Aktuell

Auch das ist Onkologie

„Terrae“ gestaltet Kunst-Garten - Ein humaner Ort der Begegnung

Fotos: Othmar SeehauserFotos: Othmar Seehauser

Das Krankenhaus und insbesondere die Abteilung für Onkologie sind Orte, die mit Leid verbunden werden. Der Mensch fühlt sich ausgeliefert. Angst, kalte Technologie, ein als inhuman erlebtes Ambiente. Gleichzeitig aber ist es doch auch ein Ort der menschlichen Begegnung, der Heilung, der Fürsorge. Das Künstlerkollektiv „Terrae“ hat den Dachgarten des Krankenhauses in diesem Sinne gestaltet.

Claudio GraiffClaudio Graiff

Wer auf seine onkologische Visite oder die Chemotherapie warten muss, kann ab sofort wählen zwischen dem Vorraum der Abteilung oder dem Kunst-Garten auf dem Dach der Onkologie. Ein Display zeigt auch hier die Nummern der Warteschlange an.
Der Anfang Juni eröffnete Kunstgarten ist Teil desselben Konzepts, dem die 2007 von Primar Claudio Graiff und seinem Kollegen aus Carrara, Maurizio Cantore, gegründete Initiative „Donatori di Musica“ ihr Leben verdankt. „Es geht auch hierbei um eine Humanisierung des Ortes Krankenhaus aber auch der Zeit, die der Patient dort verbringt, erklärt Dr. Graiff.“ Er hat das Projekt ConDec genannt „Kontamination und Dekontamination“.
Der überdachte Bereich wurde von den Mitarbeitern der Onkologie mit Dingen, die sie von Zuhause mitgebracht haben, gemütlich eingerichtet. Das auf Land-art spezialisierte Künstlerkollektiv „Terrae“ aus dem Nonstal hat der Onkologie die künstlerische Gestaltung des Dachgartens geschenkt. Der Kontakt kam über die Alexander Langer Stiftung zustande.
Alberto Larcher, Giuseppe Dondi, Roberto Rossi und Fabio Seppi sind die vier Künstler von „Terrae“. Unterstützt wurden sie von den beiden jungen Südtiroler Künstlerinnen, Sabine Bortolotti und Annalisa Covi. Gemeinsam und doch jeder auf seine ganz eigene Weise haben sie einen Kunstraum geschaffen, der sich ganz an der Natur inspiriert.
Der Idee zugrunde liegt die Überzeugung, dass auch die Seele Nahrung braucht, gerade in diesen schweren Momenten.
Die Abteilung für Onkologie verwandelt sich schon seit mehreren Jahren einmal im Monat in einen Konzertsaal, im Rahmen des Projekts „Donatori di Musica“; auch zur Eröffnung des Kunstgartens durfte ein Konzert nicht fehlen: Das Monteverdi Wind Chamber Ensemble, Alba Sanches Sanglada, Vanessa Carlone (Oboen), Sophie Pardatscher, Luca Bernard (Klarinette), Lukas Innerebner, Pia Kemenater (Horn), Matthias Delazer, Elisa Horrer (Fagott) spielten unter der Leitung von Fabio Neri Mozart und Beethoven. Mit dem Kunstgarten wird das Krankenhaus um einen kreativen Ort der Begegnung, des Austauschs und des Miteinanders, bereichert, der sich der Kraft der Natur-Elemente Erde, Wasser, Blätter, Äste, Steine, Holz bedient. (Anti)Käfige, die die Krankheit symbolisieren oder Stühle werden von Pflanzen in einen Ort fruchtbaren Wachstums und in Hoffnungsträger verwandelt. Himmel und Erde werden in Verbindung gesetzt, ein Lebensbaum verbindet Kunst, Musik und Natur zu einem heilsamen Ganzen. Ein Katalog klärt die Besucher über die Symbolik dieses Humanisierungsprojekts und der fünf Installationen auf.


Der Kunstgarten steht allen Besuchern, Patienten und Mitarbeitern des Krankenhauses offen. Das Künstlerkollektiv „Terrae“ mit den beiden Südtiroler Künstlerinnen. V. l.: Sabine Bortolotti, Annalisa Covi, Alberto Larcher, Giuseppe Dondi, Alberto Rossi und Fabio Seppi.Das Künstlerkollektiv „Terrae“ mit den beiden Südtiroler Künstlerinnen. V. l.: Sabine Bortolotti, Annalisa Covi, Alberto Larcher, Giuseppe Dondi, Alberto Rossi und Fabio Seppi.


Aktuell

Mit Bewegung wird alles besser

Fünf Jahre Bewegungstherapie Meran: Gesundheitsstraße, Vorträge und Lauf

Am 30. April feierte die Bewegungstherapie Meran ihr fünfjähriges Bestehen. Eine Feier mit vielen Emotionen und mit vielen Informationen rund um das Thema Bewegung und Krebs. Bevor es losging waren alle Besucher zu einem unkomplizierten und schnellen Check-Up in der Gesundheitsstraße eingeladen.

Viele Menschen sind gekommen, um die Bewegungstherapie zu feiern.Viele Menschen sind gekommen, um die Bewegungstherapie zu feiern.

Vor fünf Jahren begann dieses Abenteuer. Valentina Vecellio, Ex-Athletin, aber auch Ex-Brustkrebspatientin hat zusammen mit dem Primar der Gynäkologie am Krankenhaus Meran, Herbert Heidegger, die Bewegungstherapie entwickelt. Valentina ging dabei von sich selbst aus. Während ihrer Erkrankung hat Bewegung ihr dabei geholfen, die Therapie besser zu überstehen und schneller wieder zu Kräften zu kommen. Ihre eigenen positiven Erfahrungen wollte sie weitergeben. Dr. Heidegger gab ihr die Möglichkeit dazu.
Heute ist die Bewegungstherapie ein fester Bestandteil des Angebots der Gynäkologie Meran. Ein Buch ist daraus entstanden und Valentina Vecellio hat nicht zuletzt auch aufgrund ihrer positiven, mitreißenden Ausstrahlung dazu beitragen können, vielen Frauen wieder zu neuem Körperbewusstsein und Selbstwertgefühl zu verhelfen.
Sechzig bis siebzig Personen hatten die Gelegenheit für ein Kurz-Check-Up in der Gesundheitsstraße genutzt. Gewicht, Größe und Alter mussten angegeben werden, Sportarzt Dr. Pierpaolo Bertoli und drei Krankenpflegerinnen maßen den Sauerstoff im Blut sowie den Blutdruck, den Umfang von Taille, Bauch und Hüften. Fast alle Teilnehmerinnen und die drei Männer, die sich beteiligt haben, hatten Werte im grünen Bereich! Ein gutes Zeichen. Auch über verantwortungsvollen Umgang mit Sonne wurde im Rahmen der Gesundheitsstraße informiert, jeder Teilnehmer erhielt ein kleines Probepäckchen mit Sonnencremes.
Ja und dann ging es wirklich los. Merans Sportassessorin Gabi Strohmer übermittelte die Grüße der Stadt und würdigte die Arbeit der Breast-Unit am Krankenhaus Meran, der Bewegungstherapie, sowie den unterstützenden Partnern Südtiroler Krebshilfe und mamazone. SKH-Landesvorsitzende Ida Schacher und eine Vertreterin von mamazone wurden mit einer Medaille der Stadt ausgezeichnet.
Alex Schwazer, der nach seiner Doping-sperre wieder mit Wettläufen begonnen hat und derzeit für Olympia trainiert, grüßte die Gäste der Geburtstagsfeier über ein Video, bevor Valentina Vecellio die Etappen der Bewegungstherapie Revue passieren ließ.
Das Konzept ist einfach. (Mindestens) Einmal pro Woche zwei Stunden. Im Mittelpunkt stehen Aerobic und Koordination, aber auch Ausdauer und Kraft werden trainiert, Stretching schließt die Übungen ab. Zehn Monate im Jahr dauert ein Zyklus, die ersten drei Monate in der Turnhalle, dann auch im Schwimmbad. Pro Jahr beteiligen sich ca. 50 Patientinnen. „Bewegung hilft uns gegen Fatigue, Depression und Angst“, betonte Valentina Vecellio. „Wer mit der Therapie beginnt, tut sich die ersten zwei Male schwer, schon in der dritten Woche kehrt die Kraft zurück.“ Nicht zuletzt helfe die Bewegungstherapie auch bei der Bewältigung des Alltags. „Alles wird leichter!“ Zu Beginn jedes Zyklus legen die Teilnehmerinnen einen Test ab, am Ende ebenfalls. Die Fortschritte sind dokumentierbar!

Auf die Plätze fertig losAuf die Plätze fertig los

„Schon Hippokrates sagte, jedes Individuum braucht sein richtiges Maß an Ernährung und Bewegung.“ Dr. Herbert Heidegger ließ in seinem Grußwort keinen Zweifel an der Bedeutung der Bewegungstherapie: „Sport ist ebenso wichtig wie ein Krebsmedikament!“ Die Sporttherapie müsse zum Standard werden. Es sei erwiesen, dass regelmäßige körperliche Betätigung nicht nur das Risiko an Krebs zu erkranken senke, sondern im Fall einer Erkrankung auch vor Rückfällen schütze. „Bis Ende der 70er Jahre hieß es, Krebskranke dürfen sich nicht bewegen, heute wird den Patienten nahegelegt, sich von Anfang an zu bewegen, bzw. damit nicht aufzuhören!“
Zwei Expertinnen beleuchteten anschließend das Thema Bewegungstherapie von unterschiedlichen Seiten. Alessandra Boscheri, Sportmedizinerin am Klinikum rechts der Isar in München und Prof. Friederike Scharhag Rosenberger, Stellvertretende Leiterin Onkologische Sport- und Bewegungstherapie an der Abteilung Medizinische Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Universitätsklinikum Heidelberg.
Dr. Alessandra Boscheri begann ihren Vortrag mit einer Provokation: „Es hat Millionen von Jahren gebraucht, um Affen in zivilisierte Menschen zu verwandeln und nur 40 Jahre für die Evolution vom gesunden zum fettleibigen Menschen!“ Tatsächlich sind Übergewicht und mangelnde Bewegung eine der Hauptursachen von Krebserkrankungen. Körperfett produziert Hormone und diese können die Entstehung von Krebs fördern. Wer sich mindestens vier Stunden pro Woche sportlich betätigt, reduziert zu 37% das persönliche Risiko an Brustkrebs zu erkranken! Aber nicht nur. Sportliche Aktivität verhindert auch Rückfälle. Eine Gewichtszunahme von sechs bis zehn Kilogramm erhöhe die Sterblichkeit, eine gesunde Gewichtsabnahme verlängere das Leben um ein wesentliches! „Sport ersetzt nicht die traditionelle Therapie, betonte Alessandra Boscheri. „Aber zusammen mit der onko-psychologischen und ernährungsmedizinischen Beratung ist Bewegung ein wichtiger Beitrag zum Heilungsprozess.“ In Meran, so Boscheri, fänden die Patienten ideale Verhältnisse vor. „Alles ist hier in einem Haus vereint!“
Von größter Bedeutung sei, dass die Patienten die Krebstherapie nicht passiv erleiden, sondern sich aktiv daran beteiligen. Ziele der Sporttherapie sind die Verbesserung der Lebensqualität, das Verhindern von Depression und Fatigue-Syndromen sowie eine Reduzierung der Nebenwirkungen der Chemo-bzw. Strahlentherapie. „Die Patienten müssen aus dem Teufelskreis Therapie - reduzierte Aktivität - weniger Fitness - noch müder - noch reduziertere Aktivität herausgeholt werden. Das Training sollte sofort nach der Diagnose aufgenommen werden.“ In der Sportmedizin erhalten Tumorpatienten ein individuelles Trainingsprogramm. „Achtzig Prozent des Trainings muss im aeroben Bereich stattfinden, damit Fett verbrannt wird.“ In Bayern gibt es 70 Krebssportgruppen.

Herbert HeideggerHerbert Heidegger

Prof. Friederike Scharhag Rosenberger stellte die 2010 herausgegebenen Leitlinien der amerikanischen sport oncology Gesellschaft vor. „Sport ist integrativer Teil der Krebstherapie, Ausdauer reduziert die Symptome der Nebenwirkungen erheblich, hilft gegen Osteoporose und beugt dem Lymphödem vor.“ Allerdings warnte sie vor Do-it-yourself im Fitness-Studio. „Das Training muss mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden, je aktiver der Patient ist, desto besser wird er die Therapie vertragen.“ Jede Bewegung sei besser als keine und es sei auch nie zu spät, damit anzufangen. Ideal sei zusammen mit Freunden, der Familie oder dem Partner zu trainieren. Oder eben in einer Krebssportgruppe. Die Trainingseinheiten sollten nicht zu erschöpfend sein, aber „es darf anstrengen.“ Die Sportwissenschaftlerin empfahl ein Training nach dem Ampelsystem: „Richten sie sich nach ihrer Tagesform, aber gehen sie auf jeden Fall hin, auch wenn sie sich nicht gut fühlen. Nach dem Training geht es sicher besser!“
An Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg können die Patienten unter unterschiedlichen Sportgruppen wählen. „Zu 65 – 70% sind es Frauen, die dieses Angebot wahrnehmen“, betonte Friederike Scharhag Rosenberger. Es gibt Reha-Sportgruppen, Rudern auf dem Neckar, Osteoporose-Gruppen, Entspannungstreffen (Yoga) und Beckenbodengymnastik.
Zwischen den beiden Vorträgen lockerte ein „Intermezzo Scherzoso“ die Stimmung im Saal auf. Einige Frauen der Bewegungstherapie hatten mit Valentina Vecellio unter Leitung von Sabine Raffeiner zwei Choreographien vorbereitet. Ein besonderer Dank erging an Dr. Herbert Heidegger und sein Team für ihre große Professionalität und Menschlichkeit. Eine sichtlich gerührte Valentina Vecellio bekam von den Frauen einen Lebensbaum überreicht mit den Geschichten „ihrer Mädels“, wie sie sie liebevoll zu nennen pflegt. Mit dem Macky Messer Song von Berthold Brecht, vorgetragen von Ute, klang der offizielle Teil der Veranstaltung aus.
Nach einem selbstverständlich gesunden kleinen Imbiss ging es dann zum Abschluss der Feierlichkeiten nach unten auf den Platz vor dem Krankenhaus: Ein dreieinhalb Kilometer Lauf beschloss die Veranstaltung. Ca. achtzig Läufer beteiligten sich, die ersten am Start und im Ziel waren Valentina Vecellio in Begleitung von Merans Bürgermeister Paul Rösch.