Aktuell

Prävention ein Flop?

Nicht in Südtirol – Aber immer noch zu wenig
Einwohner beteiligen sich

Fotos: Othmar SeehauserFotos: Othmar Seehauser

Tumor-Prävention ein Flop titelte die Tageszeitung Repubblica Ende Mai. Ein Vergleich der Regionen Italiens ergab eine große Diskrepanz im Angebot dieser Untersuchungen, aber auch in der Antwort der Bevölkerung. Immer noch zu viele – und das gilt auch für Südtirol - nehmen die Einladung zu den Untersuchungen nicht wahr.
Gegenstand der Untersuchung waren die Aufforderung und Beteiligung an den Screenings im Jahr 2014: Mammographie, Paptest und die Untersuchung auf Blut im Stuhl zur Früherkennung von Dickdarmkrebs. Italienweit werden 74% der Frauen zur Brustkrebsvorsorge eingeladen, 72% zum Paptest. 67% der Bevölkerung über 50 Jahre erhält hingegen die Einladung zum Dickdarm-Krebs-Vorsorgetest. 57% der Frauen nehmen laut Statistik die Brustkrebsvorsorge wahr, 41% lassen einen Paptest vornehmen. Bei der Dickdarmkrebs-Vorsorge sind es 41% der Bevölkerung im entsprechenden Alter, die den einfachen, zuhause vorzunehmenden Test auf verstecktes Blut im Stuhl vornehmen.
Was bei der Statistik auffällt und kaum überrascht, ist ein starkes Nord-Süd-Gefälle. Aber nicht nur. Einige Regionen im Süden Italiens, wie Z. B. das Molise oder Apulien liegen zumindest was die Zahl der Mammographien betrifft bei 51%. In Ligurien und auf Sardinien sind es 49% bzw. 38%. Verallgemeinern kann man also nicht!
Kampanien, Kalabrien und Sizilien sind die Schlusslichter. Hier präsentieren sich (der Reihe nach) 27%, 38% und 33% zur Mammographie. 33%, 17% bzw 18% der Frauen machen einen Paptest und 28%, 17% bzw. 22% beteiligen sich am Dickdarm-Krebs-Screening. Allerdings wird dort auch nicht die gesamte Bevölkerung eingeladen. In Kalabrien z. B. erhalten nur 8% der Frauen eine Einladung vom öffentlichen Sanitätsdient zur Mammographie, zum Paptest werden gar nur 6% der Frauen eingeladen. Das heißt, jede muss sich selbst um ihre Vorsorge kümmern. Die Basilikata hingegen steht überraschenderweise gut da: Zu Mammographie und Paptest werden hundert % der in Frage kommenden Frauen eingeladen, zum Dickdarm-Krebs-Screening immerhin 80%. Die Teilnahme ist dort auch entsprechend höher: 59% der Frauen machen eine Mammographie, 43% einen Paptest und 61% der Bevölkerung nimmt am Dickdarm-Krebs-Screening teil.
Im Norden und in Mittelitalien sieht es anders aus: In vier Regionen bzw. Provinzen erreicht der öffentliche Aufruf hundert Prozent der in Frage kommenden Personen. Friaul, Emilia Romagna, Aostatal und Südtirol. Im Friaul liegt die Beteiligung zwischen 56 und 62%, in der Emilia Romagna sind es 71% der Frauen, die sich der Brustkrebsvorsorge unterziehen, aber nur 50% lassen einen Paptest vornehmen, 56% machen den Stuhltest. Im Aostatal sind es 71% bzw 64% der Frauen (Brust und Paptest) bzw. 72% der Bevölkerung über 50 Jahre (Stuhltest). Südtirol ist Schlusslicht: 50% der Frauen gehen zur Brutskrebs-Vorsorge, 39% lassen einen Paptest vornehmen und 28% nehmen die Dickdarm-Krebs-Vorsorgeuntersuchung wahr. In der Nachbarprovinz Trient werden je 100% der Frauen zur Brustvorsorge und zum Paptest eingeladen; 73% bzw. 58% der Frauen folgen dieser Einladung. Die Aufforderung zur Dickdarm-Krebs-Vorsorge erreicht 84%, 42% der Bevölkerung nimmt diese wahr.
Wenn man bedenkt, wie wenig invasiv diese Untersuchungen sind, dass sie kostenlos angeboten werden und zumindest ein Großteil der Bevölkerung daran erinnert wird, zur Vorsorge zu gehen, dann sind diese Zahlen ernüchternd. Mit Sicherheit müsste noch mehr in die Information investiert werden, damit Vorsorge so selbstverständlich wird wie der jährliche Zahnarztbesuch oder der halbjährliche Reifenwechsel!

Man kann nichts falsch machen, jeder Schritt ist beschrieben.Man kann nichts falsch machen, jeder Schritt ist beschrieben.

Was überrascht hat bei dieser Statistik, ist das relativ schlechte Abschneiden Südtirols. Der öffentliche Sanitätsbetrieb lädt 100% der in Frage kommenden Personen zu den regelmäßigen Screenings ein. Die Untersuchungen können in allen Krankenhäusern vorgenommen werden, das Kit für den Dickdarm-Krebs-Test gibt es kostenlos in jeder Apotheke. Die Beteiligung ist laut Statistik ernüchternd: 50% der Frauen gehen zur Mammographie, 39% lassen sich einen Paptest machen und 28% nehmen gar nur am Dickdarm-Krebs-Screening teil. Kann das sein? Oder stimmt das Sprichwort, trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast!
Ein Grund, zum Telefonhörer zu greifen und mit dem Primar des Dienstes für Anatomie und Histologie am Krankenhaus Bozen, Guido Mazzoleni, zu sprechen. In der Tat rückt Mazzoleni die Zahlen zurecht. „Die Einladung zum Paptest wird bei uns von fast 80% der eingeladenen Frauen wahrgenommen, tatsächlich ist der Gebärmutterhalskrebs auch sehr zurückgegangen, es sind landesweit etwa zwanzig Fälle im Jahr.“ Anders sieht es bei Brustkrebs aus. Offiziell folgen nur etwa 54% der Frauen der Einladung des Sanitätsbetriebs zur Mammographie. Aber, sagt Mazzoleni: „Diese Zahl berücksichtigt nicht jene Frauen, die von sich aus zur Mammographie gehen, die sie nicht im Krankenhaus, sondern in einer privaten Struktur durchführen lassen. Und auch die Frauen, die einen privaten Frauenarzt haben, der bei jeder Visite einen Tast-Test und eine Ultraschall-Untersuchung der Brust vornimmt, sind nicht in diesen 54% enthalten.“
Was das erst vor drei Jahren eingeführte Reihenscreening für Dickdarm-Krebs betrifft, könnten die Zahlen effektiv höher liegen, sagt auch Primar Guido Mazzoleni. Von den Personen (weniger als 50%) die 2013 diesen Test vorgenommen haben und nach einem positiven Ergebnis zur Dickdarmspiegelung eingeladen wurden, hatten immerhin 47% eine Vorstufe oder bereits Dickdarmkrebs entwickelt. Der Test hat ihnen das Leben gerettet! In einem frühen Stadium ist Darmkrebs sehr gut heilbar.
Fazit. Südtirol ist besser als die Statistik aufzeigt, aber weit davon entfernt, Klassenbester zu sein. Immer noch zu viele Menschen haben die Bedeutung der Vorsorge nicht verstanden. Vor allem auf dem Land, sagt Primar Mazzoleni, stünden die Menschen diesen Untersuchungen mit Skepsis gegenüber.
Was man dagegen tun kann? Informieren, informieren und noch mehr informieren. Ein Weg, den die Südtiroler Krebshilfe schon lange eingeschlagen hat.
Das trotz allem beste Instrument

Umberto Veronesi: Es braucht eine kapillare Informationsstrategie


Umberto Veronesi, Gründer und langjähriger Direktor des Europäischen Krebsinstituts in Mailand und ehemaliger Gesundheitsminister hat 2000 das Brustkrebsscreening eingeführt. „Mittlerweile müsste das Programm den neuesten Erkenntnissen angepasst werden, aber es ist nach wie vor das beste Instrument im Kampf gegen den Krebs.“
Laut Umberto Veronesi, Onkologe, der 1972 als erster die brustschonende Methode der Quadranten-Operation anstelle der Brustamputation anwendete, sind die präventiven Vorsorgeuntersuchungen die wichtigste Initiative des öffentlichen Gesundheitssystems gegen den Krebs. Das Konzept sei etwas in die Jahre gekommen und müsste den neuesten Erkenntnissen angepasst werden. So sei beispielsweise das Alter von 50 Jahren für die erste Mammographie bei weitem zu spät. Immer mehr junge Frauen erkrankten an Brustkrebs. Denkbar sei die Einführung eines jährlichen Ultraschalls ab 35, der ab 40 mit einer Mammographie im Zweijahres-Abstand zu ergänzen sei.
„Für Brustkrebs“, so Umberto Veronesi in einem Artikel der Repubblica am 27. Mai, „muss unser Objektiv Sterblichkeit Null sein!“ Bei Früherkennung und sofortiger chirurgischer Therapie sei dieser Krebs zu 99% heilbar. Das gleiche Objektiv nennt Veronesi für den Gebärmutterhalskrebs. „Die Diagnostik ist heute schon über den Paptest hinaus. Die Forschung hat erwiesen, dass der Gebärmutterhalskrebs zu fast 100% vom HPV Virus verursacht wird. Dieses Virus kann man heute mit einem Test nachweisen und damit schon frühe Vorstufen dieses Krebses erkennen.“
Die Impfkampagne der Mädchen ab zwölf (und bald hoffentlich auch der Jungen) zeitige noch nicht den gewünschten Erfolg, aber wenn sich diese Impfung durchsetze, werde es keinen Gebärmutterhalskrebs oder andere Krankheiten, die von diesem Virus hervorgerufen werden, mehr geben.
Für den Dickdarm-Krebs empfiehlt Veronesi die Einführung der Dickdarmspiegelung als Screening im Abstand von fünf Jahren Heute wird dies z. B. schon jenen Personen empfohlen, die familiär vorbelastet sind. Diese Untersuchung kann nicht nur Vor- und Frühformen erkennen, sondern diese auch schon während der Untersuchung entfernen (Polypen). Das derzeitige Screening weist Blutspuren im Stuhl nach, eine Methode, die nicht hundertprozentig ein Indikator für Krebs ist, da Tumore nicht immer bluten, außerdem hängt es von der Position des Tumors ab.
In Zukunft müsse zudem die Vorsorge auf weitere Krebsarten erweitert werden. „Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, Raucher zur jährlichen Computertomographie einzuladen“, sagt der bekannte Onkologe. „Damit könnte die Sterblichkeit von derzeit 70% auf 30% reduziert werden.“
Die von Repubblica veröffentlichten Zahlen über das Screening in Italien sind jedenfalls laut Umberto Veronesi, kein Grund zur Sorge, sondern im Gegenteil eine Motivation. „Die Screenings sind der richtige Weg, aber sie müssen den neuesten Erkenntnissen angepasst werden und es müssen noch effektivere und kapillarere Informationskampagnen gestartet werden!“
(aus Repubblica, 27. Mai 2016)

Aktuell

Auch das ist Onkologie

„Terrae“ gestaltet Kunst-Garten - Ein humaner Ort der Begegnung

Fotos: Othmar SeehauserFotos: Othmar Seehauser

Das Krankenhaus und insbesondere die Abteilung für Onkologie sind Orte, die mit Leid verbunden werden. Der Mensch fühlt sich ausgeliefert. Angst, kalte Technologie, ein als inhuman erlebtes Ambiente. Gleichzeitig aber ist es doch auch ein Ort der menschlichen Begegnung, der Heilung, der Fürsorge. Das Künstlerkollektiv „Terrae“ hat den Dachgarten des Krankenhauses in diesem Sinne gestaltet.

Claudio GraiffClaudio Graiff

Wer auf seine onkologische Visite oder die Chemotherapie warten muss, kann ab sofort wählen zwischen dem Vorraum der Abteilung oder dem Kunst-Garten auf dem Dach der Onkologie. Ein Display zeigt auch hier die Nummern der Warteschlange an.
Der Anfang Juni eröffnete Kunstgarten ist Teil desselben Konzepts, dem die 2007 von Primar Claudio Graiff und seinem Kollegen aus Carrara, Maurizio Cantore, gegründete Initiative „Donatori di Musica“ ihr Leben verdankt. „Es geht auch hierbei um eine Humanisierung des Ortes Krankenhaus aber auch der Zeit, die der Patient dort verbringt, erklärt Dr. Graiff.“ Er hat das Projekt ConDec genannt „Kontamination und Dekontamination“.
Der überdachte Bereich wurde von den Mitarbeitern der Onkologie mit Dingen, die sie von Zuhause mitgebracht haben, gemütlich eingerichtet. Das auf Land-art spezialisierte Künstlerkollektiv „Terrae“ aus dem Nonstal hat der Onkologie die künstlerische Gestaltung des Dachgartens geschenkt. Der Kontakt kam über die Alexander Langer Stiftung zustande.
Alberto Larcher, Giuseppe Dondi, Roberto Rossi und Fabio Seppi sind die vier Künstler von „Terrae“. Unterstützt wurden sie von den beiden jungen Südtiroler Künstlerinnen, Sabine Bortolotti und Annalisa Covi. Gemeinsam und doch jeder auf seine ganz eigene Weise haben sie einen Kunstraum geschaffen, der sich ganz an der Natur inspiriert.
Der Idee zugrunde liegt die Überzeugung, dass auch die Seele Nahrung braucht, gerade in diesen schweren Momenten.
Die Abteilung für Onkologie verwandelt sich schon seit mehreren Jahren einmal im Monat in einen Konzertsaal, im Rahmen des Projekts „Donatori di Musica“; auch zur Eröffnung des Kunstgartens durfte ein Konzert nicht fehlen: Das Monteverdi Wind Chamber Ensemble, Alba Sanches Sanglada, Vanessa Carlone (Oboen), Sophie Pardatscher, Luca Bernard (Klarinette), Lukas Innerebner, Pia Kemenater (Horn), Matthias Delazer, Elisa Horrer (Fagott) spielten unter der Leitung von Fabio Neri Mozart und Beethoven. Mit dem Kunstgarten wird das Krankenhaus um einen kreativen Ort der Begegnung, des Austauschs und des Miteinanders, bereichert, der sich der Kraft der Natur-Elemente Erde, Wasser, Blätter, Äste, Steine, Holz bedient. (Anti)Käfige, die die Krankheit symbolisieren oder Stühle werden von Pflanzen in einen Ort fruchtbaren Wachstums und in Hoffnungsträger verwandelt. Himmel und Erde werden in Verbindung gesetzt, ein Lebensbaum verbindet Kunst, Musik und Natur zu einem heilsamen Ganzen. Ein Katalog klärt die Besucher über die Symbolik dieses Humanisierungsprojekts und der fünf Installationen auf.


Der Kunstgarten steht allen Besuchern, Patienten und Mitarbeitern des Krankenhauses offen. Das Künstlerkollektiv „Terrae“ mit den beiden Südtiroler Künstlerinnen. V. l.: Sabine Bortolotti, Annalisa Covi, Alberto Larcher, Giuseppe Dondi, Alberto Rossi und Fabio Seppi.Das Künstlerkollektiv „Terrae“ mit den beiden Südtiroler Künstlerinnen. V. l.: Sabine Bortolotti, Annalisa Covi, Alberto Larcher, Giuseppe Dondi, Alberto Rossi und Fabio Seppi.