Thema

Leistbares Miet-Wohnen des Wobi

Text: Heiner Schweigkofler
Wohnen ist ein Sozialgut und kein Wirtschaftsgut
Das Wohnbau­institut verhilft einkommensschwächeren Bürgern und ihren Familien zum Recht auf Wohnen.
Leistbares Wohnen ist ein Grundbedürfnis jedes Bürgers und ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen. In Südtirol wurden in den vergangenen Jahren im Schnitt 2.000 bis 2.500 Wohnungen gebaut. Im Jahr 2015 waren es 2.457 Wohnungen, die neu gebaut wurden, davon waren 89 des Wohnbauinstitutes.



Der Preis von Neubauwohnungen ergibt sich aus vier Kostenfaktoren: dem Baugrund, den Erschließungskosten, den Baukosten und den Steuern.
Die Fördermaßnahmen der Abteilung 25 (im Jahr 2015 waren es 176 Mio. Euro) und der Beitrag für Miete und Wohnnebenkosten der Abteilung 24 (insgesamt ca. 43 Mio. Euro) sind für viele Familien hilfreich und notwendig. Der knappe Baugrund, die gute wirtschaftliche Situation und die Fördermaßnahmen haben aber auch zu einer Teuerung der Immobilienpreise geführt.
Für Südtirol braucht es einen höheren Anteil von Wohnungen der gemeinnützigen Träger: die Wohnbaugenossenschaften und das Wobi für Mietwohnen.
Gründe, welche zu hohen Mieten auf dem freien Markt führen:
Hohe Immobilienpreise
Anspruch auf Rendite
Angebot und Nachfrage
Höhe und Anzahl der Steuern IRES – MwSt. – GIS
Keine steuerliche Absetzbarkeit der Miete
Risiko Mietausfall und Vandalismus.
Leistbare Miete, eine neue Mietform des Wobi

Zukünftig wird es im Wobi unterschiedliche Mietformen mit entsprechend unterschiedlichen Zugangskriterien geben: die herkömmliche Sozialmiete, die Miete in den Arbeiterwohnheimen und zusätzlich als neue Form die leistbare Miete.
Bei der Vergabe der Wobi Wohnungen (jährlich ca. 400) wird eine bestimmte Anzahl von Wohnungen vorgesehen, für welche die „leistbare Miete“ angewandt wird. Die Mieter dieser Wohnungen zahlen eine Miete, die je nach EVEE zwischen 4 und 9 Euro pro Quadratmeter liegt.
Dabei werden die Mietformen je nach den Notwendigkeiten und Möglichkeiten differenziert und durchgemischt, so dass die Attraktivität der Wohnanlagen des Wobi deutlich gesteigert wird.
Gründe für die leistbaren Mietwohnungen des Wobí

Überschaubare Wohnkosten sind ein wichtiges Anliegen für jeden Bürger. Für Südtirol ist die leistbare Miete des Wobi ein Beitrag um diesem Ziel nachzukommen.
Damit das Wobi seinem sozialen Auftrag nachkommen kann, braucht es eine gute Durchmischung der Mieter. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil, damit ein miteinander Wohnen gelingen kann.
Die leistbare Miete ermöglicht es auch neue Wohnmodelle wie Mehrgenerationenwohnen umzusetzen. Im Rahmen der Stadtteil- und Dorfentwicklung spielt die Mischung mit leistbaren Mietwohnungen eine wichtige Rolle. Auch dem Aufgabenbereich von Wohnen für Senioren mit Pflegebedarf kann damit besser entsprochen werden, genauso wie der Notwendigkeit für junge Menschen.
Leistbare Mietwohnungen sind in abwanderungsgefährdeten Gemeinden notwendig um die Menschen im Dorf zu halten. In touristischen Hochburgen bieten sie die Möglichkeit trotz der hohen Marktkosten bezahlbare Wohnmöglichkeiten zu schaffen.
Durch das Wobi als gemeinnützige, öffentliche Einrichtung bleibt jegliche Bauspekulation und Gewinnabschöpfung unterbunden.
Zugang zur leistbaren Mietwohnung des Wobi

Für leistbares Mietwohnen gelten die gleichen Zugangsvoraussetzungen wie bisher mit Landesgesetz für die Sozialwohnungen geregelt, wie keine angemessene Eigentumswohnung und eine Einkommensgrenze.
Für die Erstellung der Rangordnung werden die Punkte wie bisher berechnet, abhängig vom Einkommen, Familienmitglieder und Ansässigkeit. Es gibt zudem Zusatzpunkte für ehrenamtliche Tätigkeiten und es kann auch eine Kommission eingesetzt werden, welche Zusatzpunkte für die Sozialkompetenz oder die Pflegebedürftigkeit der Wohnungsbewerber vergibt.
Einkommensmäßig ist die Zielgruppe für das leistbare Mietwohnen der normale Arbeiter mit einem Faktor Wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (FWL) zwischen 2,3 und 5. Diese Gruppe hat derzeit keinen Zugang zu Wobi Wohnungen.



Thema

Wie wohnt Südtirol im neuen Jahrtausend?

Text: Stefan Perini
Südtirol ist ein kleines Stück einer großen, sich immer schneller drehenden Welt. Moderne Lebensweisen und neue Verhältnisse brechen sich Bahn. Das merkt man auch beim Wohnungsbedarf in Südtirol. Zum einen wächst die Bevölkerung, zum anderen ist der qualitative Aspekt bestimmend.
Grafik des AFI, Frühjahr 2017


In den letzten vierzig Jahren hat die Bevölkerung Südtirols um rund ein Fünftel zugenommen. In der Volkszählung 1971 wurden 414.041 Ansässige gezählt, im Jahr 2011 waren bereits 504.643 Menschen in Südtirol wohnhaft. Die Haushalte haben sich im selben Zeitraum sogar verdoppelt – von 111.176 (1971) auf 204.416 (2011). Daran erkennt man die Auswirkungen der modernen Lebensweisen. Steigende Trennungs- und Scheidungsraten führen dazu, dass zusätzliche und kleinere Wohnungen nachgefragt werden. Die vielen Patchwork-Familien haben andere Wohnbedürfnisse als traditionelle Familien. Die Jungen gründen erst spät eine eigene Familie und ältere, oft verwitwete Menschen leben nach dem Auszug ihrer Kinder noch sehr lange in der angestammten Wohnstätte. Von den Jüngeren fordert umgekehrt der Wechsel von Beruf, Arbeitsstätte oder Wohnort eine neue Flexibilität des Wohnens. Insgesamt werden die Familien kleiner und die Single-Haushalte nehmen unaufhaltsam zu. Die Stadt und die Ballungsräume sind das bevorzugte Umfeld, in dem die modernen Südtirolerinnen und Südtiroler leben wollen. Alle diese Entwicklungen schlagen sich beim neu gebauten Wohnraum nieder – einmal in der durchschnittlichen Größe und Zimmeranzahl der Wohnungen, aber auch im Rechtstitel, das heißt ob Miete oder Eigentum.
Die Wohnpolitik der Südtiroler Landesregierung war ab dem zweiten Autonomiestatut 1972 darauf ausgelegt, allen Südtiroler Familien den Weg zum Eigenheim zu ebnen. Im Jahr 2011 sind 69 Prozent des Wohnbestandes Eigentum und nur 25 Prozent gemietet. Aber auch der Anteil an Mietwohnungen ist zwischen den letzten zwei Volkszählungen deutlich gewachsen. Ob das Eigenheim noch den versprochenen Schutz bietet oder ob der Nachteil einer „lebenslänglichen Bindung“ überwiegt, das wird zurzeit hitzig diskutiert.
Eigentumswohnung ist wichtig

Die jüngsten AFI-Umfragen belegen deutlich, dass die Eigentumswohnung bei den Südtirolern immer noch einen hohen Stellenwert hat. 61 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen darin eine Investition in die eigene Zukunft, 57 Prozent sehen es als Hinterlassenschaft an die Kinder. Für weitere 45 Prozent ist es ein Schutz für die Familie. Auch gibt es einen harten Kern an „Ultraskeptikern“ für die das Mieten, überspitzt ausgedrückt, unter keinen Umständen vorstellbar ist. Zehn Prozent der Arbeitnehmer sehen das so.
Andererseits geht aus dem AFI-Barometer auch hervor, dass knapp die Hälfte der Befragten sich für die Miete entscheiden würden, wenn es darum geht, neuen Job-Angeboten folgen zu können. 48 Prozent würden mieten, um die Wohnsituation leichter an neue familiäre Bedürfnisse anpassen zu können. Obwohl die sinkende Kaufkraft der Familien, normale Löhne und steigende Immobilienpreise immer weniger zusammenpassen, sehen 60 Prozent der Südtiroler Arbeitnehmerschaft noch zu wenig Vorteile bei einer Mietwohnung.
So kommt es, dass die Südtiroler bis zum heutigen Tag mehrheitlich Wohneigentum kaufen. Das zeigen die Zahlen der Wohnbauförderung ebenso wie die Kreditdaten der Banken. Dies, obwohl das Mieten immer besser zu den heutigen soziodemografischen Trends passen würde. In Nordeuropa und besonders in Skandinavien – also Länder, die vorbildlich in Chancengleichheit, sozialer Mobilität und Wohlstand sind – ist der Anteil an Mietwohnungen sehr hoch und die Verschuldung der Familien aufgrund des Kaufs von Wohnungseigentum sehr niedrig.