Das Thema Arbeit führt ja sonst ein regelrechtes Schattendasein in der öffentlichen Auseinandersetzung. Was in der Öffentlichkeit kein Thema ist kommt auch in den Gesprächen der Menschen nicht so einfach vor. Dazu muss man nachfragen und sich Zeit nehmen zum Zuhören.
„Wie geht es dir in der Arbeit?“ – frage ich Arian, einen Neo-Österreicher, der vor 11 Jahren aus Afghanistan geflohen ist. Er arbeitet jetzt seit fast 3 Jahren in einer Maschinenfabrik. Der Absatz geht zurück, es gab bereits Kündigungen. Die Zeitarbeiter waren die ersten, die es erwischt hat. Arian ist nur froh, dass er vor ein paar Monaten in ein fixes Arbeitsverhältnis übernommen wurde. Er hat sich sehr angestrengt dafür, hat viel gearbeitet, war nie im Krankenstand. Arian spürt den Druck, der auf den Hilfsarbeitern wie ihn lastet. Der Arbeitsplatz ist seine Existenz.
Im Fachausschuss Glaube und Arbeitswelt unserer Pfarre gibt es zu Beginn immer einen kurzen Einblick in die persönlichen Arbeitswelten. Kurt ist Grafiker, die Aufträge kommen von einer staatlichen Institution. Noch immer ist nicht klar, wie viel Geld im Budget in Zukunft dafür zur Verfügung steht. Die Unsicherheit belastet. Erich ist Konstrukteur in einem deutschen Tech-Konzern. Noch gibt es genug Arbeit, aber wie lange noch? Die Abhängigkeit ist groß. Sonja arbeitet als Behindertenbetreuerin. Als Leiterin ihrer Abteilung spürt sie den Spardruck besonders. Mit weniger Personal soll die Pflegequalität aufrecht erhalten werden. Das geht nur mit viel Einsatz und hohem Engagement aller. Wie lange werden sie durchhalten?
Alle drei haben ihre Arbeitszeiten reduziert. Die Männer, weil sie Familien- und Hausarbeit gerechter mit ihren Partnerinnen aufteilen wollten, und sie finanziell gemeinsam damit keine Nachteile haben. Die Frau, weil es für sie nicht schaffbar ist, Vollzeit zu arbeiten, psychisch und physisch. Im ohnehin niedrig entlohnten Gesundheits- und Sozialbereich gehört es ab 50 quasi zur persönlichen Gesundheitsprophylaxe, Teilzeit zu arbeiten. Vollzeit ist bis zur Pensionierung nicht auszuhalten. Die Konsequenzen: (noch) weniger Lohn am Ende des Monats und drohende Altersarmut. Mehrheitlich Frauen zahlen diesen Preis. Arbeit, Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit haben eine gesellschaftspolitische Dimension und gehören viel stärker in die öffentliche Debatte. Die Arbeitnehmer:innen selber müssen sich dabei mehr Gehör verschaffen. Es braucht eine Arbeitswelt „in einer Wirtschaft … die leben lässt und nicht sterben, die einschließt und nicht ausschließt, die humanisiert und nicht entmenschlicht, die sich um die Schöpfung kümmert, ohne sie zu plündern“, so Papst Franziskus beim Welttreffen zum Thema Wirtschaft in Assisi, September 2022.
Kurze Vollzeit für alle wäre – 40 Jahre nach der gesetzlichen Einführung der 40-Stunden Woche – ein dringend notwendiger Schritt dazu.
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* Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer hat im vergangenen Sommer in mehreren Interviews ausdrücklich „Lifestyle-Teilzeit“ kritisiert – also Teilzeit ohne Betreuungs- oder Pflegepflicht – und wenig Verständnis für Personen, die gesund sind und ohne Verpflichtungen freiwillig Teilzeit arbeiten, gezeigt.
TEXT: Anna Wall-Strasser