Thema

Vor neuen Herausforderungen

Wohnung, Gehälter, Abwanderung - Gemeinsam die sozialen Anliegen stärken
FOTO: pexels-matthiaszomer
Oskar Peterlini war langjähriges Mitglied des italienischen Parlaments. Seit April dieses Jahres gehört er dem KVW-Landesausschuss an. Seinen Blick auf die Herausforderungen in Südtirol vermittelt er in folgendem Artikel.
Oskar Peterlini
Der KVW ist in vielen Bereichen aktiv, ganz nach dem Motto „Für soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung“. Er hat auch wesentlich dazu beigetragen, dass Südtirol auf ein starkes soziales Netz in vielen Bereichen aufbauen kann. Aber es stellen sich neue Herausforderungen, so der Klimawandel, wo wir aktiv an einem neuen Gesetz mitarbeiten, die Wohnungsnot und die Einkommenslage. Der KVW und die vielen tüchtigen Sozialverbände haben ein dichtes Netz, das bis in jedes Dorf hineinreicht, Hilfe und Beratung in allen Bereichen bietet. Aber politisch sind sie oft unterbewertet, weil andere viel lauter ihre Stimme erheben. Das muss und wird sich ändern. Es geht um neue Anliegen für und mit der Jugend. Dazu wollen wir gemeinsam beitragen. Das ist der Hauptgrund, warum ich mich bereit erklärt habe, im KVW mitzuwirken.
Die Lebenshaltungskosten steigen in Südtirol wie in anderen blühenden Tourismusländern. Der Tourismus hat viel Wohlstand ins Land gebracht, deshalb wollen wir ihn nicht verteufeln, sondern im Gegenteil, dafür dankbar sein. Aber 37 Mio. Nächtigungen im Jahr sind genug, Japan mit 120 Mio. Einwohnern hat nur rund 36,5 Mio. Die hohe Nachfrage treibt die Preise in die Höhe. Die Löhne aber hinken weit hinterher, verlieren an Kaufkraft wegen der hohen Inflation, sodass viele Familien mit den steigenden Kosten und Ansprüchen der Gesellschaft nicht mehr mithalten können. Besondere hart wirkt sich das auf den Wohnungsmarkt aus. In den 1970er, 80er und 90er Jahren konnte sich auch ein einfacher Arbeiter, mit Landeshilfe sogar ein Reihenhäuschen bauen, natürlich mit Raten über eine lange Periode, jetzt kann sich eine junge Familie nicht einmal mehr eine Wohnung leisten. Die Armutsrate steigt, auch im oft als reich gepriesenen Südtirol.
Eine dramatische Folge ist, dass viele junge Menschen auswandern, rund 1.300 bis 1.400 jedes Jahr und nur etwa 300 bis 400 zurückkehren. Die Geburten, die noch 1965 fast an die 10.000 heranreichten, sind heuer auf rund 4.500 gesunken, weniger als die Hälfte. Die Abwanderung von netto 800 bis 1.000 Arbeitskräften, macht also rund 20 Prozent jeden Jahrganges aus. Das können wir uns nicht mehr leisten!
Damit fehlen Arbeitskräfte in allen wichtigen Bereichen, besonders im Gesundheitswesen, in der Pflege in allen personalintensiven Bereichen, sodass auch die Wirtschaft zu Recht besorgt ist. Dabei werden die Menschen, Gott sei Dank, immer älter und auch pflegebedürftiger. Die Politik ist in höchstem Maße gefordert, die Schwerpunkte neu zu setzen. So wichtig der Tourismus ist, so wenig braucht es derzeit kostspielige Werbung, eigene teure Strukturen und die Förderung für Hotel- und Aufstiegsanlagen. Diese Geldmittel müssen umgelenkt werden für die neuen Herausforderungen, für unsere Familien. Aber auch sonst muss der Landeshaushalt durchforstet werden, um Mittel frei zu schöpfen. Dafür muss der Druck auf die Politik erhöht werden. Es wird viel über die Lehrerproteste geredet. Aber seien wir froh, dass sie vorausgehen, auch in allen anderen Bereichen müssen die Gehälter den teuren Lebenshaltungskosten nachziehen.
Es geht um die jungen Menschen
Die Sozialverbände müssen sich dafür stärker zusammenschließen und ihr Gewicht verstärken. Wir haben auch diesbezüglich bereits die Weichen gestellt. Eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen sozialen Kräften, befasst sich damit. Der Dachverband für Soziales, an dem der KVW mitwirkt, hat sich dankenswerterweise dazu bereit erklärt, die Arbeiten zu koordinieren.
Aber das Wichtigste seid ihr, die Mitglieder und Förderer des KVW in den Ortschaften und Städten. Bitte helft uns, auch neue, junge Kräfte für diese gemeinsame Arbeit zu gewinnen.
Es geht längst nicht mehr allein um die Senioren, die weiterhin zentral für den KVW bleiben werden, besondere in der Sorge um die Einsamkeit und um die Pflege, es geht um Anliegen für die jungen Menschen, für die jungen Familien. Zusammen sind wir stark und werden stärker werden. Für die jungen und alten Menschen und Familien in unserem Land!
TEXT: Oskar Peterlini

KVW Aktuell

Kante zeigen als Friedensaufgabe

Frieden zu stiften, bedeutet nicht, um des lieben Friedens willen den Mund zu halten.
Karl Brunner, Geistlicher Assistent im KVW
Ganz im Gegenteil! Für eine langfristige Friedensperspektive ist es erforderlich, für die eigenen Interessen klar einzustehen, sich aber auch nicht zu verrennen.
Viel Kritik ernten die Lehrer:innen für ihre Entscheidung, bis auf weiteres keine Lehrausflüge durchzuführen. Eigentlich ein moderates Zeichen, zumal sie ihrer Aufgabe – dem Unterricht – weiterhin normal nachkommen. Die schulbegleitenden Maßnahmen sind für die Vertiefung und für das Miteinander der Schüler:innen auch wichtig, keine Frage. Dennoch verstehe ich sehr gut, dass die Lehrerschaft nach Jahren der eher moderaten Verbesserungen ein klares Bekenntnis von der Politik und von uns als Gesellschaft verlangt.
Dass ein Protest auch spürbar ist, muss so sein. Auch ich würde mir für meine Kinder wünschen, dass sie Lehrausflüge machen könnten. Ich bin andererseits davon überzeugt, dass uns Bildung ein großes Anliegen sein muss und wir als Gesellschaft den Lehrpersonen unsere Solidarität ausdrücken sollten. Eine Form der Wertschätzung ist der Gehalt. Es finden sich immer weniger Menschen, die diesen angeblich so komfortablen Beruf ausüben möchten. Spätestens das sollte uns zu denken geben.
Für die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft braucht es einen klaren Schwerpunkt in der Bildung, im Sozialen und Gesundheitswesen und zwar mit klaren Fakten unterlegt. Dass auch die Lehrerschaft sich dabei nicht verrennen und das große Ganze im Blick behalten muss, versteht sich von selbst. Am Ende muss es – trotz der klaren Kante – einen fairen Kompromiss geben, der beide Seiten lächeln lässt.
Dann haben wir einen wichtigen Baustein für den Frieden gesetzt!
Hören Sie rein in unseren Podcast WERT-voll Leben!