Aktuell

50% der Krebserkrankungen könnten verhindert werden

Verantwortlicher Lebensstil und Vorsorge – Pressekonferenz am Weltkrebstag


Close the care gap – Versorgungslücken schließen. Unter dem Motto dieser auf drei Jahre angelegten Kampagne stand der diesjährige Weltkrebstag am 4. Februar. Wie gewohnt, nutzte die Südtiroler Krebshilfe dieses Datum, um in einer Pressekonferenz über das Thema Krebs zu informieren und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren für dieses Thema, das immer noch zu oft von einem Tabu überschattet ist. Die zahlreich anwesenden MedienvertreterInnen wurden von Primar Dr. Steinkasserer (Gynäkologie Bozen), Primar Dr. Christoph Leitner (Innere Medizin Bruneck und onkologische Tagesklinik Bruneck) und dem ehemaligen Primar der Pathologie Bozen, Dr. Guido Mazzoleni mit Informationen und neuesten Zahlen zum Stand der Krebserkrankungen in Südtirol versorgt.
Das Motto „Close the care gap – Versorgungslücken“, betonte die Landesvorsitzende der Südtiroler Krebshilfe Ida Schacher in ihrer Begrüßung, „soll auf die ungerechte Verteilung von Information, Versorgung und Hilfsangeboten innerhalb der Krebsfürsorge aufmerksam machen.Faktoren wie Wohnort, Alter, Geschlecht, Sexualität, Wohlstand etc. beeinflussen die Versorgung von KrebspatientInnen weltweit. Leider haben – auch in unserem Land – nicht alle Betroffenen den gleichen Zugang zu einer optimalen onkologischen Information und Versorgung oder zu einer angemessenen Pflege… Die Südtiroler Krebshilfe, so Ida Schacher, „setzt sich ständig dafür ein, dass KrebspatientInnen bestmöglich informiert, behandelt und betreut werden.“
„Das Südtiroler Sanitätswesen“, so Dr. Christoph Leitner in seinem Vortrag, "ist allen Unkenrufen zum Trotz, gut aufgestellt.“ Und gerade deshalb sei eine umfassende und korrekte Information umso wichtiger, um wirklich alle zu erreichen. Der europäische Krebscodex, so Leitner, sollte allen bekannt sein und dennoch ist der Weltkrebstag immer wieder ein Anlass, um diese zwölf so wichtigen Regeln für einen gesunden Lebensstil erneut vorzustellen. „Wenn jeder die Verantwortung für seine Gesundheit übernimmt und ernst nimmt“, so der neuernannte Primar der Inneren Medizin Bruneck, „könnten 50 % der Krebserkrankungen verhindert werden. Weltweit und auch in Südtirol!“ Die restlichen 50% der Erkrankungen seien nicht beeinflussbar, genetisch bedingt oder auf Umwelteinwirkungen oder auch Pech zurückzuführen.
Die wichtigsten Regeln für einen gesunden Lebensstil betreffen den Tabak- und Alkoholkonsum, Bewegungsmangel, Übergewicht und ungeschützte Sonneneinstrahlung, die korrekte Teilnahme am öffentlichen Screening-Angebot (Brustkrebs für Frauen zwischen 50 und 69; Gebärmutterhalskrebs für Frauen zwischen 23 und 65; Dickdarmkrebs für Frauen und Männer zwischen 50 und 69) und das Wahrnehmen des Impfangebots (Hepatitis B und HPV).
Was tun, um die Versorgungsqualität der Patientinnen zu verbessern, dieser Frage ging Dr. Martin Steinkasserer in seinem Vortrag nach. „Die Zentralisierung ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg dorthin, eine Konzentration der Behandlungen ist deshalb so unumgänglich, weil es sich um sehr spezifische Erkrankungen handelt und die Sterblichkeit sehr hoch ist.“ Internationale Leitlinien geben z. B. bei Gebärmutterkörperkrebs eine Idealzahl von mindestens 100 Fällen und eine Realzahl von rund 50 pro Jahr an, um die Behandlungsqualität zu erhöhen. „Es handelt sich um einen Krebs, der in relativ fortgeschrittenem Alter auftritt in Patientinnen, die bereits bedeutende Begleiterkrankungen wie z. B. Diabetes oder Bluthochdruck aufweisen. Wir verzeichneten 2022 insgesamt 42 Eingriffe bei Eierstockkrebs.“ Bei selteneren malignen und sehr aggressiven Tumoren wie Gebärmutterhals-, Scheiden- oder Vulvakrebs ist eine Konzentration noch wichtiger. „In Bozen haben wir 2022 14 Patientinnen mit Gebärmutterhalskrebs, 14 Patientinnen mit Scheidenkrebs und 13 Patientinnen mit Vulvakrebs behandelt."
Die gynäkologischen Ambulatorien in Bozen verzeichneten 203 Erst- und 812 Follow-Up-Visiten. Das multidisziplinäre Tumorboard tritt einmal pro Woche zusammen, es wurden 752 Ultraschalluntersuchungen vorgenommen und insgesamt 104 onko-chirurgische Eingriffe vorgenommen.
Neben der regelmäßigen Teilnahme an den Screening-Untersuchungen sei jede Frau aufgerufen, ihren Körper aufmerksam zu beobachten, um kritische Veränderungen sofort wahrnehmen zu können, betonte Steinkasserer. „Grundsätzlich ist jede Frau einem Krebsrisiko ausgesetzt, je besser sie ihren Körper kennt, desto größer ist die Chance der Früherkennung!“ Veränderungen wie atypische Blutungen, eine Zunahme des Bauchumfangs, undefinierbare Unterleibsschmerzen, Fremdkörpergefühl, Hautschwellungen, chronischer Juckreiz, tastbare Knoten der Brust, Sekretionen der Brustwarzen, Hautveränderungen der Brust, Schwellungen der Lymphknoten und Thrombosen sind Warnsignale, die einen umgehenden Arztbesuch erfordern.
Mit Zahlen und Daten aus Europa, Italien und Südtirol wartete wie jedes Jahr der mittlerweile ehemalige Primar des Dienstes für Pathologie am Krankenhaus Bozen und Direktor des Südtiroler Tumorregisters, Dr. Guido Mazzoleni auf. Zum letzten Mal. Im kommenden Jahr wird sein Nachfolger im Tumorregister, Dr. Michael Mian, der ebenfalls an der Pressekonferenz teilgenommen hat, diese Aufgabe übernehmen.
Eine Zahl sticht ins Auge! In den letzten Jahren war Südtirol mit Ausnahme des Alkoholverbrauchs, in dem unser Land konstant einen besorgniserregenden ersten Platz unter allen italienischen Regionen hält, erfreulicher Zweitletzter, was Übergewicht und Rauchen und erfreulicher Zweiter was Bewegung und Fitness anbelangt. Im Zeitraum 2020-2021 ist Südtirol, was das Rauchen anbelangt, nun auf den sechsten Platz vor gerutscht und liegt damit weit über dem nationalen Durchschnitt. Schon im vergangenen Jahr hatte Dr. Mazzoleni aufgezeigt, dass vor allem Frauen zunehmend mehr rauchen und parallel zu diesem Phänomen die Fälle an Lungenkrebs bei Frauen im Ansteigen sind. Rauchen ist nach wie vor einer der Hauptrisikofaktoren, nicht nur bei Lungenkrebs, sondern auch bei vielen anderen Krebserkrankungen.
Wie jedes Jahr präsentierte Dr. Mazzoleni die neuesten erfassten Daten (das heißt Zeitraum 2015 bis 2019 bzw. 2021) aus Südtirol. Pro Jahr erkranken 2.968 SüdtirolerInnen neu an Krebs (Zeitraum 2015-2019, ohne Berücksichtigung der nichtmalignen Hautkrebse). Davon sind 1.642 Männer und 1.326 Frauen. Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern (25% aller Fälle), gefolgt von Darmkrebs, Blasenkrebs, Lungenkrebs und Hautmelanomen. Bei den Frauen ist Brustkrebs mit 29% die häufigste Krebsart, gefolgt von Darmkrebs, Lungenkrebs, Hautmelanomen und Gebärmutterkrebs. Krebs ist in den letzten Jahrzehnten von einer unheilbaren, auch tödlichen zu einer chronischen Erkrankung geworden, aber immer noch sterben Menschen auch an Krebs. In Südtirol sind es im Durchschnitt 1.151 Personen pro Jahr (Jahreszeitraum 2017-2021), davon 617 Männer und 534 Frauen. Für das Jahr 2022 schätzt das Tumorregister 1.193 Todesfälle aufgrund onkologischer Erkrankungen, davon 646 Männer und 547 Frauen. Die Anzahl der Neuerkrankungen bei Männern ist am Zurückgehen, bei den Frauen bleibt sie stabil. Besonders im Rückgang ist bei Männern die Neuerkrankung an Darmkrebs und Hautmelanomen. Eine leichte Zunahme wurde bei den Neuerkrankungen an Prostatakrebs verzeichnet. Bei den Frauen stieg im Vergleich die Anzahl an Neuerkrankungen bei Brustkrebs leicht an. Allerdings muss man bei diesen Zahlen bedenken, unterstrich Dr. Mazzoleni, dass sich die zwei Jahre der Covid-19-Pandemie auf die Krebsdiagnostik ausgewirkt haben. Er legte eine Tabelle vor, die den Rückgang der Vorsorgeuntersuchungen von 2020 auf 2021 nachweist. „Eine genaue Bewertung dieses Gaps“, so Mazzoleni, „kann erst nach Abschluss der Registrierung der Krebserkrankungen in den Jahren 2020-21 erstellt werden.“

Aktuell

Auf einen Blick

Ein gesunder Lebensstil kann 40 Prozent aller Krebserkrankungen verhindern. Körperliche Inaktivität, Übergewicht, ungesunde Ernährung, Genussmittel und Schutz vor UV-Strahlung sind Risikofaktoren für Krebs, die jeder beeinflussen kann!

Europäischer Kodex zur Krebsbekämpfung
1.

Rauchen Sie nicht. Verzichten Sie auf jeglichen Tabakkonsum.
2. Sorgen Sie für eine rauchfreie Umgebung. Unterstützen Sie rauchfreie Arbeitsplätze.
3. Legen Sie Wert auf ein gesundes Körpergewicht.
4. Bewegen Sie sich täglich. Verbringen Sie weniger Zeit im Sitzen. Die Wirkung des Sports für die Krebsprävention am Beispiel Darmkrebs: Die Muskulatur sendet bestimmte Botenstoffe über das Blut in unterschiedliche Organsysteme aus. Wird die Muskulatur belastet, werden z. B. im Darm bestimmte Muskelhormone freigesetzt. Gelangen sie in die Darmschleimhaut, hemmen sie die Entwicklung von Darmpolypen. Bewegung erhöht die Zahl der natürlichen Killerzellen, die Krebszellen abtöten können. Wer täglich mindestens 10 Minuten intensiv trainiert und richtig ins Schwitzen kommt, aktiviert die Muskulatur und erhöht damit die Immunkompetenz.
5. Ernähren Sie sich gesund:
Essen Sie häufig Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse.
Schränken Sie Ihre Ernährung mit kalorienreichen Nahrungsmitteln ein (hoher Fett-oder Zuckergehalt) und vermeiden Sie zuckerhaltige Getränke.
Vermeiden Sie industriell verarbeitetes Fleisch; essen Sie weniger rotes Fleisch und salzreiche Lebensmittel.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine ausgewogene Mischkost: mindestens 400 g Gemüse und 250 g Obst am Tag, Vollkornprodukte, täglich max. 150 g Milchprodukte wie Joghurt und Käse, Fisch ein- bis zweimal pro Woche, unverarbeitetes Fleisch 300 bis max. 600 g pro Woche, wenig Alkohol: 10 g pro Tag (ein kleines Glas Wein) für Frauen und 20 g pro Tag (ein halber Liter Bier) für Männer. Verarbeitetes, rotes Fleisch gilt als krebserregend, vor allem gepökelte und geräucherte Wurstwaren.

6. Reduzieren Sie Ihren Alkoholkonsum. Der völlige Verzicht auf Alkohol ist noch besser für die Verringerung Ihres Krebsrisikos.
7. Vermeiden Sie zu viel Sonnenstrahlung, insbesondere bei Kindern. Achten Sie auf ausreichenden Sonnenschutz. Gehen Sie nicht ins Solarium.
8. Schützen Sie sich am Arbeitsplatz vor krebserregenden Stoffen, indem Sie die Sicherheitsvorschriften befolgen.
9. Finden Sie heraus, ob Sie in Ihrem Zuhause einer erhöhten Strahlenbelastung durch natürlich vorkommendes Radon ausgesetzt sind. Falls ja, ergreifen Sie Maßnahmen zur Senkung dieser hohen Radonwerte.
10. Für Frauen:
Stillen senkt das Krebsrisiko bei Müttern. Falls möglich, stillen Sie Ihr Kind.
Hormonersatztherapien erhöhen das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen. Nehmen Sie Hormonersatztherapien möglichst wenig in Anspruch.

11. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Kinder an Impfprogrammen teilnehmen, gegen:
Hepatitis B (Neugeborene)
Humanes Papillomavirus (HPV) (Mädchen).

12. Nehmen Sie an bestehenden Krebsfrüherkennungs- und Screening Programmen teil:
Darmkrebs (Männer und Frauen)
Brustkrebs (Frauen)
Gebärmutterhalskrebs (Frauen)