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Wo Worte fehlen, helfen Bilder

Kunsttherapie mit Patrizia Trafojer in Meran


Das künstlerische Arbeiten ist wie ein magischer Spiegel, er spiegelt nicht das eigene Bild wider, sondern das, was einen gerade im tiefsten Inneren beschäftigt. Einmal in der Woche halten sich in Meran mehrere Frauen diesen Spiegel vor. An zwei unterschiedlichen Terminen, Dienstag Abend und Mittwoch Vormittag bietet die Kunsttherapeutin und Theaterpädagogin Patrizia Trafojer, Kunsttherapie an.
Der Gemeinschaftsraum des Bezirkes Meran ist schnell umgewandelt in ein offenes Atelier. Farbe, Skulptur, Collage, Ton, Grafik, Holz, Stoffe…. Im Prinzip ist die Wahl des Mittels frei. Zu Beginn führt Patrizia Trafojer ihre Klientinnen, wie sie die Teilnehmerinnen nennt, zunächst an die Farbe. Aquarell, Wachs, Ölkreiden, Stifte oder Pinsel. Die Kraft der Farben und die Energie, die vom verwendeten Werkzeug ausgeht: Pinsel, Stift, Wachskreide. Hier zählt nicht nur die Führung, sondern auch der Druck, der ausgeübt wird. Nach der Farbe kommt die Collage, das dreidimensionale Arbeiten. „Das ermöglicht mir und wer die Arbeit erstellt, zu erkennen wie sie/er im Raum steht. Dreidimensionalität eröffnet neue Horizonte, setzt einen Wahrnehmungsprozess in Gang. Auf sich selbst, auf das Umfeld, auf Emotionen“, erklärt Patrizia Trafojer.
Am Anfang sind die Klientinnen angehalten, zu experimentieren. Farben, Formen, Materialien. Frei zu gestalten. Patrizia Trafojer begleitet diesen Prozess ohne einzugreifen. Sie schaut, erkennt. „Im weitergehenden Prozess klinke ich mich dann ein, gebe bewusst Anreize für die Materialwahl, fördere die positive Wahrnehmung der betreffenden Person. Gesprochen wird über die Arbeiten meist im Zwiegespräch zwischen Klientin und Kunsttherapeutin, selten kommt es zu Gruppengesprächen. Jede der Frauen (wie so oft sind in diesem Kurs keine Männer eingeschrieben), hat auch die Möglichkeit über Mail, Video-Anruf oder Whatsapp mit Patrizia Trafojer in Kontakt zu treten.
Zwischen den Treffen ist es ratsam, eine Woche verstreichen zu lassen. „Es braucht Zeit, zum Sich-Setzen. Viele Arbeiten werden nicht in einer Sitzung, sondern über drei, vier oder mehr Treffen fertiggestellt.“ Die meisten Arbeiten bleiben im Raum der Krebshilfe, gut verstaut in den Schränken, die für die Kunsttherapie zur Verfügung stehen. Manchmal allerdings entscheidet Patrizia Trafojer bewusst, ein Werk mit nachhause zu geben, damit es dort weiterwirken kann.
Theresia besucht den Kurs seit zwei Jahren, erst nach einem Jahr kam es zur ersten persönlichen Begegnung mit Patrizia. Aufgrund der Pandemieeinschränkungen fand der Kurs über Zoom statt. „Was hast Du im Haus?“, fragte Patrizia mich beim ersten Mal. Ölkreiden, Sand, Bleistifte, Steine, Holz…“ Am Anfang, erinnert sich Theresia, hatte der Kontakt mit den Farben denselben Effekt auf sie, wie der Kontakt mit Menschen. Angst. Angst, nicht alles unter Kontrolle zu haben. „Ich habe gelernt, dass ich gehen lassen muss. Die Farben und mich.“ Die Collage-Technik eröffnete ihr hingegen die Möglichkeit, etwas zuzukleben. Abzuschließen. „Das rühre ich nicht mehr an – und es rührt mich nicht mehr an!“ Platz für Neues.
Marion arbeitet mit Ölkreiden. Man sieht ihr förmlich die Anstrengung an, mit der sie die Kreide fast gewaltsam über das Papier führt. Ein Kraftakt. Sie hat von klein auf in Farben einen Weg gesehen, sich auszudrücken. Eigentlich hätte sie gerne die Kunstschule besucht, aber das wurde ihr verwehrt: Damit kommst Du nicht weit, hieß es! Die Kunsttherapie hat ihr bewiesen, dass Farben mehr bedeuten, als nur malen. Es zieht sie immer wieder zu einer Farbe. In jeder Technik. Rot. „Rot hat für mich zwei Valenzen: Gefühle vermitteln, Energie gewinnen, Kraft zu schöpfen aber gleichzeitig sind für mich damit Wut, Leidenschaft und Sexualität verbunden.“ Marion arbeitet mit sichtlichem Druck. Die Belastung fließt dadurch auf das Blatt Papier, fällt ab von ihr. „Danach geht es mir besser. Das künstlerische Arbeiten tut mir gut.“
Patrizia, die Marions Arbeiten begleitet, erklärt, dass die große Stärke der Kunsttherapie darin liegt, dass die entstehenden Werke aktuelle Zeugen einer aktuellen Situation sind. „Nimmt man sich die Werke einer längeren Periode vor, erkennt man die Entwicklung.“ Marions Werke sprechen von einem Tunnel, von mehreren Aspekten, die in Arbeit sind. „Die Arbeit muss nicht immer verbal untermauert werden“, betont die Kunsttherapeutin. „Wichtig ist, dass die Klientin erkennen und das Erkannte in einen Kontext setzen kann. Wichtig ist, dass die Person aus einer passiven Haltung heraus und in aktives Handeln kommt.“ Sie gibt auch Anreize: Nimm diese Farbe heraus, arbeite mit dieser Farbe weiter.
An der Wand des Raumes hängen Bilder, die immer wieder ausgewechselt werden. „Spuren an der Wand“ nennt sie Patrizia Trafojer. „Sie sind eine Aufforderung zur Selbstreflexion. Wir arbeiten in Groß, beginnen Groß, um große Emotionen freizusetzen. Im nächsten Prozess können wir dann wieder reduzieren.“
Eine Teilnehmerin ihres Ateliers hat es einmal so ausgedrückt: Das Schlimmste für mich im Zusammenhang mit meiner Erkrankung war, dass mein Umfeld nur meine Krankheit sieht. Aber ich habe Sehnsüchte, Gefühle, Träume, ich bin auch noch da. Das war der Impuls, der mich zur Kunsttherapie geführt hat.“ Das Atelier ist ein Spiegel der Gesellschaft im Kleinen: jeder für sich, aber doch zusammen.
Martinas Erkrankung liegt schon zwanzig Jahre zurück, damals hat sie Hilfe in einer Selbsthilfegruppe gesucht und dort auch gemalt. Das hat ihr gefallen, aber dann hatte sie immer zu tun. Arbeit, Haushalt. Zeit für sich keine. Jetzt ist sie in Pension und damit kam das Bedürfnis, sich Zeit für sich zu nehmen, sich auszudrücken. Sie hat mit Ton begonnen, ist dann zur Collage übergewechselt. Sie war selbst überrascht über die Offenheit ihrer Werke. Abstrakt, Natur, Personen. „Ich bin offen, nicht festgelegt, kann das jetzt (endlich) leben. Es ist etwas in mir, das ich ausarbeiten muss.“ Freude oder Druck? Nein, sagt sie: Lust. Lust, die Ordnung aufzubrechen, eine eigene Ordnung zu kreieren, mit Farben, Formen. „Dinge, die eine feste Struktur haben“, erklärt Martina, „ziehen mich an. Aber ich öffne sie jetzt.“ In der Kunsttherapie lebt sie den Luxus ihrer neuen Lebenssituation aus. Etwas ohne Zweck, ohne Leistungsorientierung zu tun, etwas zu tun, einfach weil sie es sich wert ist. Einfach, weil sie Lust darauf hat.
Patrizia Trafojer sieht sich selbst als Bewahrerin, als Schützende und als Anreizgebende. Je nachdem was es braucht. „Ich stelle diesen Raum zur Verfügung und ich schütze ihn und alles, was hier vor sich geht. Und was hier entsteht, die Arbeiten, unterstreicht die Kunsttherapeutin, „sind alle im Kasten. Nichts bleibt auf sich beruhen!“
Arbeiten, die während der Kunsttherapie entstehen, sind ein Zeugnis der aktuellen Situation der Teilnehmer
Die Kunsttherapeutin Patrizia Trafojer

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Das große Herz der Oberpustertaler Flug-Fans

Plastikstöpsel-Sammlung seit zehn Jahren und Benefizveranstaltungen


Am Anfang war der Stöpsel, oder besser die Stöpsel. Egal ob weiß, blau, schwarz oder rot, größer oder kleiner, ob von Plastikflaschen, Joghurtgläsern, Milchverpackungen, Tuben… sie gehören nicht in den Müll und sie können Gutes bewirken. Seit zehn Jahren sammelt der Frecce-Tricolori-Fanclub von Toblach und mit ihm der Bezirk Oberpustertal der Krebshilfe Plastikverschlüsse aller Art für einen guten Zweck, oder besser zwei: das Krebszentrum in Aviano und den Schutz der Umwelt.
Warum Aviano? Weil dort auch die berühmten Frecce-Tricolori, die Kunstflugstaffel der italienischen Luftwaffe, stationiert sind. In Toblach gibt es einen treuen Fanclub dieser waghalsigen Piloten, Vorsitzender ist Rudi Krautgasser. Und wenn der Verein neben der Begeisterung für die Flugkunststücke der Piloten der Militärflugzeuge auch Gutes tun kann, sind die Mitglieder glücklich.
Mit der Krebshilfe arbeiten die Toblacher Kunstflug-Fans schon seit vielen Jahren zusammen. Nicht nur im Rahmen der Stöpsel-Sammelaktion. Sie veranstalten Sportveranstaltungen, im Winter auch Skirennen für die Piloten, jedes Mal in Form einer Benefizveranstaltung. „Wir unterstützen dabei nicht nur das Krebszentrum in Aviano oder ganz konkret vor Ort die Krebshilfe im Oberpustertal, sondern auch Familien, die in einer Notsituation sind, kranke Menschen oder auch Erdbebengebiete, erklärt Krautgasser.
Am 1. Mai ging in Toblach eine große Veranstaltung über die Bühne, rund um einen LKW mit einer großen Plastikflasche, die mit den gesammelten Stöpseln gefüllt wird. Die Pustertaler sind besonders fleißige Stöpselsammler, berichtet Rudi Krautgasser: so konnten 2015 in nur sechs Monaten mehr als 6000 kg an Stöpseln gesammelt werden.
Die Stöpsel sind aus einem wertvolleren Plastik als Plastikflaschen. Sie werden an eine Spezialfirma geliefert, die daraus Plastikballen fertigt, die wiederum von der Industrie weiterarbeitet werden. Der Erlös geht an das hochspezialisierte Krebszentrum in Aviano.
Mittlerweile haben sich auch andere Bezirke der Südtiroler Krebshilfe der Sammelaktion angeschlossen. Die Stöpsel können in jedem Bezirksbüro oder aber direkt im Oberpustertal abgegeben werden. Rudi Krautgasser freut sich schon heute auf das Jahr 2025: dann nämlich fährt der LKW mit seiner großen Plastikflasche und den vielen Stöpseln bis nach Rom auf den Petersplatz, wo ihnen Papst Franziskus I eine Audienz gewähren wird.
Der Pustertaler Fanclub der Frecce Tricolori zählt fast 800 Mitglieder jeden Alters. Zu den verschiedenen Flugshows der Kunstflieger mit ihrem Wasserdampfschweif in den Farben der italienischen Nationalflagge, die in ganz Italien stattfinden, werden Busse organisiert.
Um zur Kunstflugstaffel zugelassen zu werden, müssen die Piloten mindestens tausend Flugstunden nachweisen. Sie gehören der Staffel maximal fünf bis sechs Jahre an, der Kommandant bis zu zehn Jahre. Jeden Tag trainieren die Berufssoldaten dreimal ihre flugakrobatischen Kunststücke. In den vergangenen 15 Jahren hat der Pustertaler Fanclub insgesamt 150.000 Euro an Spenden sammeln können, unter anderem auch zugunsten der Südtiroler Krebshilfe.
Die Zusammenarbeit mit dem Bezirk Pustertal kam nicht zuletzt zustande, weil früher viele Krebskranke des Pustertals im Krebszentrum von Aviano behandelt worden sind, erinnert sich die Vorsitzende des Oberpustertals und Landesvorsitzende Ida Schacher. „Auch wenn wir selbst nicht mehr davon profitieren, weil wir mittlerweile Exzellenzzentren in Südtirol haben, ist uns diese Aktion doch ein großes Anliegen“, betont Ida Schacher. „Helfen und das auch noch zugunsten der Umwelt!“ Viele Frauen kommen im Bezirksbüro vorbei und liefern mit Stöpseln gefüllte Taschen ab. „Wenn jetzt alle anderen Bezirke auch noch fleißig mitsammeln, ist das uns und dem Frecce-Tricolori-Club eine große Freude.“