Häufige Fragen und Antworten

7. Schwächen oder überlasten Impfungen das Immunsystem?

Die Annahme, das Immunsystem eines Kindes sei schwach, ist ebenfalls verbreitet. Wenn dem so wäre, hätten die meisten Neugeborenen bei den vielen Viren, Bakterien und Pilzen, mit denen sie gleich nach der Geburt in Kontakt kommen, kaum Überlebenschancen.
Die natürliche Krankheit belastet das Immunsystem stärker als der Impfstoff. Die Impfung gegen Masern äußert sich meist ohne oder mit abgeschwächten Symptomen wie etwa Fieber, das einige Tage nach der Impfung auftreten kann. Die Erkrankung verursacht dagegen tagelang hohes Fieber, akuten Hautausschlag sowie Bindehautentzündung und kann schwerwiegende Komplikationen haben, wie etwa Gehirn- oder Lungenentzündung.
Das Masern-Virus verursacht eine allgemeine Immunsuppression (die Unterdrückung des Abwehrsystems), die auch lange Zeit nach der Genesung andauern kann. Eine in Industrieländern durchgeführte umfassende Studie hat zweierlei bewiesen: a) Masern reduzieren die Abwehrkräfte zwei oder drei Jahre lang; b) da das Immunsystem durch die Impfung nicht so stark geschwächt wird, wie durch das Virus selbst, haben gegen Masern geimpfte Kinder stärkere Abwehrkräfte, wodurch sie weniger leicht erkranken und auch anderen Infektionen weniger leicht zum Opfer fallen können (Mina 2015).
Der Vorgang, durch den Masern das Immunsystem schwächen, ist noch nicht gänzlich geklärt; wahrscheinlich beeinträchtigt das Virus verschiedene Funktionen des Immunsystems gleichzeitig, wodurch es für andere Infektionen anfälliger wird (de Vries 2014). Konstant festgestellt wurde eine Reduzierung der Lymphozyten (einer besonderen Art weißer Blutkörperchen, die zum Schutz vor Infektionen unentbehrlich ist). Zudem schädigt das Masern-Virus die epithelialen Zellen der Atemwege, die folglich leichter von schädlichen Bakterien befallen werden können (Ludlow 2012). Eine verbreitete Komplikation der Masern ist die Lungenentzündung, die zu den häufigsten Todesursachen im Zusammenhang mit der Krankheit zählt (Orenstein 2004).
Daraus lässt sich schließen, dass eine Masern-Infektion das Immunsystem schwächt, während die Impfung die Abwehrkräfte stärkt, wodurch der Organismus gegen weitere Infektionen gewappnet wird.
Ein Baby entwickelt noch vor der Geburt die Fähigkeit, auf Antigene (Stoffe, an die sich Antikörper und Abwehrzellen binden und eine Immunantwort hervorrufen können) zu reagieren. Die für die Immunantwort unerlässlichen B- und T-Zellen entwickeln sich ab der 14. Schwangerschaftswoche und sind bereits imstande, auf eine Vielzahl von Antigenen zu reagieren; dennoch nutzt der Fötus dieses Potenzial nicht, da es aufgrund des geringen Aufkommens an Antigenen im Mutterleib nicht notwendig ist.
Laut Berechnungen tritt der Säugling bei der Geburt und in den ersten Lebensstunden mit über 400 verschiedenen Bakterienspezies in Kontakt. Da jede Spezies zwischen 3.000 und 6.000 verschiedene Antigene besitzt, ist der Säugling ab sofort über 1.000.000 Antigenen ausgesetzt (Conway 1995).
Im Gegensatz zu diesen unzähligen Mikroorganismen stellen die in den Impfstoffen enthaltenen Antigene eine weitaus geringere Belastung für das Immunsystem des Kindes dar: Laut Berechnungen belasten die 11 Impfungen, die jeder Säugling in den USA gleichzeitig erhält, lediglich 0,1% seines Immunsystems (Offit 2002).
Schätzungen zufolge kann ein Kind genau wie ein Erwachsener 1018 (= 1 gefolgt von 18 Nullen) Zellrezeptoren des Immunsystems entwickeln; das sind jene Teile der Abwehrzellen, welche die Antigene von Viren und Bakterien erkennen und binden (Strauss 2008). Daraus ist das enorme Potenzial unseres Immunsystems ersichtlich.
Zudem ist im Laufe der Zeit zwar die Zahl der Impfungen gestiegen, die Anzahl der verabreichten Antigene aber gesunken (Offit 2002). Dies ist auf zweierlei Faktoren zurückzuführen: a) die Pockenimpfung, die eine Vielzahl an Antigenen enthält, wird nicht mehr verabreicht (in Italien wurde die Verabreichung der Pockenimpfung 1977 ausgesetzt und 1981 vollständig abgeschafft, da die Krankheit dank der Impfung ausgerottet werden konnte); b) dank des technologischen Fortschritts der letzten Jahre enthalten die neuesten Impfungen weniger Antigene; während der frühere Impfstoff gegen Keuchhusten etwa 3000 Antigene enthielt, hat der aktuelle zellfreie Impfstoff nur mehr drei.
Wie viele Antigene wurden Kindern in Italien zwischen Ende der 1960er und Ende der 1970er Jahre verabreicht?
Durch die damaligen Pflichtimpfungen:



Durch zusätzliche Verabreichung der Keuch­husten-Impfung (Impfstoff mit dem ganzen Keim) kamen noch 3.000 Antigene dazu!

Im 2. Lebensjahr ist zusätzlich die Verabreichung einer Impfdosis gegen Masern-Mumps-Röteln-Windpocken und Meningokokken C vorgesehen. Demnach setzt sich die Gesamtzahl der Antigene je Dosis in den ersten beiden Lebensjahren wie folgt zusammen:



Wäre das Immunsystem wirklich durch die Impfstoffe geschwächt oder überlastet, müsste es nach jeder Impfung zu vermehrten Ansteckungen kommen. Um dieser Behauptung auf den Grund zu gehen, wurden verschiedene Studien durchgeführt:
in Deutschland wurde bei einer Studie (Otto 2000) ein Vergleich zwischen zwei Gruppen von Kindern angestellt: Die erste wurde im dritten Lebensmonat gegen Diphterie, Keuchhusten, Tetanus, Kinderlähmung und Haemophilus b geimpft, die zweite erst ab dem dritten Monat. Bei den früher geimpften Kindern kam es nicht zu häufigeren Ansteckungen mit Infektionskrankheiten. Vielmehr konnte ein deutlicher Rückgang der Erkrankungen festgestellt werden;
in Großbritannien wurde bei einer Studie (Miller 2003) untersucht, ob die Impflinge in den 12 Wochen nach der Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln anfälliger für invasive bakterielle Infektionen und Lungenentzündung waren: Im untersuchten Zeitraum (1991 - 1995) stieg bei den an der Studie beteiligten Kindern (zwischen 12-23 Monaten) die Zahl der Krankenhauseinweisungen in der Zeit nach der Impfung nicht an;
in Dänemark untersuchte eine Studie (Hviid 2005) bei sämtlichen zwischen 1990 und 2001 geborenen Kindern (über 800.000) die etwaige Übereinstimmung aller verabreichten Impfungen mit den Krankenhauseinweisungen aufgrund schwerwiegender Infektionen wie Lungenentzündung, Sepsis, Virusinfektionen des Nervensystems, Hirnhautentzündung, Durchfallerkrankungen und Infektionen an den oberen Atemwegen. Es kam zu keiner Zunahme der Infektionen infolge der Verabreichung der Impfstoffe, einschließlich der Mehrfachimpfungen (wie z.B. Sechsfachimpfungen);
ebenfalls in Dänemark stellte eine Studie an einer halben Million Kinder einen Rückgang der Krankenhauseinweisungen aufgrund jeglicher Art von Infektion bei Kindern fest, die kürzlich die Masern-Mumps-Röteln-Impfung erhalten hatten (Sørup 2014).

Worauf basieren diese Beobachtungen? Man ging von der Annahme aus, dass bestimmte Impfstoffe das Immunsystem unspezifisch stimulieren, wodurch es besser gegen Infektionen gewappnet ist (Goldblatt 2014).

Häufige Fragen und Antworten

8. Mehrfachimpfungen = mehr Risiken?

Würden Impfstoffe das Immunsystem wirklich schwächen oder beeinträchtigen, müsste die Immunantwort infolge einer Mehrfachimpfung im Gegensatz zu Einzelimpfungen schwächer ausfallen, d.h. der Antikörperspiegel niedriger sein.
Doch dem ist nicht so: Klinische Studien belegen, dass die gleichzeitige Verabreichung der Sechsfachimpfung (mit Antigenen von Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Polio, Haemophilus b, Hepatitis B) und des 13-valenten Impfstoffes gegen Pneumokokken, weder zu einer Zunahme der schwerwiegenden Nebenwirkungen, noch zu einer schwächeren Immunantwort als bei der Verabreichung der Einzelimpfungen führt (Esposito 2010). Dasselbe gilt für die anderen Impfungen (Masern-Mumps-Röteln, Meningokokken C, etc.) des Impfkalenders für Kinder (Miller 2011).
Die gleichzeitige Verabreichung mehrerer Impfungen kann zwar zu vermehrten Lokalreaktionen (Schwellung, Rötung und Schmerz an der Einstichstelle) sowie Allgemeinreaktionen (vor allem Fieber) führen; dennoch fallen diese Beschwerden nicht ins Gewicht, wenn man bedenkt, dass man so dem Kind den Stress mehrfacher Arztbesuche erspart.