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Profihockey-Spieler trotz Krebs!

Mark Cullen hatte ein bösartiges Melanom – Cully´s Kids Fond

Daran denken tut er oft, auch wenn nach einem Hockey-Spiel sein linker Arm stark anschwillt. Mark Cullen aus Minnesota, seit 2002 Profi-Hockeyspieler. In der Saison 2015 spielt er im Hockeyclub Bozen. 2003 dachte er, alles sei zu Ende. Die Diagnose: Ein bösartiges Melanom.
Mark Cullen ist ein american Sunnyboy. Braunrote Locken, strahlend blaue Augen, offenes Lachen und wenn er mit seinen Kids auf dem Eis ist, wird auch er wieder zum Jungen. Drei Kinder hat er. Max, 6, Will 4 und das Töchterchen Ryane, 3. „Die Familie ist für mich das größte Glück, ich genieße jeden Tag, den ich mit ihr verbringen kann.“ Schließlich weiß er, dass es nicht selbstverständlich ist. Mit 24 Jahren erkrankte er an Krebs und nur drei Monate später stand er schon wieder auf dem Eis.
Entdeckt wurde der Krebs durch Zufall in einem Trainingslager der amerikanischen Nationalhockeyliga, NHL. Mark spielte damals, kurz nach seinem College-Abschluss, bei den Houston Aeros in der amerikanischen Hockeyliga, AHL. Ein schwarzer Fleck auf seinem Rücken hatte den Mannschaftsarzt das Schlimmste befürchten lassen. Ein etwa puckgroßes Hautstück wurde ihm entfernt. Das Ergebnis bestätigte den Verdacht: bösartiger Hautkrebs, Stadium 3, nur 30 % Überlebenschance. Da einer der zwei entnommenen Wächter-Lymphknoten (Sentinel-Lymph-Node) unter dem linken Arm positiv war, wurden Mark alle 15 Lymphknoten des Arms und des seitlichen Brustkorbs entfernt. Die Narbe zieht sich von der Mitte des Oberarms bis zur Mitte des Rippenbogens.
„Chemotherapie bzw. Strahlentherapie musste ich keine machen“, erinnert sich Mark. „Und so stand ich nur drei Wochen nach der OP wieder auf dem Eis.“ Verängstigt, aber auch voll Hoffnung. „Hockeyspielen war die beste Therapie, um nicht an den Krebs zu denken.“ Jeden Monat musste er sich auf Metastasen untersuchen lassen. Nach sechs Monaten in zweimonatigen Abständen, nach einem Jahr alle drei Monate. Heute geht er immer noch einmal pro Jahr zur Untersuchung.
In Nordamerika zählt das maligne Melanom zu der vierthäufigsten Krebserkrankung von jungen Männern im Alter zwischen 25 und 34.
Mark Cullen hat die Erfahrung mit der Krebserkrankung positiv in sein Leben eingebaut. „Eigentlich ist es immer irgendwie präsent. Ich bin mir auch bewusst, dass es wiederkommen kann, die Krebszellen können schlafen und irgendwann wieder aktiv werden.“ Aber das ist für ihn kein Grund, Trübsal zu blasen. Im Gegenteil. Er lebt sein Leben umso bewusster. Genießt jeden Tag. Glücklich, dass er mit Jayme, zur Zeit der Erkrankung seine Freundin und heute seine Frau, drei gesunde Kinder hat. Glücklich über seinen Erfolg im Eishockey, Sport, der ihn begeistert und der in seiner Familie Tradition ist. Auch seine zwei Brüder Matt und Joe sind Profispieler. Ihr Vater Terry spielte mit den drei Jungs in der Garage Hockey. „Ich glaube, ich habe durch diese Krankheits-Erfahrung ein besseres Leben; ich weiß mein Glück, meinen Erfolg, die kleinen Dinge des Alltags besser zu schätzen“, sagt Mark Cullen heute.
Im Sommer heißt es für den hellhäutigen Mark besonders aufpassen. Sich nicht der direkten Sonneneinstrahlung auszusetzen und nie ohne Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor auszugehen, ist für ihn eine Selbsverständlichkeit.
Sensibilisiert durch die Erkrankung Marks und die Begegnung mit einem achtjährigen krebskranken Jungen während seiner (einzigen) Spielsaison in Italien (Cortina 2004/2005), gründete sein älterer Bruder Matt, erfolgreicher Nationalliga-Spieler, zusammen mit seiner Frau Bridget „Cullen Children´s Foundation – Cully´s Kids“ zugunsten lebensgefährlich, vor allem an Krebs, erkrankter Kinder. Nach Beendung der Eishockeysaison setzt auch Mark sich jedes Jahr unermüdlich für diesen Fond ein. Jedes dritte Wochenende im Juli organisieren die Brüder in ihrer Heimatstadt Moorhead in Minnesota ein VIP-Wochenende mit Golfturnier, Versteigerung und Picknick, das „Cully´s Kids Celebrity Weekend“. Über eine Million Dollar konnte dieser Fond allein im Juli 2014 einnehmen, anlässlich der Feierlichkeiten und dank der Teilnahme zahlreicher VIPs zum zehnjährigen Bestehen. Spenden, die an Einzelfälle, Familien aber auch für Projekte oder an Krankenhäuser weitergegeben werden.
Vor vier Spielsaisons kam Mark nach Europa. Ein Jahr in Polen, zwei in Salzburg und nun in Bozen. Zwei Jahre möchte er noch weiterspielen, dann wird der heute 36jährige daran denken, sich aus dem aktiven Spiel zurückzuziehen und wieder in die USA zurückgehen. Dem Hockey wird er treu bleiben, als Trainer oder als Manager. Immerhin hat er auch einen Collegeabschluss in Wirtschaftswissenschaften in der Tasche.
Behindert ihn der Verlust der Lymphknoten beim Spielen? „Beim Spiel nicht, aber nach dem Spiel schwillt mein linker Arm an.“ Eishockey ist ein rauer Sport, Körpereinsatz, im Jargon Bodychecking genannt, ist an der Tagesordnung. Trotzdem kann Mark Cullen auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken, zwei Saisons, 2005 – 2006 und 2010 – 2011 hat auch er in der berühmten amerikanischen Nationalliga NHL gespielt.
Ich habe zufällig über Mark Cullens Erkrankung gelesen und ihm eine Mail geschrieben, ob er sich für ein Interview über seine Erkrankung zur Verfügung stellen würde. Die positive Antwort kam sofort. Mark möchte durch sein Beispiel anderen Menschen Mut machen, bei denen diese aggressive Krebsform diagnostiziert wird. Ihnen zeigen, dass das Leben weitergeht und dass auch danach noch Höchstleistungen – in jeder Beziehung – möglich sind. (nd)

Hockeyspieler Mark CullenHockeyspieler Mark Cullen


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Mein Leben

Der Abschiedsbrief des Neurologen und Autoren Oliver Sacks

Oliver SacksOliver Sacks

Hautkrebs und auch das Melanom haben bei Früherkennung außerordentlich gute Heilungschancen. Oliver Sacks hatte Pech, nach neun Jahren sind in seiner Leber Metastasen aufgetreten. Sein am 19. Februar in der New York Times veröffentlichter berührender Abschiedsbrief hat die Runde um die Welt gemacht. Das Grundgefühl des 81jährigen ist Dankbarkeit für ein erfülltes Leben.
Bekannt geworden ist Oliver Sacks durch den 1973 erschienenen Roman "Zeit des Erwachens", in dem er seine Erfahrungen mit Patienten beschreibt, die an der sogenannten Europäischen Schlafkrankheit litten. Das Buch wurde 1990 mit Robert de Niro und Robin Williams in den Hauptrollen verfilmt. „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ ist ein weiterer Besteller von Sacks. Er hat es verstanden wissenschaftliche Themen in allgemeinverständliche Sachbücher zu verpacken.
Aus seinem Brief spricht nicht Resignation, sondern Abgeklärtheit und Dankbarkeit für ein erfülltes Leben, dessen Ende er gefasst und abgeklärt entgegensieht.
„Vor einem Monat fühlte ich mich mit meinen 81 Jahren gesund und fit, schwamm jeden Tag mehr als einen Kilometer. Dann kam die Diagnose: Metastasen in der Leber. Vor neun Jahren hatte ich eine seltene Form von Melanom am Auge. Der Tumor wurde problemlos entfernt, ich blieb auf dem Auge blind. Eine an sich harmlose Krebsform, ich gehöre aber zu den zwei Prozent, bei denen es weitergeht.
Ich bin dankbar, dass ich seit der ersten Dia­gnose neun gesunde und beschwerdefreie Jahre geschenkt bekommen habe. Neun sehr produktive und erfolgreiche Jahre. Nun wuchert der Krebs in meiner Leber, sein Wachsen kann möglicherweise gebremst werden, Heilung wird es keine geben.

Ich habe beschlossen, in der mir verbleibenden Zeit so intensiv und bewusst wie möglich zu leben und zu arbeiten. Mein Vorbild ist David Hume, einer meiner Lieblings-Philosophen. Als er im April 1776 im Alter von 65 Jahren erfuhr, dass er nicht mehr lange zu leben habe, schrieb er an einem einzigen Tag seine Lebensgeschichte. „Meine Krankheit hat mir kaum Leiden verursacht und ich muss sagen, dass ich trotz des raschen körperlichen Verfalls, keinen Augenblick der Verzweiflung durchlebt habe. Ich gehe mit derselben Leidenschaft wie immer meinen Studien nach und bin in Gesellschaft heiter wie immer“, schreibt Hume.Ich hatte das Glück mehr als achtzig Jahre leben zu dürfen und die fünfzehn Jahre, die ich Hume voraus habe, habe ich mit Arbeit und mit Liebe gefüllt. Fünf Bücher habe ich in dieser Zeit veröffentlicht, meine Biographie geschrieben … Ein paar andere Buchprojekte stehen vor dem Abschluss.…
Eine Zeile von Hume’s Essay berührt mich in besonderem Maße, weil sie genau das ausdrückt, was ich fühle: “Man kann kaum mehr am Leben hängen als ich in diesem Augenblick“, schreibt er.

Ich fühle mich lebendiger denn je und ich wünsche mir und hoffe, dass ich in der Zeit, die mir bleibt, meine Freundschaften noch vertiefen kann, dass ich mich von den Dingen, die mir lieb sind, verabschieden kann, dass ich weiter schreiben, reisen und neue Dinge kennenlernen kann.
Ich werde mutig, klar und offen sein, mich noch fester mit der Welt verbunden fühlen. Ich werde Spaß haben und - warum nicht – mir Zeit für einige Verrücktheiten nehmen.
Es ist, als ob ich mit einem Male alles vieler klarer sähe, keinen Zweifel mehr habe. Es ist keine Zeit mehr für Unnützes. Ich konzentriere mich auf das Wesentliche, auf meine Arbeit und auf die Menschen, die mir lieb und wichtig sind. Ich verschwende meine Zeit nicht mehr mit den allabendlichen Nachrichten und ich werde mich nicht mehr mit Politik oder mit der Erwärmung der Erdoberfläche befassen.
Das hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun, es ist vielmehr ein Loslösen. Natürlich macht mir die Krise im Mittleren Osten Sorgen, natürlich sind mir der Klimawandel und die wachsende soziale Ungerechtigkeit nicht egal, aber diese Dinge betreffen mich nicht mehr, sie gehören der Zukunft an. Es erfüllt mich mit großer Freude, wenn ich fähigen jungen Menschen begegne – … Ich habe das beruhigende Gefühl, dass die Zukunft in guten Händen ist.
In den letzten zehn Jahren war ich oft mit dem Tod konfrontiert. Die Zeit meiner Generation ist am Ablaufen, und jeden Todesfall in meinem Umkreis habe ich als Verlust empfunden … Wenn wir gehen, bleibt eine Lücke, niemand ist gleich wie der andere. Man kann Menschen nicht ersetzen. Nie. … Es ist das genetische und neurologische Schicksal von jedem von uns, einzigartig zu sein, unseren eigenen Weg zu finden, unser eigenes Leben und unseren eigenen Tod zu leben.
Sicher gibt es auch Augenblicke der Angst. Aber das vorherrschende Gefühl ist Dankbarkeit. Ich habe geliebt und bin geliebt worden. Ich habe viel bekommen und ich konnte viel geben, ich habe gelesen und geschrieben, ich bin viel gereist … Die Tatsache auf unserem wunderschönen Planeten zu leben, zu fühlen und zu denken sehe ich als ein großes Privileg an, ein einzigartiges Abenteuer.“