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Darf es weich, halb- oder dickflüssig sein?

Rezepte wie Samt: Italienische Star-Köche und ihre Menüs für beschwerdefreies Schlucken


Ein Traum, eine Mission und ein Kochbuch mit Menu-Vorschlägen von zehn italienischen Sterneköchen, darunter Herbert Hintner, Inhaber und Meisterkoch des Restaurants „Zur Rose“ in Eppan. „Das Nebenprodukt meiner Arbeit sind Menschen mit Dysphagie“, sagt Dr. Luca Calabrese, Primar der Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Medizin in Bozen. Und gerade deshalb fühlt er sich umso mehr verantwortlich für die Heilung seiner Patienten, nicht nur in medizinischer Hinsicht. „Mein Ziel ist die vollständige, d.h. auch die soziale und gesellschaftliche Heilung. Eine zufriedenstellende Lebensqualität ist genauso wichtig wie die Heilung.“
Was bedeutet Dysphagie? Es handelt sich um die Schwierigkeit, Speisen und Getränke vom Mund in den Magen zu befördern. Eine Schluckbehinderung, die häufig infolge von Operationen im Rachen und Kehlkopf auftritt. Aber nicht nur. Es gibt verschiedene Ursachen, die den Schluckprozess beeinträchtigen können: neurologische Erkrankungen, Gefässprobleme, Parkinson, Demenz oder fortgeschrittenes Alter. Menschen mit Dysphagie können nur weiche, halb- oder dickflüssige Lebensmittel zu sich nehmen. Immerhin betrifft dieses Problem 15 % der über 55jährigen! Ein Phänomen , das jedoch weitgehend unbekannt ist. Nur zum Vergleich: von Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit) betrifft nur rund 4 % der Gesellschaft aber dieses Problem ist weithin bekannt.
Doch zurück zum Traum von Dr. Calabrese. Vor ein paar Jahren erzählte ihm ein Patient mit Dysphagie: „Gestern Abend hat mir meine Frau eine Pizza zum Abendessen zubereitet. Ich bin so glücklich.“ Dazu reichte er ihm ein Foto der „Pizza“: Ein Rand aus einer Art weichem Briocheteig, pürierte Tomaten bedeckt mit weißen Mozzarellacreme-Tupfen, garniert mit zwei Basilikumblättern. „Da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen und ich habe das Problem meiner (Ex)Patienten erkannt. Normalerweise werden Menschen mit Dysphagie von der medizinischen Welt einfach mit bräunlichen Erdbeer-Milchshakes abserviert!“ Ein Mensch mit Schluckbehinderung muss dazu aufgrund seiner Beschwerden nicht nur auf die Genüsse des Gaumens und des Auges, das seinen Anteil haben will, verzichten, er ist auch in der Ausübung seines sozialen Lebens behindert, kann nicht mit seiner Familie oder seinen Freunden in ein Restaurant gehen. Viele schämen sich und ziehen sich völlig zurück. „Mir wurde klar“, fährt Dr. Calabrese fort, „dass ich solchen Patienten durch meinen Eingriff zwar das Leben gerettet habe, die Frage ist nur: Welches Leben?“
In Gesprächen mit befreundeten Köchen entwickelte Dr. Calabrese die Idee eines Kochbuchs. Er nahm Kontakt mit der Vereinigung der 'Jeunes Restaurateurs d'Europe' in Italien auf, besuchte deren Jahreskongress. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass sich niemand dieses Problems bewusst war, umso größer war aber die Bereitschaft der Meisterköche, mehr darüber zu erfahren. Zu einem späteren Zeitpunkt besuchte er zusammen mit einer Logopädin die am Projekt interessierten Köche, um ihnen die Konsistenz zu vermitteln, die die Speisen von Personen mit Schluckbehinderung haben sollten. Alle von ihm angesprochenen Personen zeigten sich begeistert von der Idee des Kochbuchs und sagten ihre unentgeltliche Mitarbeit zu. Als Autoren konnte er Ettore Mocchetti, den ehemaligen Chefredakteur der bekannten Zeitschrift „Cucina Italiana“, gewinnen, der sich außerdem versprochen hat, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft in jeder Ausgabe ein „Samt-Rezept“ vorgestellt wird.
Das Buch mit den Rezepten der zehn Starköche, „Ricette di velluto“, so der italienische Titel, ist letztes Jahr erschienen. Geplant ist eine Präsentation des Projekts vor der Abgeordnetenkammer in Rom, gefolgt von einer Veranstaltung in Mailand und Bozen. „Ich möchte die Aufmerksamkeit aller auf dieses Thema lenken“, betont Primar Luca Calabrese. „Und ich hoffe, dass es bald selbstverständlich sein wird, im Restaurant nicht nur Gerichte für Menschen mit Zöliakie, sondern auch für Menschen mit Schluckbehinderung zu finden.“ Das Logo, das neben den verschiedenen Michelin-, Gault Millau- oder Tripadvisor-Plaketten hängen soll, gibt es auch schon: ein von Ugo Nespolo entworfener Lebensbaum.
Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Buches sollen Projekte für Menschen mit Dysphagie finanziert werden, unter anderem weitere Kochbücher mit regionalen Rezepten, traditioneller italienischer Küche und Bistro-Küche.
„Lebensqualität heißt auch, sich nicht "anders" zu fühlen. Das Anderssein zu reduzieren, so weit wie möglich auf null zu setzen, ist nicht nur eine klinische Pflicht, sondern auch eine erfüllende, soziale und ethische Verpflichtung.“
Blaue Kartoffelsuppe mit Almkäse-Creme
Samt-Rezept von Herbert Hintner
Zutaten (4 Personen):
400 gr blaue Kartoffeln,
200 gr in Würfel geschnittener Almkäse
160 ml Sahne
60gr Butter
100 gr gehackte Zwiebeln
Salz und Gemüsebrühe n.B.

Vorbereiten der Kartoffeln
Die Kartoffeln mit Schale und je nach Größe ca. 30 Minuten kochen. Schälen und zerkleinern.

Die Zwiebeln anrösten, die Kartoffeln dazugeben und mit Gemüsebrühe bedecken. Butter zugeben und pürieren.

Vorbereitung der Almkäse-Creme
Die Sahne auf 60° C erhitzen, die Käsewürfel hinzugeben und rühren bis eine dickflüssige, homogene Creme entsteht.

Servieren
Die Suppe in einen Teller füllen und mit der Almkäse-Creme dekorieren.

Aktuell

Mit vereinten Kräften

Das Brustgesundheitszentrum Brixen-Meran zum wiederholten Mal zertifiziert – In Südtirol wird jede Brustkrebspatientin nach modernsten Kriterien behandelt.


Vor über zwanzig Jahren legte eine Entscheidung des Europäischen Parlaments die Basis für die moderne Behandlung von Brustkrebs. Bis zu diesem Zeitpunkt musste eine Frau mit Brustkrebs in Europa das Glück haben, für Diagnose und Behandlung am rechten Ort zu sein. Ein standardisiertes und zertifiziertes, einheitliches, interdisziplinäres und den neuesten Erkenntnissen entsprechendes Protokoll, sollte dem Abhilfe schaffen. Die Geburtsstunde des modernen Brustgesundheitszentrums.
Das Brustgesundheitszentrum Brixen und Meran war bei seiner ersten Zertifizierung 2006 ein absoluter Vorläufer in Südtirol, noch vor der Zusammenlegung der sieben Südtiroler Gesundheitsbezirke im Interesse einer besseren Koordination der Gesundheitspolitik. Nicht zuletzt auch aufgrund der guten Kontakte zwischen den beiden Krankenhäusern und vor allem der beiden Abteilungen für Gynäkologie, wurden in Befolgung der neuen europäischen Richtlinien, Abläufe, Strukturen und Prozesse gemeinsam durchdacht, strukturiert, standardisiert und durchgeführt. „Wir wussten noch nicht genau wie, waren aber überzeugt, dass nur über eine effiziente, interdisziplinäre Zusammenarbeit das bestmögliche Resultat für die Patientinnen erzielt werden kann“, erinnert sich Dr. Herbert Heidegger, Primar der Abteilung für Gynäkologie in Meran und einer der Geburtshelfer des ersten Südtiroler Brustgesundheitszentrums. Mit dabei war auch Dr.a Sonia Prader, damals Mitglied des Teams der Gynäkologie Brixen, bevor sie für mehrere Jahre an die Uniklinik in Essen ging, um dann im Januar 2020 die Leitung der Abteilung als Primarin zu übernehmen.. Recht hatten sie!
Heute ist das Brustgesundheitszentrum selbstverständliche, tägliche „best-pratice“ und hat gerade wieder erfolgreich die große, im Abstand von drei Jahren durchzulaufende Zertifizierung abgeschlossen. Hierfür reisen internationale Experten an, begleiten die Arbeit und überprüfen, ob alle Abläufe den zertifizierten Protokollen entsprechen.
Genau genommen sind es zwei Zertifizierungen: ISO und Deutsche Krebsgesellschaft. Eine kleinere Kontroll-Zertifizierung findet alle 12 Monate statt.
Während das Brustgesundheitszentrum Brixen und Meran hauptsächlich mit der Uniklinik in Innsbruck und deutschen Zentren zusammenarbeitet und die Zertifizierung über die Deutsche Krebsgesellschaft abwickelt, hat Bozen wenige Jahre später den Weg der Zertifizierung nach den Protokollen der European Society of Breastnurse Cancer Specialist, EUSOMA gewählt. Der Unterschied liegt hauptsächlich im Namen und in einigen organisatorischen Details, die Qualitätskriterien entsprechen den gleichen hohen Anforderungen. Egal wo: Frauen in Südtirol können darauf vertrauen, nach den besten internationalen Protokollen behandelt zu werden.
Der Vorteil eines Brustgesundheitszentrums liegt auf der Hand. Routinierte Zusammenarbeit von Experten aller Fachbereiche: Chirurgen, Gynäkologen, Pathologen, Radiologen, Psychologen, Breast-Care-Nurses, Physiotherapeuten und im günstigsten Fall auch Datamanager. Die im Abstand von einem, bzw. drei Jahren anstehenden Zertifizierungsaudits werden dabei nicht als Stress, sondern vielmehr als Ansporn empfunden, die tägliche Arbeit aus einem gesunden Abstand heraus zu hinterfragen und zu überprüfen. Die Zertifizierung ist der rote Faden, der alles zusammenhält, der den Abläufen eine Struktur verleiht und immer wieder zwingt, die Routine kritisch zu überdenken. Primarin Sonia Prader und Primar Herbert Heidegger sprechen von einem sportlichen Zugang: „Wo stehen wir im Vergleich zu anderen? Was passiert anderswo, was kann ich weitergeben und was kann ich übernehmen? Im Interesse der Patientinnen.“ Dass das Konzept aufgeht, belegen die Zahlen. Mit einer Überlebensrate von 87-88% nach fünf Jahren liegt das Brustgesundheitszentrum Brixen - Meran im besten mitteleuropäischen Trend. Zahlen der deutschen Krebsgesellschaft belegen zudem, dass in Tumorzentren die Sterblichkeit der onkologischen Patienten um 11% unter jener von Patienten liegt, die in einer nicht zertifizierten Struktur behandelt werden.
Die Zusammenarbeit in einem zweigeteilten Zentrum bringt natürlich auch Unterschiede zu Tage und ist dadurch ein weiterer Ansporn, nicht stehenzubleiben. Interessant ist nicht zuletzt der Aspekt des Voneinander-Lernens. Dr.a Sonia Prader: „Meran hat eine sehr gut geführte Krebs-Sportgruppe. Da müssen wir nachziehen. Dafür haben wir schon eine Sekretärin für die Dokumentation.“ Die Dokumentation ist in der Tat eine nächste Hürde für Meran, um noch besser zu werden. Ein neues Dokumentationsprogramm soll eingeführt und ein/e Dokumentations-AssistentIn angestellt werden, unterstreicht Primar Heidegger.
Ein Brustgesundheitszentrum, die Interdisziplinarität ist natürlich auch ein großer Aufwand. Zeitlich, personell und auch finanziell. „Und da“, so Primar Heidegger, „haben wir Druck gemacht! Die radiologischen Zentren in Brixen und Meran sind auf unserem Mist gewachsen, ebenso wie die psychoonkologische Behandlung und die genetische Beratung! Darauf sind wir stolz.“
Die Brustgesundheitszentren sind allerdings nicht mit einer allgemeinen Zentralisierung zu verwechseln, betonen die beiden Gynäkologen: „Ein tausend Betten Haus ist nicht besser als eines mit 300 Betten!“ Interdisziplinarität ist in jedem Fall die Voraussetzung - und nicht nur bei Brustkrebs - für eine bessere Früherkennung, eine bessere Behandlung (chirurgisch, chemotherapeutisch und/oder strahlentherapeutisch) und ein besseres Follow-Up. Und zu alldem, da sind sich Dr.a Sonia Prader und Dr. Herbert Heidegger ebenso einig: „Wir haben es einfach, weil wir es mit Frauen zu tun haben!“
Dr. Herbert Heidegger, Dr.a Sonia Prader, Dr.a Anita Domanegg und Dr.a Tanja Dalsass nach einem Qualitätszirkel des Brustkrebszentrums