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Mit Bewegung wird alles besser

Fünf Jahre Bewegungstherapie Meran: Gesundheitsstraße, Vorträge und Lauf

Am 30. April feierte die Bewegungstherapie Meran ihr fünfjähriges Bestehen. Eine Feier mit vielen Emotionen und mit vielen Informationen rund um das Thema Bewegung und Krebs. Bevor es losging waren alle Besucher zu einem unkomplizierten und schnellen Check-Up in der Gesundheitsstraße eingeladen.

Viele Menschen sind gekommen, um die Bewegungstherapie zu feiern.Viele Menschen sind gekommen, um die Bewegungstherapie zu feiern.

Vor fünf Jahren begann dieses Abenteuer. Valentina Vecellio, Ex-Athletin, aber auch Ex-Brustkrebspatientin hat zusammen mit dem Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Meran, Herbert Heidegger, die Bewegungstherapie entwickelt. Valentina ging dabei von sich selbst aus. Während ihrer Erkrankung hat Bewegung ihr dabei geholfen, die Therapie besser zu überstehen und schneller wieder zu Kräften zu kommen. Ihre eigenen positiven Erfahrungen wollte sie weitergeben. Dr. Heidegger gab ihr die Möglichkeit dazu.
Heute ist die Bewegungstherapie ein fester Bestandteil des Angebots der Gynäkologie Meran. Ein Buch ist daraus entstanden und Valentina Vecellio hat nicht zuletzt auch aufgrund ihrer positiven, mitreißenden Ausstrahlung dazu beitragen können, vielen Frauen wieder zu neuem Körperbewusstsein und Selbstwertgefühl zu verhelfen.
Sechzig bis siebzig Personen hatten die Gelegenheit für ein Kurz-Check-Up in der Gesundheitsstraße genutzt. Gewicht, Größe und Alter mussten angegeben werden, Sportarzt Dr. Pierpaolo Bertoli und drei Krankenpflegerinnen maßen den Sauerstoff im Blut sowie den Blutdruck, den Umfang von Taille, Bauch und Hüften. Fast alle Teilnehmerinnen und die drei Männer, die sich beteiligt haben, hatten Werte im grünen Bereich! Ein gutes Zeichen. Auch über verantwortungsvollen Umgang mit Sonne wurde im Rahmen der Gesundheitsstraße informiert, jeder Teilnehmer erhielt ein kleines Probepäckchen mit Sonnencremes.
Ja und dann ging es wirklich los. Merans Sportassessorin Gabi Strohmer übermittelte die Grüße der Stadt und würdigte die Arbeit der Breast-Unit am Krankenhaus Meran, der Bewegungstherapie, sowie den unterstützenden Partnern Südtiroler Krebshilfe und mamazone. SKH-Landesvorsitzende Ida Schacher und eine Vertreterin von mamazone wurden mit einer Medaille der Stadt ausgezeichnet.
Alex Schwazer, der nach seiner Doping-sperre wieder mit Wettläufen begonnen hat und derzeit für Olympia trainiert, grüßte die Gäste der Geburtstagsfeier über ein Video, bevor Valentina Vecellio die Etappen der Bewegungstherapie Revue passieren ließ.
Das Konzept ist einfach. (Mindestens) Einmal pro Woche zwei Stunden. Im Mittelpunkt stehen Aerobic und Koordination, aber auch Ausdauer und Kraft werden trainiert, Stretching schließt die Übungen ab. Zehn Monate im Jahr dauert ein Zyklus, die ersten drei Monate in der Turnhalle, dann auch im Schwimmbad. Pro Jahr beteiligen sich ca. 50 Patientinnen. „Bewegung hilft uns gegen Fatigue, Depression und Angst“, betonte Valentina Vecellio. „Wer mit der Therapie beginnt, tut sich die ersten zwei Male schwer, schon in der dritten Woche kehrt die Kraft zurück.“ Nicht zuletzt helfe die Bewegungstherapie auch bei der Bewältigung des Alltags. „Alles wird leichter!“ Zu Beginn jedes Zyklus legen die Teilnehmerinnen einen Test ab, am Ende ebenfalls. Die Fortschritte sind dokumentierbar!

Auf die Plätze fertig losAuf die Plätze fertig los

„Schon Hippokrates sagte, jedes Individuum braucht sein richtiges Maß an Ernährung und Bewegung.“ Dr. Herbert Heidegger ließ in seinem Grußwort keinen Zweifel an der Bedeutung der Bewegungstherapie: „Sport ist ebenso wichtig wie ein Krebsmedikament!“ Die Sporttherapie müsse zum Standard werden. Es sei erwiesen, dass regelmäßige körperliche Betätigung nicht nur das Risiko an Krebs zu erkranken senke, sondern im Fall einer Erkrankung auch vor Rückfällen schütze. „Bis Ende der 70er Jahre hieß es, Krebskranke dürfen sich nicht bewegen, heute wird den Patienten nahegelegt, sich von Anfang an zu bewegen, bzw. damit nicht aufzuhören!“
Zwei Expertinnen beleuchteten anschließend das Thema Bewegungstherapie von unterschiedlichen Seiten. Alessandra Boscheri, Sportmedizinerin am Klinikum rechts der Isar in München und Prof. Friederike Scharhag Rosenberger, Stellvertretende Leiterin Onkologische Sport- und Bewegungstherapie an der Abteilung Medizinische Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Universitätsklinikum Heidelberg.
Dr. Alessandra Boscheri begann ihren Vortrag mit einer Provokation: „Es hat Millionen von Jahren gebraucht, um Affen in zivilisierte Menschen zu verwandeln und nur 40 Jahre für die Evolution vom gesunden zum fettleibigen Menschen!“ Tatsächlich sind Übergewicht und mangelnde Bewegung eine der Hauptursachen von Krebserkrankungen. Körperfett produziert Hormone und diese können die Entstehung von Krebs fördern. Wer sich mindestens vier Stunden pro Woche sportlich betätigt, reduziert zu 37% das persönliche Risiko an Brustkrebs zu erkranken! Aber nicht nur. Sportliche Aktivität verhindert auch Rückfälle. Eine Gewichtszunahme von sechs bis zehn Kilogramm erhöhe die Sterblichkeit, eine gesunde Gewichtsabnahme verlängere das Leben um ein wesentliches! „Sport ersetzt nicht die traditionelle Therapie, betonte Alessandra Boscheri. „Aber zusammen mit der onko-psychologischen und ernährungsmedizinischen Beratung ist Bewegung ein wichtiger Beitrag zum Heilungsprozess.“ In Meran, so Boscheri, fänden die Patienten ideale Verhältnisse vor. „Alles ist hier in einem Haus vereint!“
Von größter Bedeutung sei, dass die Patienten die Krebstherapie nicht passiv erleiden, sondern sich aktiv daran beteiligen. Ziele der Sporttherapie sind die Verbesserung der Lebensqualität, das Verhindern von Depression und Fatigue-Syndromen sowie eine Reduzierung der Nebenwirkungen der Chemo-bzw. Strahlentherapie. „Die Patienten müssen aus dem Teufelskreis Therapie - reduzierte Aktivität - weniger Fitness - noch müder - noch reduziertere Aktivität herausgeholt werden. Das Training sollte sofort nach der Diagnose aufgenommen werden.“ In der Sportmedizin erhalten Tumorpatienten ein individuelles Trainingsprogramm. „Achtzig Prozent des Trainings muss im aeroben Bereich stattfinden, damit Fett verbrannt wird.“ In Bayern gibt es 70 Krebssportgruppen.

Herbert HeideggerHerbert Heidegger

Prof. Friederike Scharhag Rosenberger stellte die 2010 herausgegebenen Leitlinien der amerikanischen sport oncology Gesellschaft vor. „Sport ist integrativer Teil der Krebstherapie, Ausdauer reduziert die Symptome der Nebenwirkungen erheblich, hilft gegen Osteoporose und beugt dem Lymphödem vor.“ Allerdings warnte sie vor Do-it-yourself im Fitness-Studio. „Das Training muss mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, je aktiver der Patient ist, desto besser wird er die Therapie vertragen.“ Jede Bewegung sei besser als keine und es sei auch nie zu spät, damit anzufangen. Ideal sei zusammen mit Freunden, der Familie oder dem Partner zu trainieren. Oder eben in einer Krebssportgruppe. Die Trainingseinheiten sollten nicht zu erschöpfend sein, aber „es darf anstrengen.“ Die Sportwissenschaftlerin empfahl ein Training nach dem Ampelsystem: „Richten sie sich nach ihrer Tagesform, aber gehen sie auf jeden Fall hin, auch wenn sie sich nicht gut fühlen. Nach dem Training geht es sicher besser!“
An Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg können die Patienten unter unterschiedlichen Sportgruppen wählen. „Zu 65 – 70% sind es Frauen, die dieses Angebot wahrnehmen“, betonte Friederike Scharhag Rosenberger. Es gibt Reha-Sportgruppen, Rudern auf dem Neckar, Osteoporose-Gruppen, Entspannungstreffen (Yoga) und Beckenbodengymnastik.
Zwischen den beiden Vorträgen lockerte ein „Intermezzo Scherzoso“ die Stimmung im Saal auf. Einige Frauen der Bewegungstherapie hatten mit Valentina Vecellio unter Leitung von Sabine Raffeiner zwei Choreographien vorbereitet. Ein besonderer Dank erging an Dr. Herbert Heidegger und sein Team für ihre große Professionalität und Menschlichkeit. Eine sichtlich gerührte Valentina Vecellio bekam von den Frauen einen Lebensbaum überreicht mit den Geschichten „ihrer Mädels“, wie sie sie liebevoll zu nennen pflegt. Mit dem Macky Messer Song von Berthold Brecht, vorgetragen von Ute, klang der offizielle Teil der Veranstaltung aus.
Nach einem selbstverständlich gesunden kleinen Imbiss ging es dann zum Abschluss der Feierlichkeiten nach unten auf den Platz vor dem Krankenhaus: Ein dreieinhalb Kilometer Lauf beschloss die Veranstaltung. Ca. achtzig Läufer beteiligten sich, die ersten am Start und im Ziel waren Valentina Vecellio in Begleitung von Merans Bürgermeister Paul Rösch.

Aktuell

Den Körper lesen

Dieser Artikel ist der Auftakt zu einer neuen
Rubrik. Ab der nächsten Ausgabe werden wir
im Gespräch mit den Physiotherapeuten
der Krebshilfe die verschiedenen Aspekte
der Lymphdrainage beleuchten.
nd
Einwöchige Fortbildungsveranstaltung für die Therapeuten der SKH

Fotos: Othmar SeehauserFotos: Othmar Seehauser

Eine Krebstherapie betrifft nie nur ein Organ, sondern ist ein Stress für den gesamten Körper. Organe, Muskeln, Wirbelsäule, der Verdauungsapparat, das Lymphsystem werden in Mitleidenschaft gezogen. Die Südtiroler Krebshilfe bietet ihren betroffenen Mitgliedern seit Jahren in allen Bezirken und Sektionen kostenlose Lymphdrainage an. Die Therapeuten nehmen regelmäßig an Weiterbildungsveranstaltungen teil.
Iris und Michael Wolf arbeiten seit den 90er Jahren in den USA als Physiotherapeuten, zweimal im Jahr kommen sie nach Europa, um Kurse abzuhalten. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und seit 2015 zum ersten Mal auch in Italien. In den USA ist die Osteopathie seit jeher eine sehr wichtige manuelle Behandlungstherapie, schon lange bevor auch in Europa die Bedeutung dieser Anwendungen erkannt wurde. Bereits im November 2015 waren alle Physio-Therapeuten der Krebshilfe zu einem einwöchigen Seminar eingeladen, im Mai stand der zweite Teil des Kurses in Craniosakral-Technik an. Eine spezifische manuelle Therapie, die die Lymphdrainage unterstützt.
Die Kurse sind auf Theorie und Praxis aufgebaut. Zunächst wird erklärt, wie das System funktioniert, dann werden Handgriffe am Modell gezeigt, anschließend an einem Freiwilligen vorgeführt, dann sind die Kursteilnehmer aufgefordert, sich selbst gegenseitig zu behandeln unter Aufsicht der beiden Kursleiter.
Nach Chemotherapie und Bestrahlung ziehen die Organe sich in sich zurück, das umliegende Bindegewebe verhärtet sich. Mithilfe der Faszien-Technik erklärt Iris Wolf, kann Kontakt mit dem Gewebe aufgenommen werden. Aus diesen Verhärtungen resultierende Beschwerden wie Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen können behoben werden. Es liegt an der Sensibilität des Physiotherapeuten solche Stellen, Unterschiede zwischen rechts und links, auszumachen.
Freitag, 12.45 Uhr. Der Behandlungsraum der Krebshilfe in Bozen. Die Liege steht in der Mitte, dahinter Iris Wolf, in der Hand ein Rückenskelett-Modell. Auf der anderen Seite des Raumes sitzen alle Therapeuten der Krebshilfe. Edith legt sich auf die Liege. Iris Wolf tastet den Körper ab. Zunächst in der Oberfläche, dann greift sie tiefer. „Ich beginne an den Orientierungspunkten Knöcheln, Knie, Oberschenkel, Hüften. Greife, wo ich Informationen haben möchte“, erklärt sie der Runde. Körper-Lesen nennt sie diesen Ansatz.
Die neun Physiotherapeutinnen und ihr männlicher Kollege, folgen gebannt ihren Ausführungen. Ihre Hände gleiten weiter über den Körper. Verhalten am Brustkorb, wandern zur Halswirbelsäule und zum Schädel und kehren schließlich zum Brustkorb zurück, wo Iris Wolfs Hände einen Unterschied zwischen rechter und linker Seite ausgemacht haben.

Die Physiotherapeuten der SKH mit den beiden Kursleitern, Iris und Michael WolfDie Physiotherapeuten der SKH mit den beiden Kursleitern, Iris und Michael Wolf

Diese Technik, erklärt Iris Wolf, unterstütze grundsätzlich die Lymphdrainage, weil der Körper dadurch zusätzlich animiert werde, die Lymphe abzubauen. Die Cranioscral-Technik setzt am Duralsack an. Damit wird der Schlauch aus harter Hirnhaut (Dura mater) bezeichnet, der das Rückenmark und die abgehenden Nervenwurzeln umgibt und diese gegen mechanische Schäden schützt. Ist dieser verhärtet, sind die empfindlichen Nerven Druck ausgesetzt.
Die Physiotherapeutinnen und ihr Kollege sind nach dieser Woche erfüllt von neuen Anstößen zu ihrer Arbeit. Neben der so wichtigen Lymphdrainage haben sie Anwendungen erlernt, die ihre Therapien noch intensiver wirken lassen. Agatha Pallhuber aus Bruneck: „Wir haben ganz viele ganzheitliche Therapiemöglichkeiten kennengelernt in dieser Woche. Jetzt müssen wir es nur noch anwenden!“ Ingeborg Nollet, die das Ambulatorium in Schlanders führt, pflichtet ihr bei. „Eine ganz intensive Woche. Jetzt muss sich das alles setzen und dann können wir diese Anregungen in unsere Arbeit integrieren.“ Edith Huber aus Brixen hat vor allem von den konkreten Anwendungen während des Kurses profitiert. „Es ist eine Sache etwas theoretisch mitzubekommen oder es am eigenen Körper zu spüren.“ Auch Elisabeth Schwingshackl aus Bruneck und ihre Kollegin Renate Trafojer aus Bruneck können es kaum abwarten, die neuerworbenen Kenntnisse in der Praxis umzusetzen.
Lorenzo Malto ist der einzige Mann in der Runde. Er betreut die Patienten des Unterlands und von Überetsch. Er hat neben den Kursinhalten auch die Möglichkeit geschätzt, eine Woche zusammen mit den Kolleginnen im Austausch zu verbringen. „Wer immer alleine arbeitet, für den ist auch das anregend für die Arbeit.“ Sehr geschätzt hat auch er die praktischen Übungen. „Abgesehen davon, dass es uns gutgetan hat, auch selbst ein wenig behandelt werden, kann man dadurch viel über die Wirksamkeit der Griffe lernen und besser einschätzen, wie sehr man in die Tiefe gehen kann.“