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Vorsorge ist das Um und Auf

Krebs kann immer besser behandelt werden – Interview mit Dr. Mazzoleni

Zahlen und Statistiken zum Thema Krebs sind sein tägliches Brot. Dr. Guido Mazzoleni ist Primar der Abteilung für Pathologie am Bozner Krankenhaus und Direktor des Südtiroler Tumorregisters. Die Chance hat ihn zur jüngst erschienenen Studie der Vereinigung der italienischen Tumorregister, AIRTUM, befragt.
Chance: Dr. Mazzoleni, handelt es sich hier nur um Wortspielerei oder entspricht das Ergebnis der Studie von AIRTUM einer epochalen Wende. Eine Krebserkrankung kann man nicht nur lange überleben, Krebs ist heilbar.
Dr. Guido Mazzoleni: Eine sehr interessante Studie und nicht zuletzt auch ein Zeichen, wie wichtig die Arbeit der Tumorregister ist. Ich würde es vielleicht etwas vorsichtiger ausdrücken. Die sekundären Präventionsmaßnahmen greifen immer mehr, die allgemeine Lebenserwartung steigt und vielleicht werden die Leute auch sensibler und sind zunehmend bereit, ihren Lebensstil dem anzupassen, was wir Ärzte, Onkologen usw. als krebsverhindernd erachten. In dieser Hinsicht, ist es keine Seltenheit mehr, dass Krebskranke die Diagnose zehn, fünfzehn, zwanzig und mehr Jahre überleben und schlussendlich die gleiche Lebenserwartung haben wie jemand, der nicht an Krebs erkrankt ist. Ich denke es ist mehr eine Frage der Definition, ob ich von geheilt rede oder von langzeitüberlebend.
Chance: Für den Patienten macht aber vielleicht gerade dieses Wort den Unterschied…
Dr. Mazzoleni: Tatsache ist, dass wir heute dank der Präventionsmaßnahmen viele Krebsarten erfolgreich behandeln können. Nehmen Sie z. B. den Gebärmutterhalskrebs. Dank dem Pap-Test ist diese Krebsform bei uns praktisch verschwunden, unter den 4.000 neuen Krebsfällen pro Jahr in Südtirol sind vielleicht 20 oder 30 Tumore des Gebärmutterhalses, zumeist im Frühstadium. In Afrika hingegen sterben nach wie vor jedes Jahr viele Frauen daran.
Chance: Sie sprechen von Primär-Prävention, Sekundär-Prävention…
Dr. Mazzoleni: …genau und von Tertiär-Prävention. Mit letzterem bezeichnen wir die Behandlung des Krebses. Und in diesem Bereich sind wir, Südtirol und Norditalien, ganz vorne. Bei uns werden die neuesten Protokolle angewendet, jeder Fall, jeder Patient ist in ein komplexes Netz eingebaut, kann sich darauf verlassen, dass seine Erkrankung nach Bestem Wissen und Gewissen, gemäß den neuesten Erkenntnissen behandelt wird. Bei Früherkennung, also wenn der Krebs unter einem halben Zentimeter ist, bedeutet das exzellente Heilungschancen. Eine delikate Angelegenheit ist nach wie vor die Primär-Prävention…
Chance: Sie meinen damit den Lebensstil, den famosen Europäischen Krebskodex? Nicht rauchen, wenig Fleisch, kein Alkohol, ausreichend Bewegung, mediterrane Diät, den eigenen Körper kontrollieren …
Dr. Mazzoleni: Ja, zum Einen sicher dies, da ist eben jeder gefordert, Verantwortung zu übernehmen und das rechte Maß zu finden zwischen einem ausgeglichenen gesunden Lebensstil, der aber nicht nur aus Entbehrungen besteht.
Chance: Sie meinen damit, nicht jeder muss jetzt Vegetarier werden, weil der Genuss von Fleisch Krebs verursachen kann…
Dr. Mazzoleni: So in dieser Richtung. Jeder muss das für sich entscheiden, sein persönliches Risiko einschätzen und tragen. Umberto Veronesi, wissenschaftlicher Direktor des Europäischen Krebsinstitutes in Mailand z. B. ist Vegetarier seit er in den 80er/ 90er Jahren die „China Study“ von Colin und Thomas Campell gelesen hat. Ich persönlich habe ehrlich gesagt auch zehn Minuten daran gedacht, nach dem ich das Buch gelesen habe, aber ich esse noch Fleisch. Mit Maßen, aber ich esse es. Ähnliches gilt für den Alkohol. Ich kann ganz darauf verzichten, oder aber ich schränke den Konsum so ein, dass er keinen Schaden zufügt. Aber das alles ist nicht so einfach wie 1 plus 1 ist gleich zwei. Es gibt viele Faktoren, die wir noch nicht kennen….
Chance: Deshalb sagen Sie, die primäre Prävention sei delikat?
Dr. Mazzoleni: Genau. Ein Beispiel: In Südtirol gibt es mehr Magenkrebs als anderswo. Die Ursache wird darin gesucht, dass die Bevölkerung hier tendenziell mehr Geräuchertes und Gepökeltes isst, als anderswo. Speck, Würste, Schweinfleisch… Das mag zum Teil auch stimmen, aber nicht nur. Früher gab es keine andere Konservierungsmöglichkeit als zu räuchern oder zu pökeln. Heute haben wir alle einen Kühlschrank. Wir können jeden Tag frische Lebensmittel einkaufen, könnten also auch ohne Kühlschrank immer frische Produkte essen. Salat gibt es das ganze Jahr über, Obst auch… Nicht immer sind die Ursachen so klar und so logisch. Es gibt auch Vegetarier und Nichtraucher, die an Krebs erkranken oder – das sind allerdings sehr sehr wenige - Gewohnheitsraucher, die über 90 werden.…
Chance: Zurück zur Anfangsfrage: geheilt oder nicht geheilt?
Dr. Mazzoleni: Ich hatte gerade heute die Biopsie von einer Patientin vorliegen, die vor 18 Jahren einen Brustkrebs hatte. Nun ist an der gleichen Stelle wieder ein Herd. Im Frühstadium. Diese Patientin hat die letzten 18 Jahre beschwerdefrei gelebt und ich gehe davon aus, dass es nach der Behandlung dieser Rezidive so weitergeht. Für die nächsten 18 Jahre und mehr…

Dr. Guido MazzoleniDr. Guido Mazzoleni


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Auf die Vielfalt kommt es an

Essen mit Maß für Leib und Seele – Kohl und Hülsenfrüchte beugen Krebs vor

Absolute Gesundmacher: Hülsenfrüchte und Kohl in allen VariantenAbsolute Gesundmacher: Hülsenfrüchte und Kohl in allen Varianten

Bunt und abwechslungsreich sollte sie sein, die ideale Diät. Nahrungsmittel der verschiedenen Kategorien, aufgeteilt auf fünf bis sechs Mahlzeiten am Tag, drei Hauptmahlzeiten und zwei bis drei Snacks zwischendurch.
Die Ernährung spielt eine wichtige Rolle in unserem Leben. Schon von klein auf. Deshalb ist es wichtig, bereits im Kindesalter mit einer abwechslungsreichen Ernährung zu beginnen, die alle Bedürfnisse des menschlichen Organismus berücksichtigt.
In besonderen Situationen des Lebens, Wachstum, Pubertät, Schwangerschaft, aber auch Krankheit braucht der Körper dann spezifische Nahrung, die auf den besonderen Augenblick zugeschnitten ist.
Auch die Krebsvorsorge fängt bei der Nahrungsaufnahme an. Dr. Michael Kob, Ernährungsmediziner und leitender Arzt des Day Hospitals der Abteilung für Diätetik am Krankenhaus Bozen: „Wer übergewichtig ist und sich falsch ernährt, geht ein höheres Krebsrisiko ein als ein langjähriger Raucher.“ Rotes Fleisch, Salami, Wurstwaren, Lebensmittel, die Konservierungsstoffe und Farbstoffe enthalten, zu viel Zucker, zu viel tierisches Fett und zu viel Alkohol können zur Bildung von bösartigen Tumoren führen.
Gesund sind hingegen Gemüse, Obst und Salat, es muss übrigens nicht nur Rohkost sein, Fisch, helles Fleisch und Eier in Maßen sowie Hülsenfrüchte. Dr. Kob: „Je mehr wir abwechseln, desto mehr kann unser Körper an gesunden Substanzen aufnehmen.“ Allerdings, so der Arzt, sollte man auch nicht übertreiben. „Wer ab und zu ein gutes Stück Rindfleisch oder eine Rindkraftbrühe isst, erkrankt deshalb nicht an Krebs. Es gilt das rechte Maß einzuhalten. Auch ein Glas Wein ist durchaus positiv für den Körper.“
Kohl in allen Variationen, Blumenkohl, Brokkoli, Weißkohl, Grünkohl usw. sind nicht nur sehr vielseitig einzusetzen, sie beugen erwiesenermaßen auch Krebserkrankungen vor und sollten schon allein deshalb auf dem Speisezettel nicht fehlen.
Von größter Bedeutung ist eine ausgewogene Ernährung im Krankheitsfall. Wer an Krebs erkrankt ist, hat im Allgemeinen einen höheren Eiweißbedarf. Krebs baut Muskeln ab und zum Aufbau von Muskeln braucht der Organismus Eiweiß. „Der erhöhte Eiweißbedarf kann entweder mit Nahrungsergänzungsmitteln oder mit gezielter Diät gedeckt werden.“ Hülsenfrüchte und Milchprodukte enthalten wertvolle Eiweiße.
„Aber“, so Dr. Michale Kob, „es kommt natürlich darauf an, wie es dem Patienten geht und wie er auf die Chemotherapie reagiert.“ Viele Betroffene können in dieser Phase kaum Nahrung zu sich nehmen, haben mit Durchfällen, Brechreiz und schmerzhaften Aften zu kämpfen, die die Nahrungsaufnahme erschweren. In diesen Fällen, so der Ernährungsmediziner, muss professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Den diversen Untersuchungen wie Blutproben, Bestimmung der Muskelmasse, bzw. der Fett- und Magermasse geht ein ausführliches Arzt-Patientengespräch voraus.
Unter Umständen erhalten Betroffene in der kritischen Phase der Chemotherapie sogenanntes Astronauten-Essen verschrieben, um zu gewährleisten, dass ihr geschwächter Körper mit allem Notwendigen versorgt wird.
„Wichtig ist aber auch, dass die Freude am Essen nicht verloren geht“, betont Kob. „Auch Naschen ist erlaubt, ein Stück Schokolade oder eine Torte mögen nicht unbedingt gesund sein, aber sie streicheln die Seele. Auf die Ausgewogenheit kommt es an, mit Maßen sind auch Sünden wie Sahne, süße Säfte oder ein Gingerino durchaus erlaubt!“
Verbote gibt es nicht, es kommt auf den bewussten Umgang und die richtige Einstellung zum Essen an. Das gilt auch für besondere Momente, wie z. B. Weihnachten oder Urlaub. Dr. Kob: „Wichtig ist, dass man sich bewusst ist, über die Stränge zu schlagen und dass Ausnahmen Ausnahmen bleiben, sich auf bestimmte Zeitabschnitte beschränken und nicht zur Gewohnheit werden.“
Oft verkannt wird auch, nicht nur von Krebspatienten, die Wichtigkeit der Flüssigkeitsaufnahme. Durchschnittlich sollte ein erwachsener Mensch um die 1,5 Liter Flüssigkeit, am besten in Form von Wasser, zuckerarmen Säften oder auch Tees zu sich nehmen. „Wer wenig Appetit hat“, erklärt Dr. Kob, „sollte nicht während der Mahlzeiten, sondern zwischendurch trinken.“ Während der Chemotherapie sollten die Patienten mehr Flüssigkeit aufnehmen, damit die Giftstoffe schneller ausgeschieden werden.
Die Abteilung für Diätetik und Klinische Ernährung, der Dr. Lucio Lucchin als Primar vorsteht, arbeitet eng mit den Abteilungen für Medizinische Onkologie und mit dem Dienst für Radiotherapie am Krankenhaus Bozen zusammen. In Zusammenarbeit mit der Onkologie wurden auch zwei Leitfäden für die Ernährung von Krebspatienten bzw. eine gesunde Ernährung zur Vorbeugung von Krebs herausgegeben. Erhältlich in der Abteilung für Diätetik, in der Onkologie bzw. in den Büros der Südtiroler Krebshilfe.
Für weitere Informationen Tel.: 0471 908545, Email: diet@asbz.it; Web: www.sabes.it/de/krankenhaeuser/bozen/diaetetik-klinische-ernaehrung-bz.asp.

Ernährungsmediziner Dr. Michael KobErnährungsmediziner Dr. Michael Kob