfürsorge

Smart Working oder Freistellung

Freistellung für Eltern von Kinder, für deren Bildungseinrichtungen aufgrund von Covid-19 eine Quarantäne angeordnet wurde.
Im Zeitraum 9. September 2020 bis 31. Dezember 2020 haben Eltern von zusammenlebenden Kindern bis zu 14 Jahren Anrecht auf „smart working“, wenn der Sanitätsbetrieb die Quarantäne der Bildungseinrichtung (Kinderhort, Kindergarten, Schule) verordnet hat. Nur wenn „smart working“ nicht möglich ist, kann die Freistellung „Covid-19 für Kinder, deren Bildungseinrichtungen wegen Quarantäne geschlossen sind“, beantragt werden.
ArbeitnehmerInnen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst haben Anrecht auf die Freistellung. Ausgeschlossen sind Selbständige und Eingetragene in der Sonderverwaltung G 335/95.
Voraussetzungen für Freistellung
aktives, lohnabhängiges Arbeitsverhältnis;
keine Tätigkeit im smart working im Zeitraum, für den die Freistellung beantragt wird;
das Kind muss jünger als 14 Jahre sein;
das Kind muss im gesamten Zeitraum der Freistellung mit dem Antragsteller zusammenleben. Ausschlaggebend ist der gleiche anagrafische Wohnsitz;
für die Bildungseinrichtung des Kindes muss vom Dienst für Hygiene und öffentlichen Gesundheit des Sanitätsbetriebes die Quarantäne angeordnet worden sein;
der andere Elternteil muss auch arbeitstätig sein.
Dauer und Entschädigung
Die Freistellung kann im Zeitraum vom 9. September 2020 bis 31. Dezember 2020 für die gesamte Dauer der amtlich verordneten Quarantänebeantragt werden. Es ist keine maximale Dauer vorgesehen. Wurde die Quarantäne für zwei Kinder ausgesprochen, so wird für die Tage mit Überschneidungen nur eine Entschädigung ausbezahlt.
Die Elternteile können alternativ die Freistellung beantragen, aber nicht gleichzeitig.
Die Entschädigung beträgt 50 Prozent der Entlohnung und wird als Ersatzzeit rentenmäßig betrachtet.
Antragstellung
Der Antrag kann für den Zeitraum 9. September bis 31. Dezember 2020 auch rückwirkend eingereicht werden.
Im Antrag müssen die Angaben zur Verordnung der Quarantäne angegeben werden (Nummer der Verordnung, Datum, Sanitätsbetrieb usw.), anagrafischen Daten des Antragstellers mit Angabe Arbeitstätigkeit und Arbeitgeber, anagrafischen Daten des anderen Elternteils mit Angabe Arbeitstätigkeit und Arbeitgeber, anagrafischen Daten des Kindes, letzter Tag der obligatorischen Mutterschaft des Kindes, Angabe des Zeitraums der Inanspruchnahme der Freistellung.
Öffentliche Bedienstete müssen sich an die eigene Verwaltung wenden.
Angestellte der Privatwirtschaft können den Antrag über das Patronat einreichen oder mit SPID über das INPS/NISF-Portal.
TEXT: Elisabeth Scherlin