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Mein Leben leben

Isabel Pasetto, 18 Jahre und voll Optimismus nach vorne schauen
Die Gitarre war ihr ein wichtiger Begleiter. Nächtelang hat Isabel Pasetto durchgespielt, selbst im Krankenhaus. Das warme Holz, der vertraute Druck der Saiten, die Vibrationen und die Musik auch das hat ihr Kraft gegeben, nach vorne zu schauen. Immer. Mit vierzehn Jahren ist Isabel an Knochenkrebs erkrankt.
Die Diagnose wie bei so vielen ein Blitz aus heiterem Himmel. „Ein Riß“ sagt Isabel, wenn sie an diesen Moment zurück denkt. 2014, vor fast fünf Jahren. Ständige Schmerzen im Bein, der Verdacht auf Meniskus und schließlich eine Magnetresonanz mit Kontrastmittel: Die Diagnose war nicht der vermutete Meniskusriss, sondern Krebs. Ein Ewing Sarkom. Es folgte der Weg, den so viele Krebskranke gehen. Mit vierzehn ist das aber schon noch einmal anders. Chemotherapie, eine Operation, bei der ihr Oberschenkel mit einer biologischen Prothese aus dem Wadenbein ersetzt wurde, 30 Bestrahlungen und weitere acht Chemotherapien.
Von heute auf morgen musste sie alles lassen. Schule, Freunde, Sport, alles, was man als Teenager so macht. Getragen wurde sie von ihrer Familie, von der Gitarre, von ihrer Musik. Von ihrer positiven Einstellung. Von ihrer inneren Ruhe.
Ein Jahr nach Ende der Bestrahlungstherapie beginnt alles wieder von vorne. Die Strahlen haben die Knochensubstanz angegriffen. Isabel hat Osteoporose. Das Knie bricht. 2018 erhält sie in Innsbruck eine Knochentransplantation. Aber ihr Körper stößt das fremde Gewebe ab. Mitte März 2019 muss sie wieder unters Messer. Dieses Mal soll mit Knochensubstanz aus ihrem Becken der Knochen stabilisiert werden. Isabel hofft, es ist das letzte Mal. Hofft auf ein Leben ohne Stock. Danach.
Tabu kennt sie nicht. Isabel ist offen, spricht alles an, kennt keine falsche Scham und im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung hat die Pustertalerin die Erfahrung gemacht, dass andere Leute das auch so sehen. „Ich bin sogar von Leuten angerufen und angesprochen worden, die ich gar nicht kenne.“ Ihr hat das Sprechen über die Krankheit, das Sprechen über die Angst geholfen. „Es ist wie die Musik ein Weg, um seine Gefühle herauszulassen, Ängste abzubauen, loszulassen.“ Gefühle. Ein ganz wichtiges Wort für sie. Gefühle und loslassen. Sich öffnen. Sie tut es in ihren Liedern. In Gesprächen. Mit ihren Freunden. Im Sommer 2017 hat sie eine Gruppe junger Menschen kennengelernt, die ihr seither fast zur (zweiten) Familie geworden sind. Durch dick und dünn gehen sie zusammen, Musik ist das Band, das sie zusammenhält. Auch ihr Freund Manfred gehört zu dieser Gruppe.
Wie empfindet sie ihre Krankheit? „Anstrengend“, sagt sie. Anstrengend ist ein Wort, in das Isabel vieles einpackt: Anstrengend, weil sie nicht leben kann, wie eine normale 18jährige. Weil sie nicht mehr Handball spielen oder tanzen gehen kann. Anstrengend, weil sie durch ihre Erkrankung gereift ist und viele Dinge anders wahrnimmt, als man das normalerweise mit 18 tut. Dinge wie Familie, wie Verantwortung, wie Zukunft. Anstrengend, weil sie jetzt die Schule abgebrochen hat und warten muss auf das nächste Schuljahr. Anstelle des Sprachengymnasiums wird sie im nächsten Jahr eine andere Schule besuchen. Noch ein Jahr fehlt ihr zur Matura.
Wenn sie nach vorne schaut, wovon träumt sie? „Ich möchte mein Leben leben. Reisen. Weiterkommen. Den Stock endlich an den Nagel hängen. Diese Geschichte endgültig abschließen.“
Aus ihrer Stimme spricht Lebensfreude. Isabel ist kein Kind von Traurigkeit. Sie beschreibt sich selbst als offen, sehr optimistisch, kontaktfreudig, spontan, neugierig auf neue Menschen und Begegnungen. Berührungsängste hat sie keine.
Bei den Brunecker Krebsgesprächen hat Isabel in den Pausen gespielt. Sie findet solche Veranstaltungen ungemein wichtig. „Man muss die Gesellschaft aufklären, reden, erklären, informieren. Damit es einem nicht so geht wie mir. Du weißt von nichts und stehst dann total unter Schock. Wenn ich weiß, habe ich weniger Angst!“ Heute weiß Isabel viel.

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Ich bin und ich werde

Pressekonferenz der SKH zum Weltkrebstag am 4. Februar 2019
Die wie immer gut besuchte Pressekonferenz, die von den Medienvertretern auch entsprechend verbreitet wurde, stand unter dem Thema: Ich bin und ich werde. Lässt sich eine Krebserkrankung vermeiden? Wie viele Menschen erkranken in Südtirol an einem Tumor? Und welche neuesten Erkenntnisse gibt es zu den Therapiemöglichkeiten? Das waren die Fragen an die Experten. „Als Südtiroler Krebshilfe ist es uns wichtig, die Bevölkerung kontinuierlich zu sensibilisieren“, eröffnete Ida Schacher, Präsidentin der Südtiroler Krebshilfe die Veranstaltung. „Es geht uns nicht nur darum, die Patienten in ihrem Kampf gegen den Krebs zu unterstützen, wir möchten durch gezielte Information darauf hinarbeiten, dass es erst gar nicht dazu kommt und zur Vorsorge und Früherkennung von Tumorerkrankungen beitragen.“
Dr. Christoph Leitner, leitender Facharzt der Abteilung Onkologie des Krankenhauses Bruneck, stellte den Europäischen Kodex gegen Krebs vor: Mit Hilfe dieser Empfehlungen zur Krebsbekämpfung will die Europäische Kommission über einfache Maßnahmen informieren, die das Risiko für Krebserkrankungen reduzieren können und gleichzeitig jeden Einzelnen zur Verantwortung für sich selbst auffordern. Die zwölf Empfehlungen des Kodexes sind von jedem umsetzbar: Der Verzicht aufs Rauchen, eine Reduzierung bzw. Verzicht auf Alkoholkonsums, das Vermeiden von zu viel Sonnenstrahlung, eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung oder die Teilnahme an den Krebsfrüherkennungs- und Screening-Programmen sind einige der Ratschläge. „Man geht davon aus, dass knapp die Hälfte der krebsbedingten Todesfälle in Europa vermieden werden könnten, wenn alle Ratschläge allgemein befolgt werden würden“, so Christoph Leitner.
Dr. Carlo Carnaghi, Primar der Medizinischen Onkologie am Krankenhaus Bozen, stellte die neuesten Erkenntnisse in der Krebsbehandlung stellte vor. „Man kann im Augenblick tatsächlich von einer Revolution in unserem Fachgebiet sprechen. Es gibt Fortschritte, die vor zwei Jahren noch undenkbar waren“, so Primar Carnaghi. Im Fokus der Forschung stehen vor allem molekularbiologischen Krebstherapien, mit denen gezielt nur Tumorzellen angegriffen werden, sowie eine neue Generation von Pharmaka. „Dabei wird sich auch die Definition von Krebs ändern: Wir werden nicht mehr von Brust-, Prostata- oder Lungenkrebs sprechen, sondern von bestimmten Molekularprofilen“, so Carnaghi. Er verwies zudem auf die Wichtigkeit der fachübergreifenden Zusammenarbeit und des gegenseitigen Austausches im Interesse der Patienten. „Jede Erkrankung ist einzigartig und jeder Patient ist einzigartig. Wir müssen gemeinsam die beste Lösung für sein ganz spezifisches Problem finden: Je enger wir zusammenarbeiten, umso besser gelingt uns dies. Die Onkologie in Südtirol ist dabei auf dem neuesten Stand.“
Dr. Guido Mazzoleni, Primar der Anatomischen Pathologie und Histologie am Krankenhaus Bozen ist Dauergast der Pressekonferenz, wie er zu Beginn scherzend feststellte. Über seinen Schreibtisch gehen alle histologischen Ergebnisse Südtirols. Wie jedes Jahr präsentierte er in seiner Eigenschaft als Direktor die neuesten spezifischen Daten zur Häufigkeit, Neuerkrankungen oder Mortalität, die im Südtiroler Tumorregister gesammelt und analysiert werden.
In Südtirol erkrankten im Bezugszeitraum 2009-2013 2.947 Personen, davon 1.623 Frauen und 1.324 Männer, an Krebs. Bei den Männern ist der Prostatakrebs mit 21,9% die häufigste Krebsart, gefolgt von Kolon-Rektum-Tumor (12,6%), Lungenkrebs (10,5%) und Blasenkrebs (9,7%). Frauen erkranken am häufigsten an Brustkrebs (28,8%), gefolgt von Kolon-Rektum-Krebs (12,2%), Lungenkrebs (6,6%) und bösartigen Melanomen (6,4%). Durchschnittlich versterben 1.189 Südtirolerinnen und Südtiroler aufgrund einer Tumorerkrankung (Bezugszeitraum 2012-2016). „Bei den Männern verringern sich die Krebsneuerkrankungen pro Jahr, bei den Frauen bleiben diese stabil“, so Primar Mazzoleni.
Die Inzidenz (Häufigkeit des Auftretens von Neuerkrankungen) für Melanome und Schilddrüsenkrebs steige bei den Männern, bei den Frauen jene für Lungen- und Schilddrüsenkrebs. Die Anzahl an Neuerkrankungen von Prostatakrebs nehme hingegen leicht ab, ebenso von Darm- und Magenkrebs bei beiden Geschlechtern. Bei den hämatologischen Tumoren bleibe die Inzidenz hingegen weitgehend stabil. Primar Mazzoleni unterstrich, dass ein gesunder Lebensstil und die Teilnahme an den Screening-Programmen wirkungsvolle Mittel sind, um Krebserkrankungen vorzubeugen bzw. diese frühzeitig zu erkennen. „Zirka vier von zehn Tumorerkrankungen könnten vermieden werden. In Südtirol werden drei Screening-Programme angeboten: 25,7% der eingeladenen Südtirolerinnen nahmen 2017 an den Früherkennungsprogrammen für den Gebärmutterhals-Krebs (Pap-Test und HPV-Test) teil, zur Mammografie gingen 58,7%. Diese Zahl rechnet allerdings jene Frauen nicht mit ein, die diese Untersuchungen privat vornehmen lassen. Das Screening gegen Dickdarmkrebs (für Frauen und Männer zwischen 50 und 69) nahmen 42,3% der Eingeladenen in Anspruch.