Aktuell

Virtuell vereint schreiben und lesen

Schreibwerkstatt und Lesecafé in Zeiten der Pandemie
Das Foto wurde vor der Corona-Pandemie aufgenommen
Gemeinsam schreiben und lesen via Bildschirm. Ja geht denn das? Es geht und zwar sehr gut. Die Schreibwerkstatt und das Lesecafé in Bozen haben dies schon während des ersten Lockdowns feststellen und praktizieren können. Und nun, nach vier analogen Treffen im Sitz in der Dreiheiligengasse mit Fiebermessen, Hände desinfizieren und Abstand halten, sitzen wir wieder vor dem Bildschirm.
Zugegeben, am Anfang, im März waren nicht alle überzeugt, dass es online funktionieren könnte. Ausnahmesituationen helfen, Vorurteile zu überwinden und schlussendlich hat der Wunsch gesiegt, weiterzumachen und sich trotzdem begegnen zu können. Ein Licht im Dunkel des Lockdowns. Und das war es.
Nun sind wir also wieder soweit. Jeden Mittwoch um 17.30 finden wir uns auf dem Bildschirm wieder. Claudia und Claudia, Silvia, Katia und Nicole. Während der ersten Welle der Covid-Pandemie war auch Mariella mit von der Partie, die jetzt aber Babysittern muss. Debora hat uns leider aus Gesundheitsgründen bereits nach zwei analogen Lesecafés verlassen. Online ist nicht ihr Ding, aber im Frühjahr, hat sie versprochen, wieder zur Gruppe stoßen. Kerzen auf dem Tisch, ein Tischtuch, Gebäck und Kräutertee, dies ist der normale Rahmen der Begegnungen im Sitz des Bezirks Bozen. Kaum sind alle vor dem Bildschirm in Zoom versammelt, fühlen wir uns fast, als wären wir dort. Es wird sich ausgetauscht. Über Plus und Minus seit dem letzten Treffen nachgedacht (in der Schreibwerkstatt) und dann geht es ans Schreiben. Vor dem Bildschirm. Warum nicht? Irgendwie ist man doch in Gesellschaft. Anschließend liest wie immer jede ihren Text vor.
Das Lesecafé ist etwas komplizierter. Normalerweise reicht uns ein Buchexemplar, das reihum zum Vorlesen weitergereicht wird. Jetzt müssen Seiten fotografiert und verschickt werden oder aber jede muss sich das Buch ausleihen oder kaufen. Wer nicht mit Lesen daran ist, lehnt sich zurück und hört zu. Es ist schön, sich in Gesellschaft zu fühlen. Zwischendrin oder im Anschluss diskutieren wir über das gerade Gelesene. Im Augenblick lesen wir das Buch der polnischen Nobelpreisträgerin, Olga Tokarczuk, Guida il tuo carro sulle ossa dei morti (deutscher Titel: Gesang der Fledermäuse) eine Mischung aus Kriminalfall, philosophischem Essay und lehrreicher Fabel. Es tut gut, sich zu begegnen, sich kreativ und intellektuell auszutauschen und eine Verabredung zu haben, auch wenn sie nur digital ist.

Aktuell

„Meine Arbeit ist ein Luxus“

Drei Physiotherapeutinnen seit 30 Jahren an der Seite der Patienten
Elisabeth Schwingshackl, Maria Teresa Zanoni, Agatha Pallhuber

Alle drei haben direkt nach der Ausbildung die Stellung bei der Südtiroler Krebshilfe angetreten. Ohne Berufserfahrung, und zu einer Zeit, als es in den Bezirken noch keine festen Strukturen gab, waren sie am Angang völlig auf sich alleine gestellt, mussten sich um Räumlichkeiten und auch um den gesamten bürokratischen Aufwand kümmern. Heute ist das anders. Die Lymphdrainage ist mittlerweile ein so wichtiger Bereich geworden, dass alles bestens organisiert ist. Auch die Weiterbildungen und die regelmäßigen Treffen des gesamten Teams der PhysiotherapeutInnen der Krebshilfe. Einzelkämpfer sind sie heute nicht mehr. Und heute sind auch die Patienten anders sowie deren Einstellung zur Krankheit. Eines sagen alle drei: nach den ersten und harten Einarbeitungsjahren, möchten sie ihre Arbeit nicht mehr missen. Gleichgeblieben ist der intensive, zwischenmenschliche Kontakt, die Vertrautheit mit den Patienten. Die einstündigen Treffen sind mehr als reine „mechanische“ Lymphdrainage. Unter den Händen der Physiotherapeutinnen ist nicht nur der Körper des Patienten, sondern auch seine Seele.
Elisabeth Schwingshackl
„Es ist eine ewig lange Zeit, aber trotzdem kommt es mir vor, als sei es gestern gewesen. Die ersten drei Jahre waren sehr schwierig. Ich war jung und unerfahren. Hatte die Bewerbung bei der SKH so nebenbei abgegeben, eigentlich war mein Ziel in Deutschland zu arbeiten, ich war dann auch tatsächlich in einer Spezialklinik für Lymphdrainage, als sie mich angerufen haben und gesagt haben, ich sollte sofort anfangen. Ich bekam die Schlüssel zum Ambulatorium in die Hand gedrückt und das war´s. Ich war total überfordert, abgesehen davon, dass ich alle Symptome von Krebs in der ersten Zeit an mir selbst gespürt habe. Ziehen in der Brust, Schmerzen im Hals und Druck beim Atmen. Alles. Bei jedem Patienten hab ich alles mitgefühlt. So nach und nach bin ich dann reingewachsen. Sportler haben mich als Patienten nicht interessiert, ebenso wenig wollte ich in einer reinen Kur- und Schönheitsklinik arbeiten. Ich war fasziniert von der Gesamtheit der Patienten. Was die Krankheit mit ihnen macht, wie sie damit leben, wie positiv sie diese Erfahrung für sich und für ihr weiteres Leben auswerten. Wenn ich zurückschaue, sehe ich nur wunderschöne Erfahrungen, nette Leute. Meine Arbeit ist ein Luxus, ein Lotteriegewinn und wenn ich morgens aus dem Haus gehe, habe ich nie das Gefühl, ich muss da jetzt hin. Die Arbeit hat sich natürlich verändert. Als ich jung war, kam mir ein Patient mit 40 alt vor, heute bin ich selbst Mitte fünfzig. Und habe Patienten, die ich schon seit dreißig Jahren betreue. Was sich geändert hat, ist die Einstellung zur Krankheit und der Krankheitsverlauf. Heute arbeiten wir außerdem eng zusammen mit der Onkologie und den Kollegen vom Krankenhaus. Viele Patienten sind früher gestorben, auch aufgrund von zu starken Therapien. Man hatte mehr Angst und Respekt vor der Krankheit, heute gelingt es vielen, in der Krankheit eine Chance zu sehen. Die Krankheit als Botschaft. Kürzlich hat mir eine Patientin gesagt: „Es wird schon alles seinen Sinn haben, wenn ich dadurch so Leute wie Dich kennenlerne…“ Ich sag es ja: Meine Arbeit ist ein Lottogewinn. Luxus pur!
Maria Teresa Zanoni
Diese Jahre sind verflogen wie nichts. Wenn ich zurückschaue habe ich nie das Gefühl, ich denke an etwas Schweres. Ich habe immer mit Begeisterung gearbeitet und das große Glück gehabt, in meiner Arbeit als Physiotherapeutin alle meine Interessen vereinigen zu können: ich bin auch Schwimmtrainerin und habe lange auch Wassergymnastik betreut. Ich bin an den Menschen interessiert und unsere Arbeit geht weit über die Manipulation der Lymphdrainage hinaus. Wir treten in engen Kontakt mit den Menschen. Bevor ich angefangen habe als Physiotherapeutin zu arbeiten, habe ich vier Jahre Psychologie studiert. Das hat mir ungemein geholfen. Der manuelle Aspekt ist nur ein Teil unserer Arbeit. Wir müssen uns in die Patienten einfühlen und sie stützen. Was soll ich sagen? Dreißig Jahre und sie nicht spüren, immer noch jeden Tag mit dem gleichen Enthusiasmus den Patienten gegenübertreten. Ich habe viele Kollegen kommen und gehen sehen, am Anfang waren wir zu sechst, jetzt sind wir zu zweit. Und ich habe auch die anderen Bezirke kennengelernt, früher war ich zeitweise als Vertretung eingesetzt. Es war eine schöne Reise, ein Geschenk. Jeder Patient gibt Dir etwas. Am Anfang haben wir die Patienten nur ein Stück weit begleitet. Es gab noch nicht die Palliativkuren. Die Patienten waren sich selbst überlassen, gerade für die Kranken ab einem Alter von 60 war es ganz besonders schwer. Oft erhielten sie keine Unterstützung vom Partner oder von der Familie. Heute haben wir auch jüngere Patienten, aber sie sind um 360 Grad betreut. Auch unsere Arbeit hat sich verändert, wir haben die Gelegenheit, an Weiterbildungen teilzunehmen und sind als Team zusammengewachsen mit unseren KollegInnen. Diese Arbeit war ein großes Glück für mich, sie hat mich auch persönlich wachsen lassen. Ich habe mich immer voll und ganz eingebracht, ohne mich aufzudrängen. Das Leben ist eine delikate Angelegenheit und wir müssen es genau so leben. Das (italienische) Wort „delicatezza“ ist mein Motto.
Agatha Pallhuber
Kommt mir komisch vor. Schon dreißig Jahre? Mich wundert es, dass ich geblieben bin. Mit 21 hab' ich diesen Job angetreten. Kaum Berufserfahrung. Ein Sprung ins kalte Wasser. Maximum ein Jahr, habe ich mir damals gesagt, dann gehe ich… und jetzt bin ich immer noch hier. Ich erinnere mich immer noch an meine erste Patientin. Irgendwann zog sie ihre Perücke aus während der Behandlung… das war ein Schock für mich. Wenigstens habe ich noch einen Monat Berufserfahrung in einer lymphologischen Klinik in Deutschland sammeln können, lernen wie man bandagiert. Damals musste das reichen. Heute, ja, heute machen wir jede Menge Fortbildungen. Ganz tolle. Ich war die ersten fünf Jahre in Toblach. Ganz allein. Am Anfang hat sich niemand in der SKH um die Physiotherapie gekümmert, ich war wirklich auf mich alleine gestellt. Dann, nach der ersten Schwangerschaft kam ich halbtags nach Bruneck. Da hatte ich dann Kontakt zu Kollegen. Vor allem zu Elisabeth (Schwingshackl). Heute möchte ich all das nicht mehr missen. Aber Krisen habe ich schon ab und zu gehabt, Momente, wo ich dachte, jetzt gehe ich. Aber dann ging es doch weiter. Und jetzt sind es schon dreißig Jahre. Heute ist die Arbeit wirklich einmalig. Wir haben regelmäßig Gelegenheit, an den tollsten Fortbildungen teilzunehmen, wir sind zu einem Team zusammengewachsen, alle PhysiotherapeutInnen in ganz Südtirol und wir können heute unseren Patienten besser helfen, die richtige Therapie für jeden finden. Heute heißt es nicht nur lymphen, lymphen, lymphen… Es gibt Kräuterextrakte, Tinkturen, andere Griffe. Und das Gespräch natürlich. Wieviel wir reden mit den Patienten! Das ist schon toll. Wir haben eine volle Stunde Zeit für jeden. Keinen Stress. Wir können die Zeit nutzen, zum Wohl des Patienten und in aller Ruhe. Und es ist unglaublich, was wir zurückbekommen. Jeden Tag.